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Lichter gehen jetzt die Tage

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Lichter gehen jetzt die Tage

In der sanften Abendröte,

Und die Hecken sind gelichtet,

Drin der Städte Türme stecken

Und die buntbedachten Häuser.

 

Und der Mond ist eingeschlafen

Mit dem großen weißen Kopfe

Hinter einer großen Wolke.

Und die Straßen gehen bleicher

Durch die Häuser und die Gärten.

 

Die Gehängten aber schwanken

Freundlich oben auf den Bergen

In der schwarzen Silhouette.

Drum die Henker liegen schlafend,

Unterm Arm die feuchten Beile.

 

Fragen und Aufgaben zum Text:

I.

1. Was wissen Sie von den Besonderheiten der Fünfzeilenstrophe?

2. Wird hier die Strophe traditionell gebaut?

3. Nennen Sie Merkmale des expressionistischen Stils im Gedicht.

4. Was deutet hier die Perspektive des Sprechens an? (dort, hier)

5. Gibt es hier Zeit- und Ortsangaben?

6. Ist das ein autopsychologisches Gedicht oder ein Rollengedicht?

7. Prägt hier die Aufzählung den Rhythmus?

8. Erfüllt im Gedicht das Spiel von Licht und Schatten eine Funktion?

9. Wodurch wird hier der Einschnitt gezeigt?

10. Finden Sie die Pointe des Textes.

II.

1. Welche Rolle spielen im Text der Satzbau und die Satzlänge? 2. Bestimmen sie die Funktion der Aufzählung und Wiederholung im Gedicht. 3. Was kann man von der Wortwahl im Text sagen?

4. Welche Funktionen üben im Gedicht metaphorische Ausdrücke aus?

 

II.14. Gottfried Benn (1886—1956)

Wurde 1886 in Mansfeld/Westprignitz als Pfarrersohn geboren und ist in Berlin 1956 gestorben. Sein Hauptberuf war Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Seine ersten literarischen Arbeiten stammen aus dem Jahr 1912. Damals erschien sein Lyrikband „Morgue und andere Gedichte“. Neben zahlreichen Gedichtveröffentlichungen erschienen auch seine Essays „Können Dichter die Welt ändern?“ und „Altern als Problem für Künstler“. Sie fanden große Beachtung. Im Jahre 1951 wurde der Dichter mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet.

Viele Literaturhistoriker nennen ihn den Dichter des Nihilismus und irrationalen Subjektivismus, der die Krise der bürgerlichen Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts als absolut auffasste. Der positivistischen naturwissenschaftlichen Schule und der scheinhaften Sicherheit des bürgerlichen Lebens stand er äußerst kritisch gegenüber, verächtlich und mit Ekel sprach er darüber, Er verneinte jedwede Humanität und Rationalität des menschlichen Individuums.

Gottfried Benns zynische und nihilistische Antihumanität zeigt sich bereits in seinen ersten Gedichten aus dem Lyrikband „Morgue“, in denen er schneidig und vorurteilslos, mit schnoddrigem Zynismus christlich-religiöse Klischees und humanistische Traditionen über Bord wirft, indem er in dem Gedicht „Der Arzt“ sagt: „Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch.“

Hauptmotive seiner Frühlyrik sind die krebskranken leidenden und sterbenden Menschen in den Krankenhäusern oder die Toten in den Leichenschauhäusern, die er mit erstaunlichem Zynismus ausführlich beschreibt, sie zielen auf totale nihilistische Verächtlichmachung des Menschen als Lebewesen. Der Dichter bedient sich dabei des Arztjargons und philosophischer Begriffe, kombiniert sie provokativ und assoziativ zur zum Himmel schreienden Ekelmetaphorik. Ohne jegliche Sentimentalität reiht er im Geiste des Expressionismus nackte und Brutale Bilder der übel riechenden Verwesung, des von Krebs und Syphilis zerfressenen Fleisches, der blutverschmierten Eingeweide. Diese Gedichte forderten das herkömmliche Schönheitsgefühl des Lesers heraus und waren im Grunde Antipoesie.

In der Lyrik des jungen Gottfried Benn finden sich aber auch andere, typisch expressionistische Motive, zum Beispiel, der Aufstand der Söhne gegen die Väter. Manchmal flüchtet der Lyriker ins Erotische, in die Sphäre der Cafes und Dirnen und bekennt sich dabei zum „entbundenen Blut“, zur „Tierliebe“. Er kann gelegentlich auch nationalistische Begriffe apostrophieren und die Offizierskaste als hohle und gemeine Menschensorte zeigen. Nicht selten beschwört er in seinen Texten südländische Lebens- und Naturbilder und möchte in das unbewusste Naturleben zurückkehren, wo jegliche soziale Verantwortung und Bindung fehlen.

Die Kriegserlebnisse des Dichters als Militärarzt steigerten noch mehr seine nihilistisch-inhumane Welt- und Lebenseinstellung. Sein programmatisches Gedicht „Fleisch“(1917) ist ein beredtes Zeugnis davon. Die Toten im Sektionskeller beweisen durch ihr bloßes Vorhandensein die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz und die Vergänglichkeit des Tierisch-Materiellen im Menschen.

Auch nach Krieg und Revolution hielt der Dichter an seinem Weltekel fest. Auch zu Zeiten der Weimarer Republik bleibt er Nihilist und ich-besessener Verachter des Denkens, der den „Süden“ ästhetisiert. Mit der Zeit gewinnt sein Ästhetizismus immer schärfere Konturen, besonders in der Epoche nach dem zweiten Weltkrieg. Der Nihilismus Gottfried Benns in den zwanziger Jahren findet seine Stütze nicht zuletzt in der Philosophie Friedrich Nietzsches und im „Untergang des Abendlandes“ von Spengler. Sein Bewusstsein befand sich im Zustand einer tiefen Krise, die zwangsläufig bei ihm Vorstellungen von der Sinnentleertheit seines eigenen Lebens und der Welt schlechthin speiste. Nur damit können die folgenden Zeilen erklärt werden:

Chaos – Zeiten und Zonen

Bluffende Mimikry,

großer Run der Äonen

in die Stunde des Nie –

Marmor Miletts, Travestine,

hippokratischer Schein,

Leichenkolombine:

Die Tauben fliegen ein.

Der totale Pessimismus, der diesen Zeilen entströmt, ist repräsentativ für die Lyrik Gottfried Benns aus den zwanziger Jahren.

Bemerkenswert sind die dreißiger Jahre im Schaffen Gottfried Benns. Seine monologische „Ausdruckskunst“ brachte ihn in die Nähe des Nationalsozialismus, mit dem er sich sogar anzubiedern versuchte. Er gab sich Mühe, seinen Nihilismus abzustreifen und sich ein neues, faschistisches Vokabular anzueignen. Dies ist ganz deutlich aus seinen Essays der Jahre 1933/1934 ersichtlich. Darin begegnet man solchen Vokabeln wie: „produktiv“, „pädagogisch“, „ethisch“, „moralisch“. Benn akzeptierte sogar den „Völkischen Aufbruch“ und sprach von „mythischer Kollektivität“ und „von einem neuen Dschingis Khan“. Vom Nationalsoyialismus erhoffte er am Anfang eine echte Erneuerung des deutschen Volkes, „das einen Ausweg aus Rationalismus, Funktionalismus, zivilisatorischer Erstarrung finden würde“. Aber seinen „heroischen Nihilismus“ konnten die Nazis nicht akzeptieren und lehnten ihn als Mensch und Dichter ab. 1936 wurde er im „Schwarzen Chor“ als „entarteter Asphaltliterat“ beschimpft und 1937 wurde er aus der faschistischen Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und durfte nichts mehr veröffentlichen.

Auch nach dem zweiten Weltkrieg bezieht Gottfried Benn ästhetizistische und nihilistische Positionen. Sein “Roman des Phänotyp“ wirkt durchaus programmatisch, indem der Autor darin die Losgelöstheit und Isolierung des Individuums von der gesellschaftlichen Umwelt proklamiert. Die Darstellungsweise ist in diesem Werk betont antirealistisch. Benn nennt sie selbst „Orangestruktur“, die sich durch Unverbundenheit und Austauschbarkeit vereinzelter Abschnitte charakterisiert und nur noch Reflexionen des Phänotyps (des Haupthelden) und lyrische Assoziationsketten ohne deren Auslöser beinhaltet.

Seine ästhetizistischen, typisch modernistischen Positionen bestimmen sein gesamtes Spätwerk. 1948 werden seine „Statischen Gedichte“ veröffentlicht, ein Jahr später die Essaysammlung „Ausdruckswelt“, die Novelle „Der Prolemäer“ und die Szene „Drei alte Männer“. 1950 erscheint seine Autobiographie „Doppelleben“. In den nächsten Jahren legt er dem Publikum zwei neue Lyrikbände vor: „Fragmente“ (1951) und „Destillationen“ (1953). Allen diesen Publikationen eignet die radikale Trennung von „Geist“ und „Leben“. In allen diesen Texten wird mit der realen, konkreten „geschichtlichen Welt“ total gebrochen. Sie wird als Wertzerfall und Chaos gezeichnet. Und ihr wird die „Ausdruckswelt“der Kunst und Dichtung gegenübergestellt. Der „weise“ Dichter steht darin den „fortschrittsgläubigen“ Normalmenschen gegenüber, er verzichtet auf jegliche Entwicklung und Verbesserung gesellschaftlicher Zustände. Die Auswahl seiner Gedichte „Trunkene Flut“ aus dem Jahre 1949 demonstriert „Verfeinerung, Abstieg, Trauer“ als wichtigstes schöpferisches Prinzip, das auf „Licht und Trauer“ der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts basiere.

Gottfried Benn war nicht nur praktischer Lyriker, sondern auch Theoretiker der Poesie. 1951 sprach er an der Universität Marburg über „Probleme der Lyrik“. In seinen theoretischen Ausführungen stützte er sich auf die Ästhetik Friedrich Nietzsches. Diese Rede des Dichters wurde in der westdeutschen Literaturwissenschaft als Poetik der Jahrhundertmitte bewertet.. In der DDR erblickte man darin den Gipfelpunkt des ästhetizistischen Subjektivismus. Die Dichtung sei „Selbstbegegnung“, sie genüge sich im „Monolog“ des lyrischen Subjekts. So wurden die Gedanken dieser Rede interpretiert.

Sein letzter Gedichtband „Apreslude“ entstand 1955. Darin sind wohlklingende Texte zusammengefasst, die das persönliche Scheitern des Autors zum Gleichnis des Menschen schlechthin erheben. Die Klagetöne in diesen Gedichten waren in vieler Hinsicht durch den Essay „Altern als Problem für Künstler“ vorweggenommen.

 

Melancholie

 

Wenn man von Faltern liest, von Schilf und Immen,

dass sich darauf ein schöner Sommer wiegt,

dann fragt man sich, ob diese Glücke stimmen

und nicht dahinter eine Täuschung liegt,

und auch das Saitenspiel, von dem sie schreiben,

mit Schwirren, Dufthauch, flügelleichtem Kleid,

mit dem sie tun, als ob sie bleiben,

ist anderen Ohren eine Fraglichkeit:

ein künstliches, ein falsches Potpourri-

untäuschbar bleibt der Seele Agonie.

 

Was ist der Mensch – die Nacht vielleicht geschlafen,

doch vom Rasieren wieder schon so müd,

noch eh ihn Post und Telefone trafen,

ist die Substanz schon leer und ausgeglüht,

ein höheres, ein allgemeines Wirken,

von dem man hört und manches Mal auch ahnt,

versagt sich vielen leiblichen Bezirken,

verfehlte Kräfte, tragisch angebahnt:

Man sage nicht, der Geist kann es erreichen,

er gibt nur manchmal kurzbelichtet Zeichen.

 

Nicht im entferntesten ist das zu deuten,

als ob der Schöpfer ohne Seele war,

er fragt nur nicht so einzeln nach den Leuten,

nach ihren Klagen, Krebsen, Haut und Haar,

er wob sie aus Verschiedenem zusammen

das er auch noch für andere Sterne braucht,

er gab uns Mittel, selbst uns zu entflammen

-labil, stabil, labil- man träumt, man taucht:

Schon eine Pille nimmt dich auf den Arm

Und macht das Trübe hell, das Kalte warm.

 

Du musst aus deiner Gegend alles holen,

denn auch von Reisen kommst du leer zurück,

verlässt du dich, beginnen Kapriolen

und du verlierst dir Stück um Stück.

Von Blumen musst du solche wählen,

die blühn am Zaun und halb im Acker schon,

die in das Zimmer tun, die Laute zählen

des Lebens Laute, seinen Ton:

vermindert oder große Terzen-

ein Kältliches verstarrt die Herzen.

 

Die Blumen so – dann zu Vergangenem

sich wendend oder Zukunft, wie sie wird,

da gehst du von Verschleiert zu Vergangenem,

einem Vielleicht zu einwandfrei Geirrt,

ein Hin und Her: Einmal versiegte Güsse

und Noah strahlt, die Arche streift auf Land,

und einmal ist der Nil der Fluss der Flüsse,

Antonius küsst die braune, schmale Hand:

Die Ruriks, Anjous, Judas, Rasputin

und nur dein eigenes heute ist nicht drin.

 

Tiere, die Perlen bilden, sind verschlossen,

sie liegen still und kennen nur die See;

an Land und Luft: Gekrönte und Profossen-

noch eine Herme mehr in der Allee;

nur Äon schweigt, er hält die Perlengabe,

wo alles fehlt und alles zielt,

der Äon träumt, der Äon ist ein Knabe,

der mit sich selbst auf einem Brette spielt:

Noch eine Herme mehr – man lasse sie,

auch sie führt zum Gedicht: Melancholie.

 

Fragen und Aufgaben zum Text:

I.

1. Was kann man von den Themen und Motiven des Gedichts sagen?

2. Welche Merkmale des Modernismus weist das Gedicht auf?

3. Hat man hier mit einem jambischen alternierenden Vers mit Auftakt oder mit einem trochäischen alternierenden Vers ohne Auftakt zu tun?

4. Schaffen jambische Verse eine Tendenz (-/) zur Dynamik?

5. Entsteht im trochäischen Vers (/-) eine ruhigere Atmosphäre?

6. Wie funktionieren Versende und Versanfang zusammen (- -; - /)? 7. Was erzeugt die fortlaufende Bewegung? Was kann die Bewegung hemmen?

8. Kann man in diesem Fall von dem Volksliedendreim sprechen? 9. Bestimmen Sie die Art des Reims in dem Gedicht.

10. Charakterisieren Sie die Strophe im Gedicht. 11. Wo sind die gewichtigen Einschnitte in jeder Strophe, die den Text inhaltlich prägen?

12. Welche formalen Mittel deuten hier auf die Pointe hin?

13. Charakterisieren Sie das Verhältnis von Vers und Satz im Text.

II.

1. Was kann man vom Satzbau und von der Wortwahl in diesem Gedicht sagen?

2. Welche Stilmittel verwendet der Dichter, um die Bild- und Aussagekraft des Gedichts zu intensivieren?

3. Welche Stilmittel wirken dominierend im Text?

 

Abschied

Du füllst mich an wie Blut die frische Wunde

Und rinnst hernieder seine dunkle Spur,

du dehnst dich aus wie Nacht in jener Stunde,

da sich die Matte färbt zur Schattenflur,

du blühst wie Rosen schwer in Gärten allen,

du Einsamkeit aus Alter und Verlust,

du Überleben, wenn die Träume fallen,

zuviel gelitten und zuviel gewusst.

 

Entfremdet früh dem Wahn der Wirklichkeiten,

versagend sich der schnell gegebenen Welt,

ermüdet von dem Trug der Einzelheiten,

da keine sich dem tiefen ich gesellt;

nun aus der Tiefe selbst, durch nichts zu rühren,

und die kein Wort und Zeichen je verrät,

musst du dein Schweigen nehmen, Abwärtsführen

zu Nacht und Trauer und den Rosen spät.

 

Manchmal noch denkst du dich--: die eigene Sage--:

Das warst du doch--? Ach, wie du dich vergaßt!

War das dein Bild? War das nicht deine Frage,

dein Wort, dein Himmelslicht, das du besaßt?

Mein Wort, mein Himmelslicht, dereinst besessen,

mein Wort, mein Himmelslicht, zerstört, vertan--,

wem das geschah, der muss sich wohl vergessen

und rührt nicht mehr die alten Stunden an.

 

Ein letzter Tag--: spätglühend, weite Räume,

ein Wasser führt dich zu entrücktem Ziel,

ein hohes Licht umströmt die alten Bäume, und schafft im Schatten sich ein Widerspiel,

von Früchten nichts, aus Ähren keine Krone

und auch nach Ernten hat er nicht gefragt--,

erspielt sein Spiel, und fühlt sein Licht und ohne

Erinnern nieder—alles ist gesagt.

 

Fragen und Aufgaben zum Text:

 

I.

1. Welches Welt- und Lebensgefühl durchdringt das vorliegende Gedicht?

2. Zu welcher literarischen Richtung können solche Gedichte gehören?

3. Welche Themen und Motive in diesem Gedicht kann man als typisch modernistisch bewerten?

4. Was kann man von der strophischen Gliederung des Gedichtes sagen?

5. Was überwiegt hier: das Enjambement oder der Zeilenstil?

6. Was kann man vom Reimschema im Gedicht sagen?

7. Welches Reimschema bevorzugt der Dichter in seinem Text?

8. Was kann man von der Qualität der Reime sagen?

II.

1. Charakterisieren sie die Satzlänge im Gedicht und die Wortwahl.

2. Was können Sie von den verwendeten Stilmitteln im Gedicht sagen?

3. Inwieweit steigern sie die poetische Bild- und Aussagekraft des Gedichts?

 

Verlorenes Ich

 

Verlorenes Ich, zersprengt von Stratosphären,

Opfer des Ion--: Gamma-Strahlen-Lamm—

Teilchen und Feld--: Unendlichkeitschimären

Auf deinem grauen Stein von Notre-Dame.

 

Die Tage gehen dir ohne Schnee und Morgen,

die Jahre halten ohne Schnee und Frucht

bedrohend das Unendliche verborgen—

die Welt als Flucht.

 

Wo endest du, wo lagerst du, wo breiten

Sich deine Sphären an—Verlust, Gewinn--:

Ein spiel von Bestien: Ewigkeiten,

an ihren Gittern fliehst hin.

 

Der Bestienblick: die Sterne als Kaldaunen,

der Dschungeltod als Seins- und Schöpfungsgrund,

Mensch, Völkerschlachten, Katalaunen

Hinab den Bestienschlund.

 

Die Welt zerdacht. Und Raum und Zeiten

Und was die Menschheit wob und wog,

Funktion nur von Unendlichkeiten—

Die Mythe log.

 

Woher, wohin—nicht Nacht, nicht Morgen,

kein Evoe, kein Requiem,

du möchtest dir ein Stichwort borgen—

allein bei wem?

 

Ach, als sich alle eine Mitte neigten

Und auch die Denker nur den Gott gedacht,

sie sich den Hirten und dem Lamm verzweigten,

wenn aus dem Kelch das blut sie rein gemacht,

 

und alle rannen aus der einen wunde,

brachen das Brot, das jeglicher genoss—

oh ferne zwingende erfüllte Stunde,

die einst auch das verlorne Ich umschloss.

 

Fragen und Aufgaben zum Text:

 

I.

1. Ist das im Titel des Gedichts angegebene Thema typisch modernistisch?

2. Was können Sie von der Weltempfindung des Autors sagen?

3. In welchen Wörtern und Motiven offenbart sich die pessimistische, modernistische Welthaltung des Verfassers des Gedichts?

4. Ist die Welt gut oder böse nach Ansicht des Dichters? Hat sie einen Sinn oder ist sie total sinnlos und unsinnig?

5. Entströmt dem Gedicht das Gefühl der Verzweiflung oder Sicherheit?

6. Analysieren Sie das Reimschema in den Strophen des Gedichts.

7. Welches Verhältnis von Vers und Satz überwiegt in diesem Gedicht?

8. Was können sie vom verwendeten Metrum im Gedicht sagen? Gibt es im Gedicht metrische Unregelmäßigkeiten?

II.

1. Welche Satzlänge verwendet der Dichter in seinem Text? Welchen Rhythmus bewirkt sie im Text?

2. Welchen Effekt erzielt der Autor durch den Einsatz von wissenschaftlich-technischen Begriffen in seinem Gedicht?

3. Analysieren sie Stilmittel im Gedicht und bestimmen sie deren Funktion im Text.

 

Ein Wort

 

Ein Wort, ein Satz--: Aus Chiffren steigen

Erkanntes Leben, jäher Sinn,

die Sonne steht, die Sphären schweigen

und alles ballt sich zu ihm hin.

 

Ein Wort—ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,

ein Flammenwurf, ein Sternenstrich—

und wieder dunkel, ungeheuer,

im leeren Raum um Welt und ich.

 

Fragen und Aufgaben zum Text:

I

1. Welches Thema ist im Titel angegeben?

2. Steht „das Wort“ für die Poesie?

3. Was vermag die Poesie? Kann sie dem sinnlosen und chaotischen Leben einen gewissen Sinn und eine Art Ordnung verleihen?

4. Wie ist das Gedicht gegliedert?

5. Ist das Reimschema im Gedicht traditionell?

6. Welche Versfüße verwendet hier der Dichter?

 

II.

1. Welche Satzstrukturen setzt der Dichter in seinem Werk ein?

2. Mittels welcher Stilmittel steigert sich die Bildkraft des Gedichts?

3. Steigern die verwendeten Stilmittel auch die Aussagekraft des Textes?

 

II.15. Franz Werfel (1890 – 1945)

Wurde am 10. September 1890 in Prag geboren. Nach dem Schulbesuch 1910 wirkte er als Verlagslektor in Leipzig. Zwischen 1910 und Mitte der zwanziger Jahre veröffentlichte er mehrere Gedichtbände: „Der Weltfreund“(1911), „Wir sind“(1913, „Der Gerichtstag“ (1919) und „Beschwörungen“(1923) Sie brachten ihm frühen Ruhm. In der Zwischenkriegszeit wurde er als Romancier und Dramatiker bekannt. Er war befreundet mit F. Kafka und M. Brod. Im Jahre 1938 emigrierte er zuerst nach Frankreich, dann in die USA. Sein größter Bestseller „Das Lied der Bernadette“ wurde in den Vereinigten Staaten veröffentlicht und verfilmt. Der Dichter starb am 28 August 1945 in Beverly Hills (Cal./ USA).

Das Gesamtschaffen und den Lebensweg Franz Werfels überschauend kann man nicht umhin, ihn als einen der profiliertesten Dichter der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu sehen, dessen Gedichte ein neues Weltgefühl erweckten. Sein lyrischer Held fühlt mit allen Menschen mit, mit dem Heizer, mit der Gouvernante, dem Akrobaten, der Erzherzogin oder der Dirne. Er predigt Weltfreundschaft und All-Liebe, Freundlich- und Gutsein, liebevolle Beachtung des Nächsten, allseitige Verbrüderung. Derartige Welthaltung war typisch für den Expressionismus. Gerade damit sprach der Dichter seine Leser unmittelbar an. Leider wurde damit gegen die grässliche Wirklichkeit nicht protestiert, sie wurde nur noch stilisiert und glorifiziert.

Die gesteigerte Emotionalität seiner Gedichte vermochte es nicht, die Menschen zu erlösen und zu befreien, sie beschränkte sich auf „Schwung und Lieb’ und jagende Begeisterung”. Die jubelnde oder beschwörende Rhetorik dieser Lyrik musste bloß pathetischer Aufruf bleiben.

Die Gedichte der Kriegszeit mussten so oder so andere Töne anschlagen, denn Weltfreundschaft und All-Liebe ließen sich mit den Schreckbildern des Krieges nicht vereinbaren. Der Krieg erschien dem Lyriker als Ausfluss des Bösen und Gott-Fernen. Die „jagende Begeisterung“ der Vorkriegszeit war nicht mehr möglich. Der Schwung wandelte sich nunmehr in Klage, Trauer und Beschwörung um. In den ersten Gedichten der Kriegszeit wurde der Krieg als Resultat des Verzichts auf Gott verstanden, als Durchbruch böswilliger Dummheit und bestialischer Gewalttätigkeit lügnerischer und verräterischer Unmenschen. Der lyrische Held muss in Anbetracht dieser Situation auf die Weltfreundlichkeit der früheren Gedichte verzichten. Und trotzdem wuchs die neue Welthaltung nicht zum scharfen Protest empor, sie verlagerte sich bloß ins Transzendente. Die Gedichte wurde Predigt, Gebet, Beichte und nichts mehr. Und dies führte zweifelsohne zum Verlust des Lyrischen und zur Propaganda abstrakter Haltungen.

Franz Werfels erzählerisches Spätwerk weist den Weg ins einfache Naturleben, in christliche Demut und Wunderglauben zurück. Eine Ausnahme bleibt wohl der Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ (1934), in dem humanes Handeln noch als möglich sichtbar gemacht wird. In den dreißiger Jahren bekennt sich der Schrifsteller zum künstlerischen Antirealismus und in politischer Hinsicht zum Antikommunismus. Die Weltgeschichte wird von ihm als Katastrophe interpretiert. Seine historischen Prognosen nehmen pessimistische Färbung an. Das Religiöse und Mythische spielt nunmehr in seinen Texten eine immer größere Rolle. Dies beweist vor allem sein Roman „Der gestohlene Himmel“ (1938), der im nächsten Jahr unter dem Titel „Der veruntreute Himmel“ veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt des Werkes steht die Entwicklung Österreichs bis zur Okkupation durch Hitlerdeutschland. Das obenan erwähnte „Lied von Bernadette“ hat nichts mehr zeitkritisches in sich. Es führt vor allem die „Wunder“ der Muttergottes von Lourdes vor. Der letzte Roman des Schriftstellers „Der Stern der Ungeborenen“(1946) wurde in der Literaturwissenschaft der DDR als eine „negative Utopie, der Angsttraum von einer technisch perfekten Welt, in der Menschlichkeit völlig verlorengegangen ist“. Darin wird die zukünftige menschliche Gesellschaft als völlig anonym und undurchschaubar und dabei durchreguliert dargestellt. Schmerzlich empfinden die Helden des Werkes dieses sinnentleerte Dasein und sehnen sich nach einem „natürlichen“ Leben, das nicht genormt, sondern völlig frei ist. Die Geschichte erscheint im Roman als fortschreitender Abfall von Gott und Bewegung auf Katastrophen zu. Besonders aufgeregt zeigten sich die DDR-Wissenschaftler, weil im Roman die Handlungen der Kommunisten, Kapitalisten und Faschisten als gleich sinnlos und inhuman interpretiert waren.

An den Leser

Mein einziger Wunsch ist, dir, o Mensch verwandt zu sein!

Bist du Neger, Akrobat, oder ruhst du noch in tiefer Mutterhut,

Klngt dein Mädchenlied über den Hof, lenkst du dein Floss im Abendschein,

Bist du Soldat, oder Aviatiker voll Ausdauer und Mut.

 

Trugst du als Kind auch ein Gewehr in grüner Armschlinge?

Wenn es losging, entflog ein angebundener Stöpsel dem Lauf.

Mein Mensch, wenn ich Erinnerung singe,

Sei nicht hart, und löse dich mit mir in Tränen auf!

 

Denn ich habe alle Schicksale durchgemacht. Ich weiß

Das Gefühl von einsamen Harfenistinnen in Kurkapellen,

Das Gefühl von schüchternen Gouvernanten im fremden Familienkreis,

Das Gefühl von Debutanten, die sich zitternd vor den Souffleurkasten stellen.

 

Ich lebte im Walde, hatte ein Bahnhofsamt,

Saß gebeugt über Kassabücher, und bediente ungeduldige Gäste.

Als Heizerstand ich vor Kesseln, das antlitz grell überflammt,

Und als Kuli aß ich Abfall und Küchenreste.

 

So gehöre ich dir und allen!

Wolle mir, bitte, nicht wiederstehn!

O, könnte es einmal geschehn,

Dass wir uns, Bruder, in die Arme fallen!

 



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