Sie wandte sich um und sprach den Mann von der LSE an. 


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Sie wandte sich um und sprach den Mann von der LSE an.



»Bitte«, sagte sie,»das Akkordeon meines Papas. Könnten Sie es für mich holen?«

Es gab ein kleines Durcheinander, dann brachte ein älterer Mann Liesel den Kasten, und sie öffnete ihn. Sie holte das Versehrte Instrument heraus und legte es neben Papas Leichnam.»Hier, Papa.«

Und ich schwöre euch, dass Liesel, als sie neben Hans Hubermann kniete, ihn aufstehen sah und hörte, wie er Akkordeon spielte. Ich sah es selbst, viele Jahre später, in einer Vision der Bücherdiebin. Er stand auf und schnallte sich inmitten des Massivs aus zerborstenen Häusern das Akkordeon um und spielte. Er spielte mit Freundlichkeit in den silbernen Augen und einer Zigarette im Mundwinkel. Er griff sogar einmal daneben und lachte dann darüber. Die Blasebälge atmeten, und der große Mann spielte für Liesel Meminger, ein letztes Mal, während der Himmel langsam vom Feuer genommen wurde.

Spiel weiter, Papa. Papa hörte auf.

Er ließ das Akkordeon fallen, und seine silbrigen Augen fingen wieder an zu rosten. Jetzt war er nur ein Körper auf der Straße, und Liesel hob ihn hoch und umarmte ihn. Sie weinte über Hans Hubermanns Schulter hinweg.

»Leb wohl, Papa, du hast mich gerettet. Du hast mir das Lesen beigebracht. Niemand kann so spielen wie du. Ich werde nie wieder Champagner trinken. Niemand kann so spielen wie du.«

Ihre Arme hielten ihn fest. Sie küsste seine Schulter - sein Gesicht noch einmal anzuschauen, konnte sie nicht ertragen -, und dann bettete sie ihn nieder.

Die Bücherdiebin weinte, bis man sie sanft wegführte.

Später erinnerte man sich an das Akkordeon, aber niemand beachtete das Buch.

Es gab viel zu tun. Unzählige Male wurde Die Bücherdiebin, neben anderen Gegenständen, mit Füßen getreten. Schließlich hob man das Buch auf, ohne es eines Blickes zu würdigen, und warf es auf einen Müllwagen. Gerade als der Wagen abfahren wollte, kletterte ich schnell hinauf und nahm es mit...

Es war ein glücklicher Zufall, dass ich da war.

Aber wem will ich eigentlich etwas vormachen? Ich bin früher oder später im Jahr 1943 war ich fast überall.

EPILOG

DIE LETZTE FARBE

Es wirken mit: der Tod und Liesel - hölzerne Tränen - Max - und der Übergeber

TOD UND LIESEL

Seitdem sind etliche Jahre vergangen, aber es gibt immer noch viel zu tun. Ich versichere euch, dass die Welt eine Fabrik ist. Die Sonne feuert sie an, und die Menschen beherrschen sie. Und ich bleibe. Ich trage sie davon.

Was den Rest der Geschichte betrifft, werde ich nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich bin müde, so müde, und ich werde es euch erzählen, so knapp und direkt, wie ich nur kann.

EINE LETZTE TATSACHE

Ich möchte euch mitteilen, dass die Bücherdiebin gestern erst gestorben ist.

Liesel Meminger lebte noch sehr lange, weit entfernt von Molching und dem Untergang der Himmelstraße.

Sie starb in einem Vorort von Sydney, Australien. Das Haus hatte die Nummer 45 - so wie das der Fiedlers, wo die Menschen bei Luftangriffen Schutz gesucht hatten -, und der Himmel hatte das großartige Blau eines Nachmittags. Wie die Seele ihres Papas, so saß auch ihre aufrecht da.

Ihre letzten Visionen galten ihren drei Kindern, ihren Enkeln, ihrem Ehemann und der langen Liste aus Leben, die mit ihrem eigenen verwoben waren, unter ihnen - leuchtend wie Laternen -Hans und Rosa Hubermann, ihr Bruder und der Junge, dessen Haar für immer die Farbe von Zitronen hatte.

Aber es gab auch noch andere Bilder.

Kommt mit, und ich werde euch eine Geschichte erzählen. Ich will euch etwas zeigen.

HOLZ AM NACHMITTAG

Die Himmelstraße war zerstört, und Liesel Meminger hatte kein Zuhause mehr. Man sprach von ihr als dem»Mädchen mit dem Akkordeon«, und man brachte sie zur Polizei, wo nun entschieden werden musste, was mit ihr werden sollte.

Sie saß auf einem sehr harten Stuhl. Das Akkordeon lugte durch ein Loch im Kasten.

Nach drei Stunden erschienen der Bürgermeister und die Frau mit den Fusselhaaren auf der Wache.»Wir haben gehört«, sagte die Frau,»dass ein Mädchen aus der Himmelstraße überlebt hat.«

Der Polizist zeigte ihr den Weg.

Ilsa Hermann bot ihr an, den Kasten zu tragen, aber Liesel hielt ihn fest in der Hand, als sie die Stufen der Wache hinuntergingen. Ein paar Häuserblocks von der Münchener Straße entfernt trennte eine deutlich sichtbare Linie die Ausgebombten von den Glücklichen.

Der Bürgermeister saß am Steuer.

Ilsa hatte sich neben Liesel auf den Rücksitz gesetzt.

Zwischen beiden stand der Instrumentenkasten. Liesels Hand lag darauf, und sie ließ es zu, dass Ilsa Hermann diese Hand mit ihrer eigenen hielt.

Es wäre so leicht gewesen zu schweigen, aber Liesel reagierte ganz anders auf ihr Unglück. Sie saß in dem eleganten Gästezimmer im Haus des Bürgermeisters und redete und redete - mit sich selbst - bis tief in die Nacht hinein. Sie aß kaum etwas. Das Einzige, was sie völlig verweigerte, war ein Bad.

Vier Tage lang trug sie die Überreste der Himmelstraße mit sich herum, hinterließ sie auf den Teppichen und Bodendielen der Großen Straße 8. Sie schlief viel und träumte nicht, und meistens wäre sie am liebsten gar nicht aufgewacht. Alles verschwand, wenn sie schlief.

An dem Tag, an dem die Beerdigungen stattfanden, hatte sie sich immer noch nicht gewaschen, und Ilsa Hermann fragte höflich, ob sie es jetzt tun wolle. Bei früheren Gelegenheiten hatte sie ihr lediglich das Badezimmer gezeigt und ihr ein Handtuch gewiesen.

Die Trauergäste, die der Bestattung von Hans und Rosa Hubermann beiwohnten, sprachen noch lange über das Mädchen in dem hübschen Kleid und der Schicht aus Himmelstraßenschmutz. Es ging das Gerücht, dass sie später am selben Tag völlig angekleidet in die Amper watete und etwas Merkwürdiges sagte.

Etwas von einem Kuss.

Etwas von einem Saumenschen.

Wie viele Male musste sie Abschied nehmen?

Danach kamen und gingen die Wochen und Monate und jede Menge Krieg. In den Augenblicken schlimmster Trauer dachte sie an ihre Bücher, besonders an diejenigen, die speziell für sie gemacht worden waren, und an das eine, das ihr Leben gerettet hatte. Eines Morgens, in einem neuerlichen Zustand des Schocks, ging sie gar in die Himmelstraße, um die Bücher zu suchen, aber es war nichts von ihnen übrig geblieben. Es gab keine Linderung, keine Heilung. Es würde Jahre, Jahrzehnte dauern. Dazu brauchte es ein langes Leben.

Für die Steiners gab es zwei Trauerfeiern. Die erste fand am Tage ihrer Grablegung statt; die zweite, als Alex Steiner auf Urlaub nach Hause kam.

Seit ihn die Nachricht erreicht hatte, war Alex dahingewelkt.

»Herr im Himmel«, sagte er,»wenn ich Rudi nur auf diese Schule geschickt hätte.«

Man rettet jemanden.

Man tötet jemanden.

Wie hätte er es ahnen sollen?

Das Einzige, was er mit Sicherheit wusste, war, dass er alles dafür gegeben hätte, in jener Nacht in der Himmelstraße gewesen zu sein, denn dann hätte Rudi überlebt.

Er erzählte Liesel davon, auf den Stufen zur Großen Straße 8. Er war sofort, nachdem er von ihrer Rettung gehört hatte, zu ihr gekommen.

An diesem Tag, auf den Stufen, wurde Alex Steiner in Stücke gesägt.

Liesel sagte ihm, dass sie Rudis Lippen geküsst hatte. Es war ihr peinlich, aber sie glaubte, dass er es gerne wissen wollte. Er weinte hölzerne Tränen und schenkte ihr ein Eichenlächeln. Der Himmel, den ich in Liesels Vision von diesem Tag sah, war grau und schimmernd. Ein silbriger Nachmittag.

MAX

Als der Krieg vorbei war und Hitler sich in meine Arme begeben hatte, nahm Alex Steiner die Arbeit in seinem Schneidergeschäft wieder auf. Er verdiente kaum Geld damit, aber immerhin konnte er sich ein paar Stunden am Tag ablenken. Liesel begleitete ihn oft. Sie verbrachten viel Zeit miteinander und gingen häufig nach Dachau, nachdem das Konzentrationslager befreit worden war, nur um jedes Mal von den Amerikanern abgewiesen zu werden.



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