Sie konnten nicht widerstehen. »Wo?« »Bei den Kartoffeln.« 


Мы поможем в написании ваших работ!



ЗНАЕТЕ ЛИ ВЫ?

Sie konnten nicht widerstehen. »Wo?« »Bei den Kartoffeln.«



Vierundzwanzig Stunden später überwanden Liesel und Rudi wieder einmal einen Stacheldrahtzaun und füllten ihren Sack.

Das Problem tauchte auf, als sie den Rückzug antreten wollten.

»Herr Jesus!«, brüllte Arthur.»Der Bauer!«Aber es war sein nächstes Wort, das Angst und Schrecken auslöste. Er schrie es heraus, als ob er bereits damit angegriffen würde. Sein Mund brach auseinander. Das Wort flog heraus, und das Wort lautete:»Axt!«

Und tatsächlich - als sie sich umdrehten, kam der Bauer auf sie zugerannt, mit hoch erhobener Waffe.

Der ganze Haufen rannte auf den Zaun zu und kletterte in Sekundenschnelle darüber. Rudi, der am weitesten entfernt gewesen war, hatte sie schnell eingeholt. Trotzdem war er der Letzte. Er zog sein Bein hoch.

Es verhakte sich.

»Ah!«

Der Aufschrei des Gestrandeten.

Die Meute blieb stehen.

Instinktiv rannte Liesel zurück.

»Beeil dich!«, rief Arthur. Seine Stimme schien von weit her zu kommen, als ob er sie verschluckt hätte, bevor sie seinen Mund verlassen konnte.

Weißer Himmel.

Die anderen rannten.

Liesel hatte Rudi erreicht und zerrte an dem Stoff seiner Hose. Rudis Augen waren vor Angst weit aufgerissen.»Schnell«, sagte er.»Er kommt.«

Aus weiter Ferne konnten sie immer noch die sie zurücklassenden Schritte hören, als plötzlich eine weitere Hand den Stacheldraht packte und ihn von Rudi Steiners Hose wegriss. Ein Stück Stoff blieb an dem Stahlstachel hängen, aber der Junge war frei und konnte entkommen.

»Jetzt bewegt euch«, befahl Arthur. In diesem Moment erreichte der Bauer den Zaun. Er fluchte und rang nach Atem. Die Axt klebte - mit letzter Kraft, wie es schien - an seiner Seite. Er schrie ihnen die nutzlosen Worte des Beraubten hinterher.

»Ich lasse euch einsperren! Ich finde euch! Ich finde heraus, wer ihr seid!«

Da drehte sich Arthur um und gab Auskunft.

»Sein Name ist Owens!«Er sprang davon und rannte hinter Liesel und Rudi her.»Jesse Owens!«

Endlich waren alle in Sicherheit und kämpften darum, wieder zu Atem zu kommen. Arthur Berg trat zu Liesel und Rudi. Rudi konnte ihm nicht in die Augen sehen.»Das ist uns allen schon mal passiert«, sagte Arthur, der Rudis Enttäuschung spürte. Sagte er die Wahrheit? Sie wussten es nicht und würden es nie herausfinden.

Ein paar Wochen später zog Arthur Berg nach Köln.

Ein Mal sahen sie ihn noch, auf einer von Liesels Wäschetouren. In einer Seitengasse der Münchener Straße überreichte er Liesel eine braune Papiertüte mit einem Dutzend Esskastanien Er grinste.»Ich habe Beziehungen.«Dann verkündete er seinen Weggang, schenkte ihnen ein letztes, pickliges Lächeln und verpasste beiden einen Klaps auf die Stirn.»Esst nicht alle auf einmal.«Sie sahen Arthur Berg nie wieder.

Was mich betrifft - ja, ich begegnete ihm noch ein Mal.

EINE KLEINE VERBEUGUNG VOR ARTHUR BERG, DER IMMER NOCH UNTER DEN LEBENDEN WEILT

Der Himmel über Köln war gelb und faulig, franste an den Kanten aus. Er saß mit dem Rücken an eine Mauer gelehnt, mit einem Kind in den Armen. Seine Schwester. Als sie aufhörte zu atmen, blieb er bei ihr, und ich spürte, dass er sie noch stundenlang halten würde. In seiner Tasche steckten zwei gestohlene Äpfel.

Diesmal machten sie es besser. Sie aßen jeder eine Kastanie. Dann gingen sie von Tür zu Tür und verkauften den Rest.

»Wenn Sie ein bisschen Kleingeld übrig haben«, sagte Liesel an jeder Haustür,»dann können Sie ein paar Esskastanien bekommen.«Am Ende besaßen sie sechzehn Pfennige.

»Und jetzt«, grinste Rudi,»lass uns Rache nehmen.«

Am selben Nachmittag noch kehrten sie bei Frau Lindner ein, heilhitlerten brav und warteten.

»Schon wieder gemischte Bonbons?«, schmunzelte sie, woraufhin sie nickten. Das Geld spritzte auf die Theke, und Frau Lindners Schmunzeln fiel auseinander.

»Ja, Frau Lindner«, sagten sie im Chor.»Gemischte Bonbons, bitte.«

Der gerahmte Führer blickte stolz auf sie hinab.

Es war der Triumph vor dem Sturm.

DER KÄMPFER: LETZTE RUNDE

Mit der Spielerei hat es nun bald ein Ende, nicht aber mit dem Spektakel. Ich halte Liesel Meminger in einer Hand und Max Vandenburg in der anderen. Bald schon werde ich sie zusammenprallen lassen. Lasst mir noch ein paar Seiten Zeit.

Der Kämpfer.

Wenn sie ihn heute Nacht umbrächten, würde er wenigstens lebendig sterben.

Die Zugfahrt war nun Vergangenheit. Die schnarchende Frau hatte sich vermutlich in dem Abteil ausgestreckt, das heute Nacht ihr Bett sein würde. Jetzt lagen nur noch Schritte zwischen Max und der Rettung. Schritte und Gedanken. Und Zweifel.

In seinen Gedanken folgte er dem Weg auf der Karte, von Pasing nach Molching. Es war schon spät, als er die Kleinstadt vor sich sah. Seine Beine taten schrecklich weh, aber er war fast da - an dem gefährlichsten Ort, an dem er sich befinden konnte. Nah genug, um ihn zu berühren.

Wie beschrieben, fand er die Münchener Straße und betrat den Bürgersteig.

Alles versteifte sich.

Glühende Taschen aus Straßenbeleuchtung. Dunkle, untätige Gebäude.

Das Rathaus stand wie ein riesiger Junge da, der die Hand zur Faust geballt hatte, zu groß für sein Alter. Die Kirche verschwand in der Dunkelheit, je weiter sein Auge nach oben wanderte.

Alles betrachtete ihn.

Er zitterte.

Er warnte sich:»Halt die Augen offen.«

(Deutsche Kinder hielten Ausschau nach verlorenen Münzen. Deutsche Juden waren auf der Hut vor einer möglichen Gefangennahme.)

Er hielt sich weiterhin an die Zahl dreizehn, die ihm Glück bringen sollte, und so zählte er seinen Weg in Abschnitten von je dreizehn Schritten ab. Nur noch dreizehn Schritte, sagte er sich. Komm schon, noch dreizehn Schritte. Schätzungsweise neunzig Dreizehnerabschnitte machte er, bis er endlich an der Ecke der Himmelstraße stand.

In einer Hand hielt er seinen Koffer.

Die andere umklammerte immer noch Mein Kampf.

Beides war schwer, und beides wurde von einer sanften Schweißabsonderung liebkost.

Jetzt bog er in die Seitenstraße ein und ging auf das Haus Nummer 33 zu. Er unterdrückte das Verlangen zu lächeln, unterdrückte das Verlangen zu schluchzen oder sich auch nur die Geborgenheit vorzustellen, die ihn möglicherweise erwartete. Er gemahnte sich daran, dass dies nicht die richtige Zeit für Hoffnung war. Sicher, er konnte sie beinahe berühren. Er konnte sie fühlen, gerade außerhalb seiner Reichweite. Statt dieses Gefühl anzuerkennen, beschäftigte er sich wieder mit der Frage, was er tun sollte, wenn er im letzten Moment geschnappt oder die falsche Person hinter der Haustür auf ihn warten würde.

Natürlich empfand er auch ein kratzendes Empfinden von Sünde.

Wie konnte er das tun?

Wie konnte er hier auftauchen und diese Leute bitten, ihr Leben für ihn zu riskieren? Wie konnte er so selbstsüchtig sein?

33.

Sie schauten einander an.

Das Haus war bleich, wirkte beinahe kränklich, mit einem eisernen Gartentor und einer braunen, mit Spuckeflecken übersäten Haustür.

Aus seiner Tasche zog er den Schlüssel. Er funkelte nicht, sondern lag trüb und müde in seiner Hand. Eine Sekunde lang drückte er ihn und erwartete fast, dass er in seiner Hand schmelzen und sein Handgelenk hinabtropfen würde. Er tat es nicht. Das Metall war fest und flach, mit einer gesunden Zahnreihe, und er drückte sie so lange, bis sie ihn biss.

Langsam beugte sich da der Kämpfer vor, lehnte seine Wange gegen das Holz und holte den Schlüssel aus seiner Faust.

TEIL 4

DER ÜBERSTEHMANN

Es wirken mit:

der Akkordeonspieler - ein Versprechen, das gehalten wird - ein gutes Mädchen - ein jüdischer Faustkämpfer - Rosas Zorn - eine Mahnung - ein Schläfer - der Austausch von Albträumen - und einige Seiten aus dem Keller

DER AKKORDEONSPIELER

(Das geheime Leben des Hans Hubermann)

Ein junger Mann stand in der Küche. Der Schlüssel in seiner Hand fühlte sich an, als würde er in seine Haut hineinrosten. Er sagte nicht»Hallo«oder»Bitte helfen Sie mir«oder was man sonst noch hätte erwarten können. Er stellte zwei Fragen.

ERSTE FRAGE

»Hans Hubermann?«

ZWEITE FRAGE

»Spielen Sie immer noch Akkordeon?«

Unbehaglich betrachtete der junge Mann die menschliche Gestalt vor sich. Er schabte seine Stimme hervor und reichte sie durch die Dunkelheit, als ob das alles wäre, was von ihm übrig geblieben war.

Papa, wachsam und entgeistert, trat näher.

Zur Küche gewandt, flüsterte er:»Natürlich spiele ich noch.«



Поделиться:


Последнее изменение этой страницы: 2016-08-10; просмотров: 139; Нарушение авторского права страницы; Мы поможем в написании вашей работы!

infopedia.su Все материалы представленные на сайте исключительно с целью ознакомления читателями и не преследуют коммерческих целей или нарушение авторских прав. Обратная связь - 18.191.189.85 (0.013 с.)