Stilistika (Stifiguren) aus mikro- und makrostilistischer Sicht 


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Stilistika (Stifiguren) aus mikro- und makrostilistischer Sicht



Mit Schwerpunkten

 

1. Mittel der Bildkraft.

2. Lexisch-grammatische Stilfiguren.

3. Mittel zum Ausdruck von Humor und Satire.

 

Kontrollfragen zum Thema

1) Mittel der Bildhaftlichkeit.

2) Vergleiche.

3) Abarten der lexikalischen Metapher.

4) Metonymien.

5) Grammatische Metaphern.

6) Mittel der Umschreibung und ihre Abarten.

7) Epitheta.

8) Wiederholung und grammatischer Parallelismus.

9) Gegensatzfiguren.

10) Wortwitze.

11) Wortverbindungen mit Überraschungseffekt.

12) Stilbruch.


Termini

Akkumulation

Allegorie

Anadiplose

Anapher

Anhäufung

Antiklimax

Antithese

Aufzählung

Bildhaftigkeit

Bildkraft

Bildlichkeit

Chiasmus

Distanzstellung

Doppelbödigkeit

Epipher

Epitheta

Euphemismus

Falschkoppelung

Hyperbel

Kennzeichen

Klimax

Konnotation

Oxymoron

Parallelismus

Periphrase

Schlagsatz

Stilbruch

Tautulogie

Tropen

Übertreibung

Verringerung

Zeugma


Thema 5.
STILISTIKA (STILFIGUREN) AUS MIKRO- UND MAKROSTILISTISCHER SICHT  

 

Mittel der Bildkraft

A. M. Peschkowskij weist darauf hin, dass der poetische Gehalt der Dichtung nicht nur auf Tropen und Stilfiguren beruhe.

Es gibt zwei Abarten der Bildlichkeit (общая образность): Bildhaftigkeit und Bildlichkeit (Bildhaft = anschaulich/veranschaulichend, sinnfällig; bildlich = übertragen, figürlich, uneigentlich).

Die Bildhaftigkeit erwächst aus der lexikalischen Struktur von Einzelwörtern und Wendungen aufgrund direkter (eigentlicher) Bedeutung, oft unterstützt durch die Beschaffenheit der lautlichen Hülle. Dieses erste Abart der Bildkraft ist an isolierten Lexemen des Sprachsystems feststellbar (paradigmatischer Aspekt), in der Grammatik fehlt sie. Die Bildlichkeit hingegen entsteht aufgrund syntagmatisch bedingter Bedeutungsübertragung oder eines Begriffsaustausches, anders gesagt, sie ist uneigentliche Rede, die erst im Zusammenhang (Kontext und Situation) eindeutig determiniert werden kann. Man findet sie sowohl in der Lexik wie in der Grammatik, wenngleich in unterschiedlichen Erscheinungsformen.

 

Übersichtstabelle

 

Bildkraft (sprachliche Bilder)

 

I Bildhaftigkeit                                                        II Bildlichkeit

     
 


Wortwahl                                                               Tropen

aufgrund direkter                                                    aufgrund übertragener

(eigentlicher)Bedeutung                                 (uneigentlicher) Bedeutung

     
 


Vergleiche



Mittel der Bildhaftigkeit

 

Das Hauptmittel, das zu dieser ersten Erscheinungsform der Bildkraft führt, ist die treffende Wortwahl aus den der Aussageabsicht entsprechenden thematischen und synonymischen Reihen.

Bildhaft sind alle Wörter des Sprachsystems, die Gegenstände, Vorgänge der wahrgenommenen Realität bei der bloßer Nennung (außerhalb des Kontextes) so lebendig und so plastisch in unserem Bewusstsein reproduzieren, dass sie Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastempfindungen hervorrufen.

Als Bildhaft bezeichnen wir sie deshalb, weil sie durch die in ihrer lexischen Struktur eingeschlossenen semantischen und stilistischen Bedeutungselemente dem Allgemeinbegriff klare Details verleihen und dadurch immer schärfere Umrisse eines Vorstellungsbildes zeichnen. Gewiss, alle sinntragenden Einheiten des Wortbestandes widerspiegeln schon an sich winzige Ausschnitte der objektiven Welt, aber ihre Bildkraft hat verschiedenes Ausmaß. Das literarisch-umgangssprachliche Substantiv Bengel beispielsweise wirkt dank dem lexischen Ergänzungssem „ungezogen“, “rüpelhaft“ sowie der abwertenden expressiv-stilistischen Komponente bedeutend informativer und farbiger als der neutrale Allgemeinbegriff „junger Bursche“.

Besonders aufschlussreich ist die Betrachtung der bildhaften Verben. Je größer ihr Semenreichtum, desto anschaulicher und lebendiger wird ihre Bedeutungstiefe. Das Lexem gehen gibt eine visuelle und kinästhetische (motorische) Vorstellung von verhältnismäßig geringer Bildkraft: die Fortbewegung eines Menschen, ohne nähere Merkmalsbestimmung des Allgemeinbegriffs. Hingegen ermöglicht das Verb trippeln einen viel deutlicheren Einblick in die Eigenart dieser Wirklichkeitserscheinung. Denn in der lexikalischen Struktur ist das zusätzliche Sem „mit keinen Schritten gehen“ – ein Bild, das, unterstützt von Lautmalerei, eine Gangart vor Augen führt.

Das Verb nippen enthält neben dem denotativen Grungsem „trinken“ die lexischen Zusatzelemente „in kleinen Schlucken“, „mit Pausen“.

Offensichtlich beruht die Bildhaftigkeit der sinntragenden Wörter auf ihrer eigentlichen, nominativen Bedeutung – anders gesagt, sie ist ein inhärentes Merkmal der Lexeme im Sprachsystem.

Wenn ein Lexem sich gleichzeitig an mehrere Sinnesorgane wendet, wird seine Anschaulichkeit erhöht. Die optischen Eindrücke sind häufig mit kinästhetischen Reizen verbunden: Der Apfel hängt auf dem Zweig – er baumelt auf dem Zweig. Aus dem statischen wird ein dynamisches Bild.

 


Vergleiche

Wegen seiner Stellung zwischen den Mitteln der Bildhaftigkeit und Bildlichkeit bietet der Vergleich gewisse Klassifikationsschwierigkeiten. Versuchen wir dieses Stilistikum aus unterschiedlicher Sicht zu betrachten und zu systematisieren.

Dem Wesen und der pragmatischen Wirkung nach unterscheiden wir:

1. den Vergleich aufgrund direkter (eigentlicher) Bedeutung, mit rationaler, objektiv-präzisierender Aussageabsicht;

2. den Vergleich aufgrund metaphorischer, uneigentlicher Bedeutung, meist hyperbolisch zugespitzt, emotional und subjektiv bewertend.

Der rational präzisierende Vergleich kann zweifellos zu den Mitteln der Bildhaftigkeit eingereiht werden. So sagt die Mutter mit Stolz: Mein Sohn ist schon ebenso hoch wie sein Vater.

Rational präzisierende Vergleiche stecken oft in der eigentlichen Bedeutung adjektivischer und substantivischer Kleinkontexte (Komposita): honigsüß, messerscharf, mit Bienenfleiß (arbeiten).

Bemerkenswert, dass auch Termini und Fachausdrücke unterschiedlicher Bereiche objektiv- präzisierende Vergleiche im Bestimmungswort enthalten können. Ein Mantelgesetz ist ein Gesetz, das wie ein Mantel mehrere allgemeine Bestimmungen umfasst, die erst im Weiteren durch spezielle Verordnungen geregelt werden.

Die metaphorischen, hyperbolisch-emotionalen Vergleiche sind meist (aber nicht immer!) subjektiv bewertend. Ausschlaggebend zu ihrer Einreihung in diesen Unterpunkt ist die uneigentliche Bedeutung, in der Bildlichkeit mit Bildhaftigkeit vereint sein kann, vereint sein soll, um pragmatische Wirkung auf den Empfänger auszuüben. Du hast ja Nerven wie Stricke, sagt man bewundernd oder je nach der Situation auch gutmütig spottend zu jemand, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, also zu einem nervensrarken Menschen. Die Übertreibung führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grund- und dem Vergleichsbegriff.

Ein treffender bildlicher Vergleich trägt zur Sprachökonomie bei.

Eine weitere Klassifizierung ist die Klassifizierung der Vergleiche nach ihrer Häufigkeit und Verbreitung.

Aus dieser Sicht unterscheiden wir individuelle (okkasionelle), gemeinsprachliche (allmählich verblassende) und verblasste Vergleiche. In der schönen Literatur, in der Publizistik und im Alltagsverkehr stoßen wir häufig auf Einmalbildungen: Gerüchte waren wie ein Schwarm Krähen aufgeflogen (Remarque, Schatten im Paradies). Dieser Vergleich ist von starker Bildkraft. Ein so geglücktes Bild hätte alle Chancen, in den Sprachusus einzugehen, etwa als Ersatz für die völlig verblassten Wendungen: ein Gerücht geht, verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt.

Noch eine weitere Klassifikationsmöglichkeit, wieder aus anderer Sicht, betrifft die strukturelle Beschaffenheit: knappe, erweiterte und ausgebaute (geschlossene) Vergleiche.

Die knappen Vergleiche werden durch wie, als, als ob eingeleitet. In den ersten beiden Fällen folgen Vergleiche mit positiver Feststellung: er ist so alt wie du; er ist jünger als du, während mit als ob dem Sinn nach negative bzw. irreale Bilder entstehen: Du tust so, als ob du ein kleines Kind wärest.

Bei Fehlen des Einleitungswortes sprechen wir von der Engführung des Vergleichs: Sie betrat das Zimmer, eine Rose, eben erblüht. Damit beginnt allerdings schon der Übergang vom Vergleich zur Metapher.

Als knappste Form des Vergleichs darf man wohl ein Kompositum ansehen, in dem der Vergleich im Bestimmungswort eingeschlossen ist.

Die erweiterten Vergleiche enthalten eine beliebige nähere Bestimmung des Begriffs, mit dem verglichen wird: Er schwankte beim Gehen, wie ein Betrunkener.

Die geschlossenen Vergleiche werden in der Stiltheorie als Gleichnisse bezeichnet. Es gеht um die breit angelegten Bilder, bei denen entweder der Vergleichsbereich oder der Grundbereich angeschwellt ist.

Fassen wir das Wesentliche am kommunikativen bzw. stilistischen Ausdruckswert des Vergleichs zusammen: Er dient der Perspektiveverdoppelung, insofern er von der Ausgangsebene aus eine zweite Ebene mit neuer Sicht eröffnet. Die neue Sicht kann vom Rational-Präzisierenden über das Hyperbolisch-Emotionale bis zum Irrationalen führen. Dieses Stilistikum ist – in eigentlicher und in uneigentlicher Bedeutung – mehr oder weniger in allen Bereichen des gesellschaftlichen Verkehrs verbreitet.

 

Mittel der Bildlichkeit

Funktionale Verschiebungen als Vorstufe der Metapher. Unter funktionaler Verschiebung verstehen wir die Überführung einer unsuellen Wortbedeutung aus dem üblichen funktionalen Bereich in einen anderen, ungewohnten. Dies kann ein sprachlicher Lapsus oder ein gezieltes Stilmittel (oft Scherz, Spott) sein. Uns interessiert natürlich das letztere.

Nehmen wir den Fall an, jemand habe sich durch einen Sturz bei Glatteis das Schultergelenk ausgekegelt und kam in ärztliche Behandlung. „Mein Arm ist wunderbar repariert worden “ stellt der dankbare Patient fest. Das denotative Sem des Verbs reparieren ist: „wiederherstellen, in Ordnung bringen“. Repariert werden kann ein Gegenstand. Im neuen, scherzhaft formulierten Sinnzusammenhang ist die eigentliche paradigmatische Wortbedeutung erhalten geblieben; geändert hat sich, zusammen mit der neuen funktionalen Verwendung, die Fügungspotenz (Valenz). Hier können wir noch nicht von Bedeutungsübertragung sprechen, wir befinden uns auf der Vorstufe der Metapher.

 


Lexikalische Metaphern

Lexikalische Metaphern (d. h. Bedeutungsübertragung im aktiven Wortschatz) sind nicht zu verwechseln mit lexikalisierten Metaphern(d. h. erstarrten, verblassten).

Hauptmittel der bildlichen Ausdrucksweise ist die Metapher, eine Erscheinung, die nicht als Einzelwort, sondern als kleines „Stück Text“ zu verstehen ist. Man kann 2 Arten der Metaphern unterscheiden:

solche, bei denen das Sem der bildlichen Übertragung sich innerhalb einer lexischen Struktur befindet, und

solche, bei denen aufgrund emotionaler oder/und rationaler Vergleichsmöglichkeit ein gemeinsames Merkmal verschiedener lexischer Strukturen semantisch modifiziert wird. 

Zur Erscheinung des ersten metaphorischen Typs: In diesen Kähnen laufe ich mir Blasen über Blasen (Remanque, Im Westen nichts Neues). Kähne ist als Pluraletantum in den Soldatenjargon eingegangen – eine saloppe Bezeichnung für ausgetretene Schuhe. Auch Fremdsprachler, die diese Sonderbedeutung innerhalb der lexischen Struktur von Kahn (Boot) nicht kennen, erraten den Sinn dieser Metapher leicht, weil man sich ja nur durch schlechte Fuß bekleidung Blasen laufen kann.

Bei komplizierteren Bildern muss ein größerer Kontext herangezogen werden: Feuer lodert aus seinem Mund. Hier gibt der Aussagesatz allein noch keine ausreichende Information. Geht es um einen Zauberkünstler (Feuerspeier)? Oder um einen Vortragenden, dessen leidenschaftliche Worte das Publikum in Begeisterung versetzen? Zum vollen Verständnis fehlt noch die zusätzliche Mitteilung: Die zündende Rede verfehlt nicht ihre Wirkung.

Wenn wir ein einziges Lexem hören oder lesen, denken wir gewöhnlich an seine denotetive Bedeutung und stellen uns vor, wie und in welchem Zusammenhang dieses Wort determiniert werden kann. In der Lehre von der Metaphorik nennt man diese Einstellung Determinationserwartung.

Das Substantiv Radfahrer beispielsweise führt uns dank seiner gegenständlichen Bedeutung ein sinnliches Abbild der realen Wirklichkeit vor Augen. Wir erwarten eine Aussage, die uns etwa mitteilt, dass jemand täglich auf dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Diese Determinationserwartung wird aber getäuscht, wenn wir den folgenden Kontext betrachten: N. war an seiner Arbeitsstelle als Streber bekannt; niemand konnte diesen Radfahrer leiden. Dieser Sinnzusammenhang bringt eine unleugbare Konterdetermination, etwas völlig Unvorhergesehenes – eine getäuschte Erwartung.

Der metaphorische Text ist durch eine gewisse Doppelbödigkei t gekennzeichnet, insofern gleichzeitig zwei Assoziationslinien zusammenwirken, die zu verschiedenen Denotaten führen, aber doch durch ein gemeinsames Merkmal zueinander in Verbindung stehen. Zum richtigenVerständnis dieser Stilfigur müssen wir oft den Großkontext ins Auge fassen. In Bechers „Kinderschuhe aus Lublin“,

dieser Ballade in Form eines poetischen Mahnmals, begegnen wir der leitmotivischen Metapher Sonne in Lublin – einer gezielten Doppelsinnigkeit: Sonne – Krematoriumsofen. Das gemeinsame Merkmal besteht in der Hitze als lebensspendendes und lebensvernichtendes Element. Es ist ein gemeinsames und kontrastierendes tertium comparationis zugleich. Das Schildern zwischen den beiden Determinationsmöglichkeiten lässt den Leser/Hörer bald an die eigentliche, bald an die uneigentliche Bedeutung des Substantivs Sonne denken. So z. B.:

„Es wird euch nicht an Wärme fehlen,

Dafür sorgt unsere „Sonnenglut“...

(verspricht die Tante im Lager) und bald darauf:

Und dort, wo heiß die Sonne brannte,

Zählt sie uns nochmals vor dem Haus.

Wenn die ersten zwei Zeilen noch zwischen direkter und übertragener Bedeutung schwanken lassen, so weisen die nächsten zwei schon eher auf die unfassbare Barbarei des Vorgangs vor der Baracke hin.

Wie beim Vergleich, unterscheiden wir auch hier nach Häufigkeit und Verbreitung individuelle, gemeinsprachliche und verblasste sowie nach ihrer Struktur knappe, erweiterte und ausgebaute (geschlossene) Metaphern.

Besonders interessant ist die individuelle Metapher. Seit Cicero sieht man die Aufgabe einer „treffender Metapher“ in der Verbindung von fern- und nahliegenden Wirklichkeitserscheinungen. Je größer die Distanz, desto wirksamer sei die Übertragung der Wortbedeutung. Eine solche Ansicht vertreten mit besonderem Nachdruck die Dichter und Theoretiker des Expressionismus. Noch weiter, oft bis zum Absurden, geht diese Einstellung bei den Surrealisten. Derartige Bilder können gedankliche, gefühls- und willensmäßig motivierte Konnotationen hervorrufen und Phantasie des Empfängers anregen. Sie klären ihn aber – selbst mit Hilfe des abgeschlossenen Textes – nicht völlig über die Mitteilungsabsicht des Senders auf.

Wie H. Weinrich ausführt, soll nicht große Spannweite (d. h. Abstand zwischen den zu vergleichenden Denotaten), sondern im Gegenteil, geringe Spannweite die Information leichter aufnehmen lassen und von besonderer Wirkung sein. Weinrich gibt folgende Definition der kühnen Metapher: „... ein Sprachbild mit Überraschungseffekt, mit getäuschter Erwartung“.

Ob Fern- oder Nahmetapher, im Vorliegenden wird die Ansicht vertreten, dass die Originalität der individuellen Bilder nicht zur Verdunklung der Aussage führen darf, geschweige denn zur Störung der Verständigung zwischen den Kommunikationspartnern.

Bei jeder Metapher wird mehr oder weniger die semantische Kongruenz gestört, es kann eine semantische Unverträglichkeit (d. h. Unvereinbarkeit, Kontrast) der sinntragenden Wörter schon im Mikrokontext entstehen. So etwa in folgendem Textbeispiel aus dem Roman „Nackt unter Wölfen“ von B. Apitz: Angst flatterte in seinem Gesicht. Rein logisch genommen, könnte man fragen: Kann denn Angst flattern? Verträgt sich der Begriffsgehalt dieser beiden Wörter? Bildlich, ja.

Das unerwartete metaphorische Prädikat erweckt die Vorstellung, als ob die Angst gleich einem Vöglein mit unsteter Flugbewegung einen ruhigen Platz auf dem Gesicht des Menschen suche. Die Determination ist hier trotz der unerwarteten Valenz verständlich und sogar anschaulich.

Die Metapher kommt in allen funktionalen Stilen in stärkerer oder geringerer Frequenz vor – gewiss mit manchen Unterschiedlichkeiten in ihrem Wesen, der strukturellen Beschaffenheit und vor allem in ihrer pragmatischen Funktion. Wenn sie in der schönen Literatur ästhetische Wirkung, in der Publizistik hauptsächlich Appell, in der Alltagsrede Eindringlichkeit, Humor und Spott hervorruft, so dient sie in der Wissenschaft teils zur Benennung neuer Denotate, neuer Abstraktionen, aber darüber hinaus auch zur Veranschaulichung und Verlebendigung der Darstellung, zum leichteren Verständnis der Aussage.

Wieder stoßen wir, wie beim Vergleich, auf Metaphern im Mikrokontext zusammengesetzten Termini und Berufsausdrücke, so etwa: Die Tunnels wurden nach der Maulwurfmethode gebohrt. Mit Rübenguillotine ist eine Schneidemaschine bei der Rübenernte gemeint (in diesem Fall hätte eine glücklich erdachte individuelle Metapher alle Chancen, in den Sprachusus einzugehen).

Reich an Bildern in uneigentlicher Rede ist die Volkssprache in der Folklore wie im gewöhnlichen Alltagsleben. Sehen wir uns z. B. an, wie die Königstochter im Märchen vom „König Drosselbart“ an jedem Freier etwas auszusetzen hat: Der eine war ihr zu dick. „Das Weinfass!“ sprach sie... Der fünfte zu rot. „Der Zinshahn!“, der sechste war nicht gerad genug. „Grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet!“.

Abstrakte Begriffe werden gern durch konkrete Fakten aus dem täglichen Leben ersetzt. Wenn ein erwachsenes Mädchen von seiner Mutter tüchtig zusammengebügelt wird, entsteht sofort ein lebensnahes Bild vor unseren Augen: das Bügeleisen glättet einen zerknitterten Stoff – die Mutter bemüht sich, das Unebene im Charakter und in den Handlungen ihrer Tochter auszuglättern, d. h. auszugleichen.

Versuchen wir zusammenzufassen:

1. Unter Metapher verstehen wir die Namensübertragung von einem Denotat auf ein anderes aufgrund eines gemeinsamen Merkmals.

2. Die Metaphorisierung führt als Ergebnis entweder zur Benennung bisher noch unbenannten Denotate oder zur begrifflichen Präzisierung sowie zur emotionalen Veranschaulichung bereits bestehender Bezeichnungen für konkrete und abstrakte Gegebenheiten.

3. Der „semantische Mehrwert“ der Metapher erwächst aus dem Verhältnis des Wortes mit direkter Bedeutung zum Kontext; er beruht auf dem Zusammenschwingen von Grund- und Übertragungsbegriff, auf einer gewissen Zweischichtigkeit des Kommunikationsprozesses (Doppelbödigkeit, Unterschwelligkeit).

4. Bei jeder Metapher macht sich mehr oder weniger stark die semantische Unverträglichkeit der lexischen Elemente (in direkter Bedeutung) sowie deren ungewöhnliche Valenz bemerkbar. Anstelle der erwarteten Determination (Vorhersehbarkeit der Aussage) kann Konterdetermination erfolgen, eine getäuschte Erwartung, ein Überraschungseffekt, ein V-Effekt (Verfremdungseffekt).

5. Hier wird die Meinung vertreten, dass bei der kühnen Metapher das tertium comparationes keinesfalls so weit in den Hintergrund treten darf, dass die Bildlichkeit – zusammen mit der Bildhaftigkeit – fast oder völlig verbleicht. Als kühne Metaphern bezeichnen wir originelle Bilder, die letztlich im Gesamtzusammenhang die Mitteilungsabsicht des Senders aufdecken sollen. Selbst bei der kühnsten Metapher darf es zu keiner Informationsstörung kommen. Das schließt aber nicht aus, dass immer noch genügend Raum für gedankliche gefühls- und willensmäßige Konnotationen bleibt.

 

Abarten der Metaphern

Die Personifizierung (Personifikation, Verlebendigung) ist die Übertragung menschlichen Eigenschaften, Merkmale und Handlungen auf tierische oder pflanzliche Organismen sowie auf Nichtlebewesen. Pragmatischer Effekt dieses Stilistikums ist vornehmlich Bildkraft und Poetizität, aber auch Humor und Satire. Z. B.: der lachende und blühende Gebirgsbach.

Die Allegorie könnte als besondere Form der Personifikation angesehen werden. Hier handelt es sich um körperhafte Verbildlichung von Ideen und abstrakten Begriffen, von Naturgeschehen und Naturgewalten (meist Verlebendigung in Menschengestalt).

Wie bei allen metaphorischen Abarten, gibt es auch hier gemeinsprachliche und individuelle, einfache, erweiterte und ausgebaute Allegorien. Im Unterschied zur bloßen Personifizierung neigt dieses Stilistikum zu lehrhaften Tendenzen. Es bildet oft den gedanklichen Kern geschlossener Aussagen (Textsorten), die den Leser zum Nachdenken über wichtige Fragen des Lebens anregen.

Manche gemeinsprachliche Allegorien sind tief in der deutschen Sprache verankert. Die Sorge wird als graue weibliche Schattengestalt dargestellt, die in Zimmerecken haust und sich am Bett des Schlafenden niederlässt (Frau Sorge). Dieses traditionelle Bild wird von Heine durch groteske Züge erweitert – Frau Sorge schnupft Tabak, die Dose knarrt so grässlich u. a.

Im Volksbrauch wird der Winter als alter Mann, die Sonne als Frau allegorisiert (z. B. die Marie, die Liesel scheint).

Die größte Schwierigkeit bietet eine exakte Abgrenzung zwischen Allegorie und Symbol (Sinnbild). Als objektives Kriterium für die Unterscheidung dieser zwei tatsächlich eng miteinander verbundenen Stilfiguren gilt ihr Entstehungsweg. Ausgangspunkt der Allegorisierung ist ein abstrakter Begriff oder eine verallgemeinerte Vorstellung. Im Gegensatz zur Allegorie bildet den Ausgangspunkt zur Entstehung des Symbols eine konkrete Wirklichkeitserscheinung, meist ein Gegenstand, eine Pflanze, ein Tier, seltener ein Mensch; es können aber auch reale Vorgänge aus dem Leben der Gesellschaft als Basis des Symbols benutzt werden.

Gemeinsprachlich, daher allgemeinverständlich und allgemeingebräuchlich, sind beispielsweise Symbole, die durch Nennung konkreter Pflanzen impliziert werden: die Lilie ist das Sinnbild für Sanftmut und Unschuld, das Veilchen für Bescheidenheit, die Rose für Schönheit.

Im Roman „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers steckt hinter der wörtlichen Bedeutung der realen Wirklichkeitserscheinung (das siebte Kreuz) ein klares, wenngleich konnotationsreiches Symbol: Sieg des antifaschistischen Widerstands trotz unmenschlich schwieriger Bedingungen.

Es lässt sich aber nicht übersehen, dass in zahlreichen Fällen Allegorie und Symbol ineinander fließen. Taube und Habicht stellen eine weitverbreitete, unmissverständliche Antithese aus dem Tierleben dar – einerseits sind es Allegorien als Verlebendigung charakteristischer Erscheinungen, anderseits relevante Symbole, auf das Leben in der Gesellschaft bezogen: Friede, Friedsamkeit gegenüber Gewalt.

Noch eine Abart der Metapher ist die Synästhesie (griech. Zusammenempfindung). Darunter verstehen wir die Verschmelzung verschiedener Sinnesempfindungen, wobei eine von ihnen übertragene Bedeutung annimmt, z. B. seidene Stimme. Hier wird die Vorstellung durch Tast- und Gehörsempfindung gebildet (Vergleichsbasis: Weichheit).

Die Synästhesie gehörte zu den Lieblingsmitteln der Romantik.

Wenn die Verbindung zwischen den einzelnen Sinnesorganen auf subjektiv-emotionaler Grundlage beruht, wie etwa in der poetischen Fügung duftende Stimme (Heine), dann bleibt die Synästhesie Einmalbildung.

Zahlreiche Synästhesien sind in den Sprachusus eingegangen: helle und dunkle Töne; grelle, schreiende, kreischende, harte, weiche, satte, stumpfe, kalte, warme Farben.

Wie ersichtlich, wird die Synästhesie meist durch Attribut (metaphorisches Epitheton) und Subjekt/Objekt ausgeformt; nur in seltenen Fällen besteht die Verschmelzung der Sinneseindrücke zwischen Subjekt und Prädikat (seine Stimme leuchtete auf).  

Metonymien. Hauptkriterium dieses Stilistikums ist nicht, wie bei der Metapher, die semantische Gleichsetzung zweier Begriffe aufgrund einer Merkmals- und Namensübertragung, sondern ein Austausch zweier Begriffe aus unterschiedlichen Sinnbereichen aufgrund räumlicher, zeitlicher, stofflicher und logischer Beziehungen. Bei dieser Form uneigentlicher Rede tritt die Bildkraft mehr oder weniger stark zurück. So sind z. B. die Metonymien auf der Basis von Raum und Zeitverhältnis kaum imstande der Aussage Anschaulichkeit zu verleihen: Die ganze Universität kam zur Jubiläumsfeier (anstatt: alle Professoren und Studenten...).

Mehr Bildkraft ist den Übertragungen aufgrund von Stoff- und Kausalitätsverhältnis eigen: Traube anstatt Wein, Stahl anstatt Dolch.


Ersatz von Ursache durch Folge: Deine Lider sind schwer von Mohn... (Trakl, Unterwegs). Hier vollzieht sich eine Vertauschung der Wörter Schlaf und Mohn (der o9piumhaltigen, unreifen Kapselfrucht der Mohnpflanze wird einschläfernde Wirkung zugesprochen).

Übertragung vom Mittel auf das Ergebnis: Zunge anstatt Sprache (nur poetisch: die Länder deutscher Zunge), Hand anstatt Handschrift, daher: eine leserliche Hand schreiben (gewählt).

Die Metonymie auf der Basis eines Quantitätsverhältnisses heißt Synekdoche (griech. „Mitverstehen“). Anstelle des Ganzen wird ein wichtiger oder auffallender Teil genannt, was meist Bildkraft bewirkt. Diese Übertragungen – sie heißen pars pro toto (Teil für das Ganze) – können gemeinsprachlich sein, im Alltagsstil stark verbreitet: Mein Fuß (anstatt ich) betritt nicht mehr diese Schwelle.

Eine besondere Gruppe der Stilfigur pars pro toto bilden die sog. Bahuvrihi. Es sind Possessivkomposita, die das Ganze (gewöhnlich ein Lebewesen) durch einen wesentlichen oder auffallenden Teil charakterisieren. Ihnen eignet in der Regel Bildkraft und emotionale bzw. logische Expressivität. Hierher gehören metonymische Zusammensetzungen mit adjektivischem Bestimmungswort, wie Rotkäppchen, Grünschnabel (junger „Allesbesserwisser“), Langohr (Esel oder Hase). Daneben auch Komposita, deren erste Komponente ein Substantiv ist, wie etwa Glatzkopf, Eierschädel u. ä.

Wenn die Stilfigur Teil für das Ganze etwas Unwesentliches, Lächerliches oder Herabsetzendes heraushebt, dient sie als Mittel von Spott und Satire: Die Aktentasche eilte durch die Stadt. Nur im erweiterten Kontext kann determiniert werden, ob hier die Aktentasche ironisch als wichtiges Kennzeichen eines Bürokraten fungiert oder bloß als Büchermappe eines Studenten oder Schülers genannt wird.

Als nächste Erscheinungsform der Synekdoche sei noch die Verwendung des Singular anstatt Plural angeführt. Z. B.: Auch im Moskauer Gebiet wird jetzt die Wassermelone gepflanzt – sowie die Nennung des Eigennamens für den Gattungsnamen: ein Paganini (für Violinvirtuosen).

Eine strenge Trennung der Tropen nach Klassen und Unterklassen ist in der Sprachwirklichkeit nicht immer durchführbar. Manchmal entstehen auch Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Vergleich, funktionaler Verschiebung einerseits und Tropen, Periphrasen andrerseits. In solchen Fällen müssen wir uns begnügen, von Bildern zu sprechen, ohne ihre sprachliche Ausformung künstlich zu etikettieren.

 


Grammatische Metaphern

 

Die lexikalischen und die grammatischen Metaphern weisen nebst grundlegenden gemeinsamen Zügen auch manche spezifische Unterschiedlichkeiten auf. Die grammatische Metapher entsteht aufgrund der Übertragung (Transposition) einer Wortform aus ihrem eigentlichen Funktionsbereich (der typischen Umgebung) in einen fremden Funktionsbereich zu stilistischen Zwecken.

Der eigentliche Funktionsbereich setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen: aus typischen grammatischen und semantischen Beziehungen der Form zu ihren Nachbarformen, der Gebundenheit an bestimmte Lexik und der Angemessenheit ihrer Verwendung in einer bestimmten Situation. Die Verletzung eines Faktors hat die Übertragung zufolge.

Bei der Transposition werden die Unterscheidungsmerkmale der Oppositionsglieder neutralisiert, so dass gerade gemeinsame Seme als tertium comparationis dienen, während die Unterscheidungsmerkmale den Effekt der übertragenen Bedeutung bewirken. Die Übertragung erfolgt nur im Kontext oder in einer unzweideutigen Sprechsituation, wo Nebenbedeutungen einer Wortform entstehen.

Wie bereits festgestellt, stützt sich jede Metapher außer dem gemeinsamen Merkmal auch auf einen Kontrast (Konterdetermination), der in der Grammatik noch stärker als in der Lexik zum Vorschein kommt. Je nach der Art des Kontrastes gibt es drei Entstehungswege einer grammatischen Metapher:

1) Kontrast zwischen der Hauptbedeutung der Form und dem Kontext.

2) Kontrast zwischen der grammatischen Bedeutung der Form und ihrer lexikalischen Ausfüllung, d. h. zwischen den grammatischen und lexikalischen Semen.

3) Kontrast zwischen der Wortform und der außersprachlichen Situation.

Der erste Entstehungsweg ist am gebräuchlichsten. Die übertragenen Formen verwandeln sich in kontextuale Synonyme derjenigen Formen, in deren Gebrauchsgebiet sie eingedrungen sind; es sind aber keine Konkurrenten, sie tragen vielmehr zur sinnfälligen Darstellung der Wirklichkeit bei. Wie bei den anderen Stulfiguren, steckt der innere Mechanismus ihrer Wirkung im Semenspiel. Das Präsens mit den Semen „Gegenwart“ und „Dauer der Handlung“ wird in das Gebrauchsgebiet des Präteritums transponiert: Die Präteritumskette einer Erzählung zerreist und vor unseren Augen entstehen einige Bilder, gleichsam wie auf der Bühne oder Leinwand. Gewöhnlich geschieht das an Kulminationsstellen, wenn der ruhige, lineare Erzählton im Präteritum nicht mehr wirksam ist: Der Nebel war nicht stark, und ich betrachtete die Umrisse der beiden Hügel... Ich schoss meine Pistolen ab, doch es gab kein Echo. Plötzlich aber höre ich bekannte Stimmen und fühle mich umarmt und geküsst. Es waren meine Landsleute. (Heine, Die Harzreise).


So verwandeln sich das Präteritum und präsens historikum in kontextuale Synonyme, die sich durch die Vermerke stilistisch unmarkiert/stilistisch markiert unterscheiden. Der Anschaulichkeit des präsens historicum liegen die Seme der Hauptbedeutung zugrunde. Das Sem „Dauer der Handlung“ bleibt erhalten, es ist beiden Bedeutungen gemeinsam, das Sem „Gegenwart“ dagegen macht dem Sem „Vergangenheit“ Platz, weil objektiv die Erzählung auf der Zeitlichen Ebene der Vergangenheit verweilt. Doch verschwindet das Sem „Gegenwart“ nicht aus dem Bewusstsein, es wird bloß gedämpft, nicht völlig ausgelöscht. Diese doppelte Wirkung des Präsens, das Doppelspiel seiner Seme, die Doppelassoziationen, die damit verbunden sind, bilden die nötige Voraussetzung für eine grammatische Metapher, dem semantischen Mehrwert der lexikalischen Metapher entsprechend.

Präsens futuralis tritt in dieselbe Beziehung zum Futur, falls es als Stilmittel zur Vergegenwärtigung, Veranschaulichung eines zukünftigen Ereignisses dient. Irgendein Umschalter deutet auf die Zukunftssphäre hin (die Wörter bald, in einiger Zeit, oder das Futur, der Konditionalis): Er versucht sich vorzustellen, wie sein Leben sein wird und kann es nicht. Da gehe ich in die Straße lang und ist eine Kneipe, und ich gehe rein und sage: Ober, ein Glas Bier. (H. Fallada, Wer einmal aus dem Blechnapf frißt).

In der erlebten Rede erfüllt das Präteritum diese stilistische Funktion der lebhaften Vergegenwärtigung. Auch hier bedarf man eines Signals der veränderten Sehweise. Im folgenden Beispiel dient der einleitende Konditionalis als Umschalter aus einer Bedeutung des Präteritums in die andere (präteritum futuralis). (Die Gedanken einer Romanfigur): Hochzeit würden sie dann im November feiern mit Pfeifen und Flöten; draußen in der Griesheimer Siedlung putzen sie ihre zwei Zimmerchen aus. Wenn er dann morgens zur Arbeit ging, wusste er über den ganzen Tag weg, dass die Elli abends daheim war. Ärger? Abzüge? Sie bekamen einen Sohn, sie freuten sich. Jetzt hieß es freilich etwas zurücklegen. (A. Seghers, Das siebte Kreuz).

Im nächsten Fall sehen wir, wie lebhafte Phantasie und der Wunsch, sich die Zukunft als vollbrachte Wirklichkeit darzustellen, den Sprecher veranlasst, das Perfekt anstatt des Futurs zu gebrauchen. Das Sem des Perfekts „Vergangenheit“ wird gelöscht, dafür zücken in den Vordergrund die Seme „Abschluss der Handlung“ und „Gegenwartsbezogenheit“: Würzburg steht im Flammen... brennt nieder und ist dem Erdboden gleichgemacht. Alle Einwohner sind umgekommen. Alle. Auf uns, die einzigen Überlebenden, fällt natürlich der Verdacht. (L. Frank, Die Räuberbande).

In der erlebten Rede kann das Pluquamperfekt das 2. Futur verdrängen; beide verwandeln sich in kontextuale Synonyme aufgrund der gemeinsamen Seme „Vorzeitigkeit“, „Abschluss der Handlung“. Einen metaphorischen Eindruck bewirkt das Sem des Plusquamperfekts „Vergangenheit“, das in das Sem „Zukunft“ hinüberspielt. (Gedanken einer jungen Frau): Später, wenn sie alles überstanden hatte, wollte sie ihm alles gestehen, und dies würde ein herrlicher Augenblick werden (Harkenthal, Liebe ist mehr). Zwei Umschalter frankieren das Plusquamperfekt und

dämpfen sein Sem „Vergangenheit“: einerseits das Adverb später, anderseits der Konditionalis. Aber gerade dieses gedämpfte Sem schafft die doppelten, d. h. die metaphorischen Assoziationen mit der Vergangenheit und der Zukunft.

Der zweite Entstehungsweg der Metapher ist die Überwindung der Unvereinbarkeit der grammatischen und lexischen Seme. In der Regel stimmen sie überein. Selbstverständlich konjugiert man z.B. das Verb essen im Aktiv: ich esse, du isst, er isst. Hingegen stutzt man sofort, wenn man die Passivformen trifft: ich werde gegessen, du wirst gegessen; dann denkt man an ein Märchen oder an eine scherzhafte Wendung.

Gewiss kommt die Pluralform nur den Bezeichnungen der zählbaren Begriffe zu, die Steigerungsstufen sind nur den Adjektiven eigen, die ein der Intensität nach veränderliches Merkmal nennen, nicht alle Verben sind passivfähig u. ä., kurzum, die Lexik unterstützt die Grammatik oder sie widersetzt sich der Grammatik. Gerade diesen Widerspruch macht sich die Stilistik zugrunde. Die Dichter nutzen solche Widersprüche als bewusstes Stilmittel aus. Man trifft, z. B., die Pluralform von Abstrakta, die pluralunfähig sind: Sie hocken und alle Verlassenheiten hängen an ihnen herunter wie lahmes loses zerzaustes Gefieder. Herzverlassenheiten, Mädchenverlassenheiten, Sternverlassenheiten (Borchrt, Die Krähen fliegen abends nach Hause). Dank der Pluralform erhält der Begriff „Verlassenheit“ das Sem „Mehrzahl“. Ungewöhnliche Komposita im Text verdeutlichen diese ungewöhnlichen Übertragungen der Abstrakta in den Bereich der Pluralformen.

Verletzt wird von den Dichtern die Regel über die Passivunfähigkeit der intransitiven Verben und der Modalverben, wenn sie aus dem Aktiv ins Passiv übertragen werden. Und ich wurde getanzt! ruft in einer Erzählung von Strittmatter ein junger Mann, der am Tanzabend von vielen Mädchen umworben wurde.

Adjektive wie nackt, blind, eisern u. ä. kennen keine Steigerungsstufen; die gelegentlichen Komparative dienen als Stilmittel zum Ausdruck einer subjektiven Sehweise, der sog. Innensicht:... denn für sie ist er durch sein Geständnis nicht blinder und nicht weniger blind als sie ihn kennt (Frisch, Mein Name ist Gantenbein). Tatsächlich ist der Komparativ blinder vom Standpunkt der empirischen Wirklichkeit aus sinnlos. Doch weist er auf etwas anderes hin, was aus dem Sinnzusammenhang erhellt.

Beachtenswert ist, dass bei Konfliktsituation zwischen Grammatik und Lexik die Grammatik über die Lexik siegt. Es entsteht eine metaphorische als-ob-Vorstellung, als ob ein Abstraktum ein zählbarer Begriff sei, als ob ein subjektives Verb eine Handlungsrichtung bezeichne, als ob eine unveränderliche Eigenschaft abgestuft werde usw.

Der dritte Entstehungsweg der Metapher liegt in dem Widerspruch zwischen der Bedeutung der gewählten Sprachform und der realen außersprachlichen Situation. Daraus erwächst der Stileffekt der Personifizierung und Entpersonifizierung. Eine vorrangige Rolle spielt dabei das grammatische Geschlecht. Die Assoziation der Feminina und Maskulina mit weiblichen und männlichen Lebewesen nutzt man für die Personifizierung der leblosen Begriffe aus: Es war, als hätte der Himmel die Erde still geküsst (Eichendorff).

In Hamburg ist die Nacht

Nicht wie in anderen Städten –

Die sanfte blaue Frau

In Hamburg ist grau.

(Borchert)

Die Personifizierung wird durch die gebundene oder freie Apposition modifiziert. Die gebundene (unselbständige) Apposition: Mutter Wissenschaft (Weinert). Die freie selbständige Apposition:

Und der Mond, der stille Lauscher,

wirft sein goldnes Licht herein.

(Heine)

Die Entpersonifizierung erfolgt mit Hilfe des sächlichen Geschlechts, da es vor allem mit dem Begriff der Geschlechtslosigkeit verknüpft ist. Die Entpersonifizierung wird oft von Geringschätzung, Verachtung begleitet.

Außer dem grammatischen Geschlecht dient demselben stilistischen Zweck die persönliche oder unpersönliche Darstellungsweise. Kleidet man rein menschliche Handlungen in die sprachliche Form eines unpersönlichen Satzes, so erzielt man den Effekt der Entpersonifizierung. Borchert gibt das Gespräch zwischen dem Polizeibeamten und dem Fabrikwächter wieder: Und vom Schreibtisch her wehte es wieder samtweich und verschlafen auf ihn zu... (Preußens Gloria). Die sprachliche Gestaltung erweckt die metaphorische Vorstellung eines Windhauchs. Für den Wächter, einen durch den faschistischen Drill ganz stumpfsinnig gemachten „Militärroboter“, war der Polizeibeamte in all seiner Macht fast eine unmenschliche Größe, der er ebenso bedingungslos ausgeliefert war wie den Naturelementen.

Aus dem Widerspruch zwischen der Wortform und der realen Situation erwachsen auch andere Stileffekte: Wie haben wir geschlafen? fragt die Mutter ihr Kind. Jetzt bekommen wir eine Wunderspritze, sagt der Arzt dem Kranken. Von den Semen der 1. Person Plural „der Sprechende“, „Mehrzahl“, „Person“, „Einbeziehung anderer Personen“ entsprechen den realen Umständen der genannten Beispiele weder Mehrzahl“, noch „Einbeziehung anderer Personen“. Doch gerade dieser Seme wegen wählt die Mutter und der Arzt die 1.P. Plural statt der 2.P. Singular. Die auf denotativer Ebene fehlenden Seme schaffen die Unterlage für die Konnotation: Anteilnahme und Fürsorge.

Die Grenzen der grammatischen Metapher sind viel enger, als die Grenzen der lexikalischen Metapher, was durch geschlossenen Charakter des grammatischen Systems und die begrenzte Zahl der Oppositionsglieder zu erklären ist. Kühne Metapher gibt es in der Grammatik nicht, die Überraschungseffekte sind viel schwächer, die metaphorischen Vorstellungen viel blasser. Dennoch bietet auch die Grammatik reichen Stoff für die Bedeutungsübertragung.

 



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