Absolute stilistische Bedeutung einer sprachlichen Einheit 


Мы поможем в написании ваших работ!



ЗНАЕТЕ ЛИ ВЫ?

Absolute stilistische Bedeutung einer sprachlichen Einheit



 

Die absolute stilistische Bedeutung (synonym: Stilfärbung, Markierung; Kolorierung, stilistische Charakteristik) ist eine dem Sprachsystem innewohnende linguistische Erscheinung, die die qualitative und quantitative Verwendung der sprachlichen Einheit im Kontext vorausbedingt. Sie fügt eine zusätzliche, unentbehrliche Information zur lexischen und grammatischen Bedeutung hinzu.

 

Schema (Modell)

(für alle sinntragenden Spracheinheiten mehr oder weniger gültig)

A) funktionale Komponente B) normative Komponente C) expressive Komponente

d e r S t i l f ä r b u n g

 

Die Reihenfolge der Aufzählung im Schema ist nicht zufällig. Es ist selbstverständlich, dass wir in der Funktionalstilistik gerade von der funktionalen Komponente ausgehen.

A) Die funktionale Komponente der Stilfärbung gibt die kommunikative Sphäre an, in der eine bestimmte sprachliche Gegebenheit sozusagen „beheimatet“ ist.

Die funktionale Stilfärbung bricht in einzelnen Sprachelementen durch: in bestimmten Wörtern und Wendungen, Konstruktionen und Intonationsvarianten. In jedem Stil finden sich – nebst neutralen Erscheinungen, die allen Verwendungsweisen der Sprache gemeinsam sind – bestimmte funktionalstilistisch kolorierte Bestandteile. So gеhört z.B. die Präposition zwecks (mit Genitiv) zur typischen Lexik des Amtsdeutsch und anderer Gattungsstile der Sachprosa (Gerichts‑, Handelsstil, diplomatischer Stil u.a.). Die Konstruktion zu + Partizip I, ebenso wie das erweiterte Attribut im nominalen Rahmen tragen den Stempel der Sachprosa.


B) Die normative Komponente der Stilfärbung bedarf einer ausführlichen Erläuterung. Sie lässt sich als eine Skala von Ausdrucksschattierungen veranschaulichen, deren Nullpunkt die normalsprachliche (einfach-literarische) Basis bildet, die Grungnorm für sämtliche funktionale Stile der schriftlichen und mündlichen Rede.

 

normative Stilfärbungen (Stilschichten)

Schema

Beispiele

1 2 3
Geschwollen (geschraubt, gespreizt)     Herr Professor mögen gütigst gestatten...
Gewählt (gehoben) Angesicht, sich vermählen, Antlitz, sich verehelichen   Herr Professor gestatten gütigst...
Normalsprachlich (einfach-literarisch) Gesicht heiraten, sich verheiraten Niemand (war gekommen) Herr Professor, erlauben Sie (gütigst)...
Literarisch-umgangssprachlich jemand kriegen Kein Mensch, keine Seele             (war gekommen)  
Salopp-umgangssprachlich Fratze sich kriegen Kein Hund             (war gekommen)  
Grob-umgangssprachlich (vulgär) Fresse Kein Aas (war gekommen)  

 


        Grundform

 

         zulässige Norm

 

außerhalb der Norm

 

Als Grundnorm bezeichnen wir die Stilfärbung, die in allen Stilen als Nullfärbung, als neutrale Basis empfunden wird.

Wie leicht ersichtlich, bilden die einzelnen Punkte der normativen Stilfärbungsskala – seien sie durch Wörter, Wortgruppen oder lexisch-grammatische Fügungen ausgedrückt – zwei- oder mehrgliedrige synonymische Reihen. Die Glieder dieser Reihen enthalten mehr oder weniger gemeinsame lexisch-semantische erkmale, unterscheiden sich aber durch ihre stilistische Charakteristik, d.h. durch ihre Lage auf der stilistischen Höhenskala.

Einige Erläuterungen zur ersten Beispielreihe der Tabelle. Die Verben heiraten, sich verheiraten gehören dem Grundwortschatz der deutschen Sprache an, sie sind allgemeinverständlich und allgemeingebräuchlich. Hingegen ist sich vermählen ein Synonym gehobener Stilfärbung. Auch sich verehelichen hat absolut gewählte Stilfärbung, dominierend ist aber hier die funktionalstilistische Markierung – der offizielle Amtston. Beide Verben (sich verehelichen, sich vermählen) würden in der Alltagsrede fast gespreizt wirken. Ein weiteres Synonym dieser Reihe – sich kriegen in der Bedeutung „heiraten“ – liegt auf der stilistischen Höhenskala zwischen lit.-umg. und salopp.

Auf der Skalenpunkt der gehobenen Stilfärbung ist die Klasse poetische Lexik von besonderem Interesse. Als absolute Poetismen bezeichnen wir sprachliche Einheiten (Einzelwort, Wortgruppe, lexisch-syntaktische Fügung), deren poetischer Stilwert schon unter dem paradigmatischen Aspekt fühlbar ist, da ihnen hohe künstlerische Aussagekraft und starke ästhetisch-pragmatische Wirkung eigen ist – die sog. Poetizität.

Die lexische Basis der absoluten Poetismen ist mannigfach gestaltet:

Archaismen, z.B.: der Nachen – Boot, Kahn. Die absolute poetische Stilfärbung derartiger Wörter wird gewiß im Kontext, oder gerade durch den Kontext, noch verstärkt.

 Selten gebrauchte Wörter und Wendungen gehobener Stifärbung wie feuchten anstatt befeuchten: („Morgentau der Liebe feuchtete meine Wangen“, Heine).

Dichterische Einmalbildungen, die durch Ungewöhnlichkeit ihrer Semantik wie durch die Wortbildung und Klanggestalt bei ihrer bloßen Nennung die Zugehörigkeit zum poetischen Wortschatz verraten: wellenatmend (Goethe), Sehnsuchglut (Heine), lichtdurchatmet (J.R.Becher).

Ein- und mehrgliedrige Tropen, Periphrasen und Vergleiche: die Pflanzeein „Kind des hellen Sonnenglanzes“, „der Flammenwunsch im Herzen“ (Lenau)

C) Die expressive Komponente der Stilfärbung kann unter dem paradigmatischen Aspekt nur als Opposition expressiv/nicht expressiv verstanden werden – so ist z.B. richtig das schwache, merkmallose Glied der Opposition, goldrichtig das starke, merkmalreiche.

Zwischen den drei Komponenten der absoluten stilistischen Bedeutung besteht ein enges Wechselverhältnis: die Veränderung einer Komponente (vor allem der funktionalen) zieht in der Regel eine Modifizierung der anderen nach sich.

Sind die drei Komponenten des isolierten Wortes nicht markiert, so weist das Schema auf die Nullstufe, auf die allseitige stilistische Neutralität der sprachlichen Einheit hin. Demnach würde das Stilfärbungsmodell der Präposition mit folgenderweise aussehen: neutral-neutral-neutral. (n-n-n).

Ist ein Wort oder eine phraseologische Fügung polysem, muss jeder einzelnen lexischen Bedeutung ihre stilistische Charakteristik beigegeben werden. Betrachten wir dazu eine anschauliche Illustration – das Lexem Mattscheibe:

1. leicht matte, aber durchsichtige Scheibe im Fotoapparat (n-n-n);

2. Neubedeutung – Bildschirm des Fernsehapparats (n-n-n);

3. eine Mattscheibe haben, d.h. geistig nicht aufnahmefähig sein, begriffsstutzig (Stil des Alltagsrede – salopp-umg. – expressiv).

Am häufigsten begegnen wir zur Bezeichnung der Expressivität in der stilistischen Bedeutung der sprachlichen Einheit den sog. Bewertungskomponenten oder -semen. Unter Bewertung verstehen wir die positive oder negative Einstellung des Sprechers/Schreibers zum Gegenstand der Rede, wobei in positiven und negativen Bewertungsemen unzählbare Gefühlsschattierungen und Stimmungsnuancen zum Ausdruck kommen können – so etwa Achtung, Bewunderung; Liebe, Geringschätzung, Verachtung, Hass. Besondere Aufmerksamkeit kommt den Bewertungen Humor, Spott, Ironie, Satire in der expressiven Komponente der stilistischen Bedeutung zu. Allerdings bereitet ihre Einordnung in die Opposition positiv/negativ gewisse Schwierigkeiten, da sie unmittelbar vom konkreten Sinnzusammenhang beeinflusst wird. 

 



Поделиться:


Последнее изменение этой страницы: 2020-03-14; просмотров: 1110; Нарушение авторского права страницы; Мы поможем в написании вашей работы!

infopedia.su Все материалы представленные на сайте исключительно с целью ознакомления читателями и не преследуют коммерческих целей или нарушение авторских прав. Обратная связь - 18.234.232.228 (0.018 с.)