Mehrdeutigkeit der grammatischen Formen 


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Mehrdeutigkeit der grammatischen Formen



 

In der Regel besitzt jede grammatische Form mehrere Bedeutungen, wobei eine von ihnen als Hauptbedeutung (oder paradigmatische Bedeutung), die anderen als Nebenbedeutungen (oder syntagmatische Bedeutungen) aufzufassen sind. Die Hauptbedeutung erschließt man aus einem minimalen, neutralen Kontext, wo die Ersatzprobe durch andere Oppositionsglieder deutlich die Unterschiedsmerkmale hervortreten lässt. Vgl.: der Platz ist besetzt – der Platz war besetzt. Ohne jegliche Kontext- und Situationshilfe verstehen wir, dass es sich im ersten Fall um die Gegenwart, im zweiten – um die Vergangenheit handelt. Nicht so einfach und leicht ergibt sich der grammatische Sinn derselben Zeitformen aus der syntagmatischen Sicht. Das Präsens kann in einer Erzählung über vergangene Ereignisse die Bedeutung des Präteritums annehmen (präsens historicum) und umgekehrt verdrängt das Präteritum oft das Präsens in der erlebten Rede. Dieser Austausch ist aber nur in einem Großkontext mit Hilfe der sog. Umschalter möglich, die die Hauptbedeutung ausschalten und die Nebenbedeutung einschalten.

Damit das Präsens die präteritale Bedeutung annimmt, muss es in die präteritale Umgebung übertragen werden.

Damit das Präteritum die Bedeutung der Gegenwart erlangt, braucht man einen starken Druck des Großkontextes. Nur in der erlebten Rede ist eine derartige Wandlung möglich: Das Präteritum wird zum kontextualen Synonym des Präsens und sogar des Futurs.

Ein anschauliches Beispiel liefern die kontextualen Synonyme du/Sie – wir in einer spezifischen Sprechsitiation, wenn ein Arzt einen Kranken (gewöhnlich ein Kind) anredet: Wie fühlen wir uns? statt Wie fühlst du dich? Die zweite Anrede ist im Gegensatz zu der ersten stilistisch nicht koloriert.

 

Grammatische Seme

Um den Bedeutungsgehalt tiefer und genauer zu ergründen, benutzt man die semantische Komponentenanalyse (oder Semanalyse), wobei der Inhalt einer sprachlichen Einheit als Verband von Semen aufgefasst wird. Das Sem ist das kleinste semantische Merkmal einer sprachlichen Einheit, das auf einer bestimmten Stufe der Analyse unzerlegbar ist.

Unter einer sprachlichen Einheit versteht man alle sinntragenden Einheiten, also ein Wort als ein Bestandteil des Wortschatzes, eine Wortform als eine morphologische Größe, eine Wortgruppe und einen Satzbauplan als syntaktische Größen, sogar ein Morphem als Wortbildungsmittel.

Die folgende Tabelle veranschaulicht eine Rangordnung (Hierarchie) von Semen


 

Wortklassen Seme
Alle Substantive Gegenständlichkeit
alle Bezeichnungen für Lebewesen Gegenständlichkeit, Lebewesen
Alle Personenbezeichnungen Gegenständlichkeit, Lebewesen, Person
Alle Berufsbezeichnungen Gegenständlichkeit, Lebewesen, Person, Beruf
Ein Einzelwort, z. B. Dichte Gegenständlichkeit, Lebewesen, Person, Beruf, Dichten als Beruf

 

Die aufgezählten Seme stellen den objektiven, gegenständlich-logischen (denotativen) Sachverhalt der Substantive dar. Wenn wir in die Tabelle noch das Wort Dichterling einsetzen, so sehen wir, dass es außer allen anderen Semen zusätzlich noch ein negatives Bewertungssem enthält, das die expressiv-stilistische Einschätzung, die Sehweise des Sprechers wiedergibt. Das Bewertungssem kann auch positives Verhalten zum Ausdruck bringen (das Kindchen). Die Bewertungsseme bestimmen vorrangig die absolute Stilfärbung des Wortes, die die stilistische Einstellung des Wortschatzes ermöglicht und die Stilwirkung bedingt. Aufgrund des negativen Bewertungssems entstehen mannigfache Nuancen der stilistischen Expressivität wie Ironie, Spott, Verachtung, Geringschätzung, Herablassung, Grobheit, das positive Bewertungssem ruft solche gefühlsmäßigen Abschattungen wie Zärtlichkeit, Vertraulichkeit, Teilnahme, Feierlichkeit u.ä. wach. Hier schwingen zusammen mit den paradigmatischen Bewertungssemen Gefühle und Stimmungen mit, die oft von der Feinfühligkeit und Empfindsamkeit des Senders sowie des Empfängers abhängig sind. Wir bezeichnen sie als Konnotationen, doch sind sie von den Semen nicht zu trennen. Die Semen sind immer primär, die Konnotationen dagegen immer sekundär.

Die stilistische Komponente eines Lexems kann nicht nur im Suffix enthalten sein, sondern auch in Wutzelwörtern, z.B. Fratze, Lenz.

In der Morphologie stellt die Hauptgröße nicht das Wort, sondern die Wortform dar, da jedes Wort unbedingt in irgendeiner grammatischen Form auftritt, deren Bedeutung die Gesamtheit der Aussage beeinflusst.

 

Wortklassen Seme
Präsens: Sie essen zu Mittag. Gegenwart, Dauer der Handlung
Perfekt: Sie haben zu Mittag gegessen. Vergangenheit, Vollendung der Handlung, Einbeziehung der Gegenwart
Futur: Sie werden zu Mittag essen. Zukunft

 

Eine stilistische Komponente finden wir in diesen Wortformen nicht, was aber nicht ausschließt, dass unter bestimmten Umständen ein Sem eine Stilwirkung hervorruft, d.h. stilistisch wirksam wird.

 



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