Grundsatzfragen der Stiltheorie 


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Grundsatzfragen der Stiltheorie



I. Thema

Grundsatzfragen der Stiltheorie

Mit Schwerpunkten

a) Stilistik aus gesellsachaftswissenschaftlicher Sicht.

b) Sprache/Rede – Stil – Problem der Stilklassifikation.

c) Stilistische Bedeutung.

d) Sprach- und Stilnormen.

e) Methoden in der Stilistik.

 

 

Kontrollfragen zum Thema

1. Definition des Begriffs Stilistik.

2. Stellung der Stilistik im System der theoretischen Wissenschaften.

3. Grundsatzfragen der Stilistik aus mikro- und makrostilistischer Sicht.

4. Definition der Begriffe Sprache /Rede - Stil.

5. Problem der Stilklassifikation.

6. Stadien des Kommunikationsablaufs.

7. Stilzüge.

8. Absolute stilistische Bedeutung einer sprachlichen Einheit.

9. Gehobene Stilfärbung. Ihre Klassen.

10. Stilistische Bedeutung der sprachlichen Einheit im Kontext.

11. Norm und Zeit.

12. Norm und Nation.

13. Norm und Sprachschicht.

14. Norm und kommunikativer bzw. stilistischer Gebrauchswert.

15. Norm und Ganzheitsstrukturen unterschiedlicher gesellschaftlicher Spezifik.

16. Verstoß gegen die Norm.

17. Hauptarten der heutzutage anwendbaren Methoden in der Stilistik.


Termini

Absicht

Aspekt

Ausdruckswert

Definition

Eindruckswert

Empfänger

Gebrauchswert

grundgelegend

homogen

kommunikativ

Komponente

Konnotation

Kontextstilfärbung

Linguistik

Literaturwissenschaft

Markierung

Mitteilung

partiel

Poezität

Sender

Stilzug


Thema 1.
GRUNDSATZFRAGEN DER STILTHEORIE

Stilistik aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht

Definition des Begriffs Stilistik

Aus einer größeren Anzahl von Bestimmungsmöglichkeiten sollen zwei Definitionen ausgewählt werden.

Stilistik unter dem soziolinguistischen Aspekt.

Stilistik(Stillehre) ist die Wissenschaft von der Verwendungsweise und Ausdrucksgestaltung der Sprache in sämtlichen Kommunikationsbereichen und Kommunikationssituationen in unterschiedlichen Kommunikationsakten.

Wenn die Soziolinguistik das Wechselverhältnis zwischen Gesellschaft und Sprache untersucht, so muss die Stilistik die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Stil aufdecken.

Stil ist nicht nur ein ästhetischer Begriff. Stil ist vielmehr jeder Rede immanent. Stil ist die Art und Weise, wie bestimmte Gedanken, Gefühle und Willensäußerungen dem Gesprächspartner dargeboten werden.

Die Stilistik befasst sich in erster Linie mit den funktionalen Verwendungsweisen der Sprache. Ausgangspunkt der Funktionalstilistik ist nicht der Individualstil, sondern der sog. Funktionalstil und seine Substile, die funktionalen Gattungs- oder Genrestile im System wie in den entsprechenden schriftlichen und mündlichen Texten (Textsorten).

Stilistik unter dem pragmatischen Aspekt der Sender/Empfänger-Beziehungen.

Der Kontakt zwischen den Gesprächspartnern spielt eine überaus relevante Rolle. Es handelt sich darum, einem anderen, dem Kommunikationspartner, etwas zu erzählen, zu berichten, zu beschreiben. Aus dieser Sicht lässt sich die folgende Definition geben: Stilistik ist die Lehre von den Beziehungen zwischen der Mitteilungsabsicht des Senders und deren Wirkung auf den Empfänger.

 

Sprache/Rede-Stil. Problem der Stilklassifikation

 

Stilistische Bedeutung

Wir unterscheiden zwei Arten der stilistischen Bedeutung:

1. Unter dem paradigmatischen Aspekt fällt sie mit der absoluten Stilfärbung der isolierten sprachlichen Einheit im Sprachsystem zusammen.

2. Unter dem syntagmatischen Aspekt schwindet diese Deckungsgleichheit. In zusammenhängender Rede wird der Begriff stilistische Bedeutung wesentlich komplizierter.

 

Sprach- und Stilnormen

Sprach- und Stilnormen in Wechselbeziehung zu außerlinguistischen Faktoren

Unter Sprach- und Stilnormen verstehen wir die Gesamtheit historisch veränderlicher, aber dennoch über größere Zeitabschnitte hinaus stabil kodifizierter Gesetzmäßigkeiten, die die Beschaffenheit wie den Gebrauch der sprachlichen Einheiten auf allen Ebenen bewerten und verbindliche Kriterien für richtig/falsch, angemessen/unangemessen darstellen.

Die Norm ist ein Schnittpunkt zwischen linguistischen und außerlinguistischen Faktoren.

a) Beginnen wir mit der Zeit als außerlinguistischem Faktor.

Zur Illustration: absteigen – In welchem Hotel bist du abgestiegen? Das Verb absteigen wirkt heute in der genannten Redewendung gehoben und wird daher nur in besonderen Kommunikationssituationen verwendet (hingegen in der Alltagsrede: Wo hast du Unterkunft gefunden, ein Zimmer bekommen?).

b) Eine relevante Beziehung besteht zwischen Norm und Nation. Sprach- und Stilnormen sind nur innerhalb eines national homogenen Sprachkollektivs gültig. Da die deutsche Gegenwartssprache die nationalen Varianten des „deutschen Deutsch“, des Schweizer Deutsch und des österreichischen Deutsch umfasst, müssen wir auch die entsprechenden Normen dieser unterschiedlichen sprachlichen Ausprägungen als untereinander gleichberechtigt, als souverän anerkennen. So hat der Österreicher das Recht, die Perfektformen ich bin gegessen, bin gestanden als nationale Norm zu wahren, ebenso wie für den deutschsprachigen Schweizer etwa das Verb besammeln (versammeln) in allen finktionalen Bereichen und Sprechsituationen literarisch einwandfrei ist (Z.B.: die Touristen besammeln sich im Park).

c) Norm und Sprachschicht (sog. vertikale Gliederung). Wie bekannt, besitzen Literatursprache, Umgangssprache und auch die territorialen Dialekte ihre eigenen Normen, allerdings mit qualitativen und quantitativen Unterscheidungsmerkmalen. Auch die Wahl der Sprachschicht und damit ihrer Normen hängt unmittelbar von außerlinguistischen Faktoren ab: nicht nur von der sozialen Herkunft, von der Bildung, der beruflichen Zugehörigkeit und dem Alter der Gesprechspartner, sondern auch von nationalen und territorialen Momenten.

d) Norm und kommunikativer bzw. stilistischer Gebrauchswert. Innerhalb eines zeitlich beschränkten und national homogenen Normensystems lassen sich synchron zwei Gruppen unterscheiden: stilistisch neutrale und stilistisch markierte Normen. Die ersteren betreffen die Basis des Sprachbaus und gelten für sämtliche kommunikativen Sphären der Literatursprache und literarischen Umgangssprache, zum Teil auch für die Ortsdialekte der Gegenwart. Sie lassen allerdings auf allen Ebenen einen gewissen Spielraum für fakultative Varianten (z.B.: ´außerdem/außer´dem), die aber in kommunikativer und stilistischer Hinsicht irrelevant sind.

Die zweite Gruppe, die stilistisch markierten Normen, umfassen sprachliche Einheiten, die infolge ihrer absoluten, d.h. systemhaften Stilfärbung an bestimmte Verwendungsmöglichkeiten gebunden sind. Um ihren Gebrauchswert in der Rede zu determinieren, muss man unbedingt ihre stilistische Charakteristik (funktionelle, normative, expressive Komponente) im Auge haben. So zwingt z.B. die gehobene Stilfärbung, die dem Substantiv Angesicht eignet, den Sprecher/Schreiber, dieses Lexem im passenden Kontext zu verwenden, wie etwa: das teure Angesicht des Vaters/der Mutter, im Angesicht der Gefahr. Hingegen würde die Formulierung Wasch dir doch dein Angesicht ab, auf der Wange hast du Tintenflecke! der Situation nicht angemessen sein.

 

Verstoß gegen die Norm – Abweichung von der Norm als Stilmittel

 

Das folgende Beispiel ist eindeutig als Informationsstörung zu werten. In einer Rundfunkdurchsage hieß es: Sie hören unsere Sendung ab 1. Februar vierzehntägig. Hier handelt es sich zweifellos um einen Verstoß gegen die Norm. Zusammensetzungen mit -tätig bedeuten: für eine Reihe von Tagen; daher wäre also die Sendung vierzehn Tage lang zu hören. Aussageabsicht aber ist die Mitteilung, die alle 14 Tage eine solche Durchsage stattfindet. Richtig muss es heißen: v ierzehntäglich (Zusammensetzungen mit – täglich zeigen an, dass etwas sich nach einer bestimmten Zeit wiederholt).

Die folgenden zwei Beispiele bringen einen vermeintlichen Verstoß gegen die Norm. In diesem Fall haben wir ein wirksames stilistisches Mittel vor uns, dass mit Hilfe einer nichtkodifizierten Passivform einen ganzen Aphorismus sprachökonomisch zum Ausdruck bringt: Wer nicht will, der wird gewollt (Strittmatter, der Ochsenkutscher). Gewiss wird der kommunikative bzw. stilistische Effekt durch die Gegenüberstellung der aktiven und der normwidrigen Passivform erzielt.

B. Brecht lässt in „Mutter Courage“ die Heldin ausrufen: der Friede ist ausgebrochen. Für diese Person ist der Friede ein Unglück, weil sie nur im Krieg gute Geschäfte macht; daher die Verletzung der üblichen Fügungspotenz (der Krieg bricht aus) als gezieltes Stilmittel des Autors.

 

Methoden in der Stilistik

Wir unterscheiden zuerst zwei Hauptarten: das qualitative und das quantitative Verfahren, die Annäherung beider Pole ergibt das dritte, das qualitativ-quantitative Verfahren.

Das traditionelle qualitative Verfahren aller philologischen Wissenschaften besteht in der induktiven, empirischen, d.h. von der Beobachtung des zu untersuchenden Stoffes ausgehenden und zur Verallgemeinerung führenden Arbeitsweise. Das Fehlen von konsequenten exakten Methoden macht aber manche

Schlussfolgerungen unüberprüfbar. Man spricht mehr individuelle Meinungen, intuitive Überlegungen als festgestellte Tatsachen aus. Die Forderung nach Objektivität und Exaktheit aller modernen Wissenschaften regt auch die Vertreter der philologischen Disziplinen an, das traditionelle Verfahren zu vervollständigen. Hier gabeln sich die Wege.

Im Bereich der Stilistik versucht der Schweizer Germanist Hans Glinz, durch einen genauen, detailliert beschriebenen Prozess die Stilanalyse zu objektivieren und zu vereinheitlichen. Dazu führt er eine Reihe von Arbeitsschritten und Proben ein (Klangprobe, Verschiebprobe, Weglassprobe). Er entwickelt eine experimemtierend-interpretierende Forschungsmethode. Er sucht nach Methoden, die den Text in wissenschaftlich kontrollierbarer Weise erfassen lassen, das bedeutet: die Resultate sollen von anderen Sprachforschern überprüft werden können.

Einen anderen weg schlagen die Vertreter des quantitativen Verfahrens ein. Die Entwicklung der mathematischen Informationstheorie, der Statistik, der Kybernetik beeinflusst in zunehmendem Maße die philologischen Disziplinen, darunter auch Stillehre. Die mathematischen Bewertungsmaßstäbe, insbesondere die Statistik, scheinen ein wirksameres Mittel für die Erzielung wissenschaftlich kontrollierbarer Ergebnisse zu sein, als beispielweise die Proben von H.Glinz.

Bei dem quantitativen Verfahren im Bereich der Stillehre handelt es sich um die Statistik und die darauf beruhende Wahrscheinlichkeitstheorie.

In der modernen Stilanalyse spielt die Wahrscheinlichkeitstheorie eine große Rolle. Aber man muss wissen, was man zählt und wozu man zählt. Nicht alle sprachlichen Elemente sind stilrelevant.

Um die Mängel der mathematischen Beschreibung zu beheben, die in der Isolierung der Form vom Inhalt, von Kontext- und Situationsart bestehen, greift man zum qualitativ-quantitativen verfahren, das die Vorzüge beider Methoden in sich vereinigt. Dabei dienen die Zahlen bloß als Hilfsmittel, als Stütze.


II. Thema

Mit Schwerpunkten

1. Fragen der Wortwahl

2. Stilistische Charakteristik des neuen deutschen Wortschatzes.

3. Stilistische Charakteristik und Stilwerte fester Wortverbindungen.

 

Kontrollfragen zum Thema

1) Thematische und synonymische Verwandschaft.

2) Gemeinsprachliche und kontextuale Synonymie.

3) Stilistisch undifferenzierter Wortbestand.

4) Stilistisch differenzierter Wortbestand.

5) Historismen und lexische Archaismen.

6) Neologismen.

7) Stilistische Anachronismen.

8) Nationale und territoriale Dubletten.

9) Hyperhochdeutsch.

10)  Fremdsprachige Wörter.

11)  Termini, Berufslexik, Berufsjargonismen.

12)  Soziale Jargonismen.

13)  Vorwiegend nominative stehende Verbindungen.

14)  Phraseologische Wortverbindungen.

15)  Individuelle Variationen der Phraseologismen.


Termini

Anachronismen

Archaismen

Berufslexik

charakterologisch

Dialektismen

Dubletten

expressiv

Grundkriterium

Historismen

Hochdeutsch

Hyperhochdeutsch

Idiom

Jargonismen

kolorit

kontextual

Neologismen

okkasionell

Realienwörter

Stützwört

Termin

Umdeutung

Verwandschaft

Wortbestand


Thema 2.
WORTSCHTZ DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE AUS STILISTISCHER SICHT

Fragen der Wortwahl

Soziale Jargonismen

Unter sozialen Jargonismen versteht man die spezifische Lexik bestimmter Kreise von Menschen, die sich bewusst – aus unterschiedlichen Gründen und auf unterschiedliche Art – von ihrem Sprachkollektiv absondern wollen. Dies betrifft in der Klassengesellschaft die sog. Oberschichten (Adel, Großbourgeoisie, „hohes“ Militär) und ihren Gegenpol, die sog. deklassierten Elemente. Was die beiden Bevölkerungsgruppen miteinander verbindet, ist eine ablehnende bzw. feindliche Einstellung zur Gemeinschaft, in der sie leben.

Der Jargon der deklassierten Elemente, historisch als Rotwelsch entstanden, wird gewöhnlich als Argot bezeichnet. Einzelne Argotismen, die das objektive Sozialkolorit dieser Bevölkerungsgruppe charakterisieren – z.B. Café Viereck („Gefängniszelle“) u.a. – werden bei entsprechender Thematik in der schönen Literatur zur sozialen Koloritzeichnung verwendet. Auch in der Presse – z.B. heiße Ware (“gestohlene Ware“), Traumzigarette (= mit Rauschgift) u.a.

 

III. Thema

Mit Schwerpunkten

 

1. Einige Prinzipien der grammatischen Stilanalyse.

2. Morphologie aus stilistischer Sicht.

3. Syntax aus stilistischer Sicht.

4. Wortbildung aus stilistischer Sicht.

Kontrollfragen zum Thema

1. Absolute Stilfärbung in der Grammatik.

2. Kontextstilfärbung in der Grammatik.

3. Mehrdeutigkeit der grammatischen Formen.

4. Grammatische Seme.

5. Artikel aus stilistischer Sicht.

6. Modi aus stilistischer Sicht.

7. Genera Verbi aus stilistischer Sicht.

8. Stilistische Aufgabe der Wortfolge.

9. Prolepse, Nachtrag, Parenthese.

10. Asydenton und Polysydenton bei der Beiordnung und Unterordnung.

11. Satzarten nach der Zielstellung des Sprechenden.

12. Elliptische Sätze und der Satzabbruch (Aposiopese).

13. Stilwert der Transposition.

14. Stilistische Möglichkeiten der Abteilungen.

15. Stilistische Möglichkeiten der Zusammensetzungen.


Termini

 

Absonderung

Asyndeton

Ausklammerung

Auslockerung

Beiordnung

Blockbildung

elliptisch

Gesetzmäßigkeit

Isolierung

Leistung

Lockerung

Nachtrag

Parenthese

Parzellierung

Polyphonie

Polysyndeton

Prolepse

Redeabsicht

Rhema

Satzbaupläne

Sem

Thema

Verbalisierung


Thema 3.
GRAMMATIK DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE AUS STILISTISCHER SICHT

Die stilistische Ausdruckskraft liegt nicht an der Oberfläche, daher wird ihr Anteil an der Stilgestaltung oft außer acht gelassen, oder nicht genug erfasst. Der grammatischen Stilanalyse liegen bestimmte Prinzipien zugrunde, die durch die Eigenart der Grammatik bedingt sind.

 

Absolute Stilfärbung in der Grammatik

 

Wie uns schon bekannt ist, besitzen die Wörter außer dem gegenständlich-logischen, d.h. denotativen Inhalt noch eine absolute stilistische Bedeutung, die ihren Gebrauchswert bestimmt. Die grammatischen Oppositionen weisen unter dem paradigmatischen Aspekt keine stilistischen Merkmale auf. In der Morphologie unterscheiden sich einzelne grammatische Kategorien (wie Kasus, Zahl, Modus, Genus, Zeit u.a.) nicht durch das Vorhandensein/Nichtvorhandensein der Stilfärbung, sondern durch semantische Merkmale. Ihre absolute Stilfärbung ist in der Regel gleich Null.

Doch heißt das nicht, dass bei der Formenbildung die absolute Stilfärbung niemals zum Vorschein kommt. Bei einer verhältnismäßig geringen Zahl von Wörtern sind Doppelbildungen möglich. Die Sprachträger sind bestrebt, sie zu beseitigen, oder zu semantischen bzw. stilistischen Zwecken zu verwerten. So entstehen stilistisch kolorierte Doppelformen, zu denen einige substantivische und verbale Bildungen gehören:

Pluralformen der Substantive: die Jungen (normalspr.) – die Jungens, die Jungs (umg.)

Die Kasusendung –e im Dativ empfindet man heute als gehoben, veraltend: auf dem Tische, an diesem Tage

Eine stilistische Differenzierung der Doppelformen findet auch im verbalen Bereich statt. Vgl. ward (gehoben) – wurde (normalspr.)

Auch die Doppelformen des Imperativs unterscheiden sich stilistisch: Wasche! Zeige! (gehoben) – Wasch! Zeig! (umg.)

Eine Ausname unter den Wortarten bilden die immer emotional geladenen Interjektionen. Die Interjektionen bezeichnen keinen Begriff. Sie erfüllen keine Nennfunktion, sie dienen bloß zur emotionalen Entladung des Sprechenden: oh, ah, pst, pfui etc.

Wenden wir uns der Syntax zu. Ein syntaktisches Paradigma ist eine Gruppierung von Satzarten mit gemeinsamen und unterschiedlichen Merkmalen. Nach O. I. Moskalskaja gibt es ein dreischichtiges Satzparadigma, durch drei Korrelationsreihen repräsentiert:


Aussagesatz – Fragesatz – Aufforderungssatz

Die positive Satzform – die negative Satzform

Wirklichkeitssatz – Möglichkeitssatz

Die Zahl der stilistisch markierten Satzbaupläne (Satzmodelle) ist viel geringer, als die Zahl der neutralen. Absolute stilistische Färbung besitzen zwei Modelle eines expressiven Ausrufesatzes mit impliziter Verneinung: Er und lügen! Er ein Lügner! Diesen im Stil der Alltagsrede üblichen Modellen entsprechen die stilistisch neutralen Synonyme: Er kann unmöglich lügen. Er ist bestimmt kein Lügner.

Unter den Modellen eines Aufforderungssatzes finden sich stilistisch kolorierte Infinitiv- und Partizipialsätze (Aufstehen! Aufgestanden!). sowie Adverbialsätze (Fort! Auf! Zurück! Immer vorw ärts!).

Elliptische Sätze aller Art sind ebenfalls als paradigmatische Abwandlung der Grundtypen zu betrachten mit einer zusätzlichen stilistischen Komponente und daraus folgender Einschränkung des Gebrauchwerts.

 

Kontextstilfärbung in der Grammatik

 

Unter dem syntagmatischen Aspekt kann jede grammatische Form in der Morphologie und in der Syntax eine zusätzliche stilistische Information vermitteln ebenso wie jedes Wort.

Ein und dieselbe Form kann unterschiedlichen kontextualen Stilwert haben, z.B. man-Sätze. Aus paradigmatischer Sicht sind sie stilistisch neutral. Setzen wir sie aber in einige Sprechsituationen und beobachten ihre stilistische Wandlung.

Im wissenschaftlichen Stil: ihre hohe Gebrauchsfrequenz resultiert aus dem Streben nach Verallgemeinerung, nach unpersönlicher Darstellungsweise. Sie erwecken den Eindruck einer größeren Objektivität der dargelegten Tatsachen.

Dieses sachlich wirkende Satzmodell ist besonders für Anweisungen, Rezepte, allgemeine Feststellungen geeignet.

In einen anderen funktionalen Stil eingebettet, ändert der man-Satz seinen Stilwert. In der Figurensprache und in der erlebten Rede kann er anstelle eines persönlichen Satzes gesetzt werden – mit unterschiedlicher Wirkung je nach der Sprechsituation.

Die Wirkung einer schroffen und abweisenden Aussage erzielt man mit dem Konjunktiv in der Figurensprache beim Ausdruck eines Befehls: Man lache nicht! (Goethe).

In der Autorensprache kann das Pronomen man als Synonym des pluralischen sie gebraucht werden. Dabei kann das unbestimmt-persönliche Pronomen verschiedene Stilwirkung haben.

 


Grammatische Seme

Um den Bedeutungsgehalt tiefer und genauer zu ergründen, benutzt man die semantische Komponentenanalyse (oder Semanalyse), wobei der Inhalt einer sprachlichen Einheit als Verband von Semen aufgefasst wird. Das Sem ist das kleinste semantische Merkmal einer sprachlichen Einheit, das auf einer bestimmten Stufe der Analyse unzerlegbar ist.

Unter einer sprachlichen Einheit versteht man alle sinntragenden Einheiten, also ein Wort als ein Bestandteil des Wortschatzes, eine Wortform als eine morphologische Größe, eine Wortgruppe und einen Satzbauplan als syntaktische Größen, sogar ein Morphem als Wortbildungsmittel.

Die folgende Tabelle veranschaulicht eine Rangordnung (Hierarchie) von Semen


 

Wortklassen Seme
Alle Substantive Gegenständlichkeit
alle Bezeichnungen für Lebewesen Gegenständlichkeit, Lebewesen
Alle Personenbezeichnungen Gegenständlichkeit, Lebewesen, Person
Alle Berufsbezeichnungen Gegenständlichkeit, Lebewesen, Person, Beruf
Ein Einzelwort, z. B. Dichte Gegenständlichkeit, Lebewesen, Person, Beruf, Dichten als Beruf

 

Die aufgezählten Seme stellen den objektiven, gegenständlich-logischen (denotativen) Sachverhalt der Substantive dar. Wenn wir in die Tabelle noch das Wort Dichterling einsetzen, so sehen wir, dass es außer allen anderen Semen zusätzlich noch ein negatives Bewertungssem enthält, das die expressiv-stilistische Einschätzung, die Sehweise des Sprechers wiedergibt. Das Bewertungssem kann auch positives Verhalten zum Ausdruck bringen (das Kindchen). Die Bewertungsseme bestimmen vorrangig die absolute Stilfärbung des Wortes, die die stilistische Einstellung des Wortschatzes ermöglicht und die Stilwirkung bedingt. Aufgrund des negativen Bewertungssems entstehen mannigfache Nuancen der stilistischen Expressivität wie Ironie, Spott, Verachtung, Geringschätzung, Herablassung, Grobheit, das positive Bewertungssem ruft solche gefühlsmäßigen Abschattungen wie Zärtlichkeit, Vertraulichkeit, Teilnahme, Feierlichkeit u.ä. wach. Hier schwingen zusammen mit den paradigmatischen Bewertungssemen Gefühle und Stimmungen mit, die oft von der Feinfühligkeit und Empfindsamkeit des Senders sowie des Empfängers abhängig sind. Wir bezeichnen sie als Konnotationen, doch sind sie von den Semen nicht zu trennen. Die Semen sind immer primär, die Konnotationen dagegen immer sekundär.

Die stilistische Komponente eines Lexems kann nicht nur im Suffix enthalten sein, sondern auch in Wutzelwörtern, z.B. Fratze, Lenz.

In der Morphologie stellt die Hauptgröße nicht das Wort, sondern die Wortform dar, da jedes Wort unbedingt in irgendeiner grammatischen Form auftritt, deren Bedeutung die Gesamtheit der Aussage beeinflusst.

 

Wortklassen Seme
Präsens: Sie essen zu Mittag. Gegenwart, Dauer der Handlung
Perfekt: Sie haben zu Mittag gegessen. Vergangenheit, Vollendung der Handlung, Einbeziehung der Gegenwart
Futur: Sie werden zu Mittag essen. Zukunft

 

Eine stilistische Komponente finden wir in diesen Wortformen nicht, was aber nicht ausschließt, dass unter bestimmten Umständen ein Sem eine Stilwirkung hervorruft, d.h. stilistisch wirksam wird.

 

Artikel

 

Der Artikel ist das Hauptzeichen der Kategorie der Bestimmtheit/Unbestimmtheit, die sich in zwei binären Oppositionen offenbart; im Singular: das Buch – ein Buch; im Plural: die Bücher – Bücher. Folglich gibt es im Deutschen drei Artikelarten: den bestimmten, den unbestimmten und den Nullartikel. Der Nullartikel darf nicht dem Fehlen des Artikels gleichgesetzt werden. Man lässt den Artikel aus unterschiedlichen Gründen weg, darunter auch aus stilistischen, der Nullartikel dagegen ist eine gesetzmäßige Entsprechung des unbestimmten Artikels im Plural.

Die stilgestaltende Rolle des Artikels äußert sich darin, dass jeder einzelne funktionale Stil Besonderheiten des Artikelgebrauchs aufweist. Eine auffallende Besonderheit in der Verwendung des Artikels kann zu einer Stilnorm werden.

Den Stil der Alltagsrede еrkennt man an den gekürzten Artikelformen (’nen,’ne) und am häufigen Gebrauch des bestimmten Artikels vor den Personennamen. Diese Besonderheit wird in der schönen Literatur verwendet, um dem Stil eine volkstümliche Note zu verleihen.

Im Gegensatz zu der Alltagsrede neigt der Stil der öffentlichen Rede als offiziell-direktive Sachprosa zum Weglassen des Artikels überall dort, wo die Seme „Bestimmtheit“ und „Unbestimmtheit“ aus dem Kontext ersichtlich sind. Das betrifft vor allem die Abfassung von Kanzlei- und Gerichtsdokumenten, die Militär- und Sportkommandos, Anzeigen, Bekanntmachungen – kurzum, alle Fälle, wo die Aussage möglichst knapp, sachlich und emotionslos geprägt werden muss.

Auffallend ist die Artikellosigkeit im Stil der Publizistik und zwar in den Überschriften und Schlagzeilen einer Zeitung; das, was in einem anderen Stil unzulässig wäre, gilt hier als Stilnorm. Der Artikel fehlt, um Interesse, Spannung, Wießbegierde zu wecken.

Artikel als Ausdrucksmittel der Seh- und Gestaltungsweise. Die Kategorie der Bestimmtheit/ Unbestimmtheit ist als eine kommunikativ-grammatische Kategorie zur stilistischen Auswertung gut geeignet. In der realen Wirklichkeit gibt es schlechthin Gegenstände – Haus, Hund, Baum; ob sie bestimmt oder unbestimmt, bekannt oder unbekannt sind, hängt lediglich von der persönlichen Erfahrung bzw. Informiertheit des Sprechers ab. Deshalb bietet der Artikelgebrauch reiche Möglichkeiten zur Darstellung der sich ständig verändernden Sicht der Sprechenden. Der Erkenntnisweg führt meist vom Unbekannten (Unbestimmten, Neuen) zum Bekannten (Bestimmten, Alten), was man kommunikative Rhema - Thema -Gliederung nennt. Dieser Weg wird sprachlich durch den Wechsel von dem unbestimmten zu dem bestimmten Artikel gekennzeichnet.

Der Schriftsteller benutzt alle Möglichkeiten des Artikelgebrauchs zum künstlerischen Zweck.

Es sei noch betont, dass der Artikel allein keinen Stilwert besitzt, er bedarf sprachlicher oder außersprachlicher Unterstützung.

 

Modi

 

Die Modi bilden eine dreigliedrige Opposition: Indikativ/Konjunktiv/ Imperativ. Diese Opposition lässt sich in eine zweigliedrige verwandeln, falls man den Indikativ als den Modus der Wirklichkeit den anderen Modi der Nicht-Wirklichkeit gegenüberstellt: Indikativ/Konjunktiv, Imperativ.

Die Modi dienen ebenso wie der Artikel zur Wiedergabe der Sehweise, der Einstellung des Sprechers zur Wirklichkeit und werden stilistisch vielfach ausgewertet.

Genera Verbi

 

Die dreigliedrige Opposition der Genera Aktiv/Passiv/Stativ kann auch als zweigliedrige dargestellt werden: Aktiv/Passiv, Stativ. Sie hat folgenden Semenbestand:

 

Wortformen Seme
Aktiv Zentrifugale Geschehensrichtung (von dem Subjekt ausgehend); Satzsubjekt – Agens, Satzobjekt – Patiens
Passiv Zentripetale Geschehensrichtung (auf das Satzobjekt gerichtet); Satzsubjekt – Patiens, Satzobjekt – Agens
Stativ Zustand (als Ergebnis einer Handlung); abgeschlossene Handlung; Inaktivität des Satzsubjekts

 

Alle drei Seme des Aktivs und des Passivs kommen deutlich in der dreigliedrigen Genusstruktur (Subjekt-Prädikat-Objekt) zum Vorschein. Bleibt die Stelle des Objekts offen, so fеhlt das dritte Sem. Die Möglichkeit der zweigliedrigen Genusstruktur wird zu semantischen und stilistischen Zwecken ausgewertet.

Fеhlen im Satz das Objekt und das Subjekt, so verlieren alle Seme ihre syntaktischen Stützen, was eine eigenartige Stilwirkung erzeugt: Dort wird gesungen. Es singt in mir.

Das Stativ bezeichnet den Zustand des Satzobjekts, der infolge einer abgeschlossenen Handlung eingetreten ist. Es kann auch drei-, zwei- und eingliedrig sein, die häufigste Struktur ist die zweigliedrige: Die Fenster sind geschlossen.

Was die stilgestaltende Rolle der Genera anbelangt, so ist ihr Funktionsbereich nicht scharf voneinander abzugrenzen, besonders bezüglich Aktiv und Stativ. Das Aktiv als das schwache Glied der Opposition verfügt über ein unumschränktes Gebrauchsgebiet, es ist eine mobile und elastische Genusform, da es mit Hilfe von kontextualen Umschaltern einige seiner Seme löschen und sich den anderen Genera nähern kann.

Passiv wird gewöhnlich im wissenschaftlichen Stil gebraucht, besonders die dreigliedrige Passivstruktur, das zweigliedrige Passiv und Stativ – sehr oft im Stil der Alltagsrede.

Die schöne Literatur macht sich alle drei Genera als Stilmittel zunutze.

Stilwert der Genera als Ausdrucksmittel der Seh- und Gestaltungsweise.

 

Die dreigliedrige Genusstruktur. Das Aktiv stellt die Handlung in ihrer natürlichen Geschehensrichtung dar: Urheber (Täter, Agens) ® Handlung ® Objekt der Handlung (Patiens), während das Passiv eine rückläufige Darstellungsperspektive schafft: Objekt der Handlung (Patiens) Handlung Urheber (Täter, Agens). Demnach besteht die erste semantisch-stilistische Leistung der Genera in der Änderung der Blickpunktrichtung oder der Erkenntniseinstellung.

Damit hängt auch die zweite Besonderheit zusammen. Das Satzobjekt ist in der Regel Gegenstand der Äußerung, besitzt also den Themenwert, während der Rhemawert dem Objekt zukommt. Mit dem Satzsubjekt eröffnet der Sender seine Aussage, macht den Empfänger gespannt auf das Weitere; das Prädikat und das Objekt bringen die Entspannung. Folglich ist das Passiv dazu geeignet, dem Agens, sei es auch in der Form des präpositionalen Objekts, einen größeren semantischen Wert zu verleihen. Deshalb ist das Passiv so beliebt im wissenschaftlichen Stil.

Die dritte semantisch-stilistische Besonderheit des deutschen Passivs besteht in der Differenzierung der Art der Einwirkung auf das Patiens seitens des Agens, was durch die Wahl der Präpositionen von oder durch geschieht. Das deutsche Passiv- und Stativsystem verfügt über die Opposition von + Dat. / durch + Akk. mit den Semen: „Urheber der Handlung“ – „Vermittler der Handlung“.

Die Opposition von/durch ermöglicht mannigfache stilistische Auswertung: von stellt die Naturerscheinungen als unabhängig vom Menschenwillen wirkende, selbständige Kräfte dar. Auch Gefühle, Empfindungen und Stimmungen überwältigen den Menschen. Von trägt zur Aktivierung der Gegenstände und dadurch zur Bildkraft der Darstellung bei. Von ist ein Mittel der Personifizierung des Leblosen.

Dagegen dient durch zur Verminderung der Aktivität des Agens, besonders, wenn es sich um eine Person handelt.

Die zweigliedrige Genusstruktur. Der aktive Satz mit der leeren Objektstelle wirkt weniger dynamisch. Die zweigliedrige Passiv- und Stativstruktur wählt man aus mehreren Gründen:

wenn der Urheber der Handlung unbekannt ist

bei einer Verallgemeinerung

wenn der Urheber der Handlung nicht genannt werden will (soll, muss)

aus Bescheidenheit, oft im wissenschaftlichen Stil

wenn das Agens in Wirklichkeit fеhlt.

Das zweigliedrige Passiv und Stativ sind Idealformen für den Stil der Sachprosa, wo Feststellungen, Beschreibungen, Denkresultate oder Ergebnisse von Experimenten geliefert werden. Das zweigliedrige Passiv trägt zur trockenen offiziellen Sachlichkeit im Stil der öffentlichen Rede bei.

Auch bei einer künstlerisch gestalteten Schilderung kann das Passiv ausdrucksvoller als das Aktiv sein. Er schafft ein anschauliches Bild, indem es dem Leser bald den einen, bald den anderen Gegenstand vor Augen führt.

Das Stativ bringt kein Leben und keine Bewegung in das sprachliche Gemälde, es malt Ruhelage. Deshalb erscheint es bei der Schilderung der äußeren Merkmale von Gegenständen und Personen durch ihre „dynamischen Merkmale“, es weist darauf hin, dass diese Merkmale erst infolge eines Vorgangs entstanden sind.

Die eingliedrige Genusstruktur. Als solche betrachten wir den Satz, wo nur das Prädikat in irgendeiner Genusform vorhanden ist, während das Satzobjekt fеhlt; das Satzobjektfеhltebenfalls oder es ist durch das unpesönliche es vertreten. Formell ist der Satz zweigliedrig, doch die Genusstruktur blеibt eingliedrig.

Aktiv: Es singt in mir.

Passiv: Es wird gesungen; da wird gesungen.

Stativ: Hier sei an die Hauptwortarten gedacht.

In diesen Satzmodellen fehlen die syntaktischen Stützpunkte für die Realisierung der entsprechenden Seme. „Von wem die Handlung ausgeht“, „worauf sie zielt“, „wer sich in einem bestimmten Zustand befindet“ bleibt unausgesprochen. Das macht das Modell zu einem eindrucksvollen Stilmittel, um die Handlung zu verabsolutisieren. Sie wird isoliert von ihrem Träger dargestellt; so erfolgt die Darstellung eines Geschehens „von selbst“, als Selbstbewegung aus Eigenkraft, „urheberfrei“.

Man kann zum unpersönlichen Aktiv greifen, um menschliche Handlungen zu entpersonifizieren und mystifizieren.

Da das Passiv und das Stativ den Träger meist unbekannt lassen, dienen sie in der eingliedrigen Genusstruktur zur Hervorhebung des Vorgangs bzw. Zustands; der Täter, und zwar der Mensch, ist immer implizit vorhanden: Es wurde auf dem Balkon oder unter dem Kastanienbaum gefrühstückt (Th. Mann, Buddenbrooks). Ersetzen wir die Struktur Es wurde gefrühstückt durch einen man -Satz (man frühstückte), dann erfolgt eine Verlagerung des semantischen Gewichts auf das Subjekt man; die Vorstellung eines Agens tritt deutlicher hervor.

Häufig gebraucht man das unpersönliche Passiv zum Ausdruck eines kategorischen Befehls: Jetzt wird geschlafen! Ebenso wirkt der Imperativ: Hingehen! Aufstehen! Aber das Passiv hat den Vorzug, dass er dank seiner analytischen Form eine Satzklammer und deshalb einen größeren Spannungsbogen schafft. Das macht die Aussage gewichtiger. Will man die Dauer, Wiederholung, Beständigkeit eines Vorgangs zum Ausdruck bringen, wählt man die eingliedrige Passivform. Man begegnet ihr oft in der Alltagsrede.

 

IV. Thema

Phonostilistische Fragen

Mit Schwerpunkten

 

a)Intonatorisch-stilistische Fragen.

b) Stilistische bedingte Besonderheiten der Aussprache.

c)Lautmalerei.

Kontrollfragen zum Thema

a)Onomatopöie.

b) Alliteration.


Termini

Alliteration

Hochsprache

intonatorisch

Lautmalerei

Mundart

Onomatopöie

phonostilistisch

stabreim

Umgangssprache


Thema 4.
PHONOSTILISTISCHE FRAGEN

 

Die Phonetik (bzw. die Phonologie) bildet den,,geschlossensten“ Teil der Sprache im Gegensatz zum offenen System der Lexik, deshalb bietet sie eine viel bescheidenere Moglichkeit für stilistische Nuancen.

Wir besprechen nur solche Lauterscheinungen, die als Stilmerkmale oder Stilmittel dienen, und zwar: die Intonation, einige stilistisch bedingte Besonderheiten der Aussprache, die Lautmalerei.

V. Thema

Mit Schwerpunkten

 

1. Mittel der Bildkraft.

2. Lexisch-grammatische Stilfiguren.

3. Mittel zum Ausdruck von Humor und Satire.

 

Kontrollfragen zum Thema

1) Mittel der Bildhaftlichkeit.

2) Vergleiche.

3) Abarten der lexikalischen Metapher.

4) Metonymien.

5) Grammatische Metaphern.

6) Mittel der Umschreibung und ihre Abarten.

7) Epitheta.

8) Wiederholung und grammatischer Parallelismus.

9) Gegensatzfiguren.

10) Wortwitze.

11) Wortverbindungen mit Überraschungseffekt.

12) Stilbruch.


Termini

Akkumulation

Allegorie

Anadiplose

Anapher

Anhäufung

Antiklimax

Antithese

Aufzählung

Bildhaftigkeit

Bildkraft

Bildlichkeit

Chiasmus

Distanzstellung

Doppelbödigkeit

Epipher

Epitheta

Euphemismus

Falschkoppelung

Hyperbel

Kennzeichen

Klimax

Konnotation

Oxymoron

Parallelismus

Periphrase

Schlagsatz

Stilbruch

Tautulogie

Tropen

Übertreibung

Verringerung

Zeugma


Thema 5.
STILISTIKA (STILFIGUREN) AUS MIKRO- UND MAKROSTILISTISCHER SICHT  

 

Mittel der Bildkraft

A. M. Peschkowskij weist darauf hin, dass der poetische Gehalt der Dichtung nicht nur auf Tropen und Stilfiguren beruhe.

Es gibt zwei Abarten der Bildlichkeit (общая образность): Bildhaftigkeit und Bildlichkeit (Bildhaft = anschaulich/veranschaulichend, sinnfällig; bildlich = übertragen, figürlich, uneigentlich).

Die Bildhaftigkeit erwächst aus der lexikalischen Struktur von Einzelwörtern und Wendungen aufgrund direkter (eigentlicher) Bedeutung, oft unterstützt durch die Beschaffenheit der lautlichen Hülle. Dieses erste Abart der Bildkraft ist an isolierten Lexemen des Sprachsystems feststellbar (paradigmatischer Aspekt), in der Grammatik fehlt sie. Die Bildlichkeit hingegen entsteht aufgrund syntagmatisch bedingter Bedeutungsübertragung oder eines Begriffsaustausches, anders gesagt, sie ist uneigentliche Rede, die erst im Zusammenhang (Kontext und Situation) eindeutig determiniert werden kann. Man findet sie sowohl in der Lexik wie in der Grammatik, wenngleich in unterschiedlichen Erscheinungsformen.

 

Übersichtstabelle

 

Bildkraft (sprachliche Bilder)

 

I Bildhaftigkeit                                                        II Bildlichkeit

     
 


Wortwahl                                                               Tropen

aufgrund direkter                                                    aufgrund übertragener

(eigentlicher)Bedeutung                                 (uneigentlicher) Bedeutung

     
 


Vergleiche



Mittel der Bildhaftigkeit

 

Das Hauptmittel, das zu dieser ersten Erscheinungsform der Bildkraft führt, ist die treffende Wortwahl aus den der Aussageabsicht entsprechenden thematischen und synonymischen Reihen.

Bildhaft sind alle Wörter des Sprachsystems, die Gegenstände, Vorgänge der wahrgenommenen Realität bei der bloßer Nennung (außerhalb des Kontextes) so lebendig und so plastisch in unserem Bewusstsein reproduzieren, dass sie Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastempfindungen hervorrufen.

Als Bildhaft bezeichnen wir sie deshalb, weil sie durch die in ihrer lexischen Struktur eingeschlossenen semantischen und stilistischen Bedeutungselemente dem Allgemeinbegriff klare Details verleihen und dadurch immer schärfere Umrisse eines Vorstellungsbildes zeichnen. Gewiss, alle sinntragenden Einheiten des Wortbestandes widerspiegeln schon an sich winzige Ausschnitte der objektiven Welt, aber ihre Bildkraft hat verschiedenes Ausmaß. Das literarisch-umgangssprachliche Substantiv Bengel beispielsweise wirkt dank dem lexischen Ergänzungssem „ungezogen“, “rüpelhaft“ sowie der abwertenden expressiv-stilistischen Komponente bedeutend informativer und farbiger als der neutrale Allgemeinbegriff „junger Bursche“.

Besonders aufschlussreich ist die Betrachtung der bildhaften Verben. Je größer ihr Semenreichtum, desto anschaulicher und lebendiger wird ihre Bedeutungstiefe. Das Lexem gehen gibt eine visuelle und kinästhetische (motorische) Vorstellung von verhältnismäßig geringer Bildkraft: die Fortbewegung eines Menschen, ohne nähere Merkmalsbestimmung des Allgemeinbegriffs. Hingegen ermöglicht das Verb trippeln einen viel deutlicheren Einblick in die Eigenart dieser Wirklichkeitserscheinung. Denn in der lexikalischen Struktur ist das zusätzliche Sem „mit keinen Schritten gehen“ – ein Bild, das, unterstützt von Lautmalerei, eine Gangart vor Augen führt.

Das Verb nippen enthält neben dem denotativen Grungsem „trinken“ die lexischen Zusatzelemente „in kleinen Schlucken“, „mit Pausen“.

Offensichtlich beruht die Bildhaftigkeit der sinntragenden Wörter auf ihrer eigentlichen, nominativen Bedeutung – anders gesagt, sie ist ein inhärentes Merkmal der Lexeme im Sprachsystem.

Wenn ein Lexem sich gleichzeitig an mehrere Sinnesorgane wendet, wird seine Anschaulichkeit erhöht. Die optischen Eindrücke sind häufig mit kinästhetischen Reizen verbunden: Der Apfel hängt auf dem Zweig – er baumelt auf dem Zweig. Aus dem statischen wird ein dynamisches Bild.

 


Vergleiche

Wegen seiner Stellung zwischen den Mitteln der Bildhaftigkeit und Bildlichkeit bietet der Vergleich gewisse Klassifikationsschwierigkeiten. Versuchen wir dieses Stilistikum aus unterschiedlicher Sicht zu betrachten und zu systematisieren.

Dem Wesen und der pragmatischen Wirkung nach unterscheiden wir:

1. den Vergleich aufgrund direkter (eigentlicher) Bedeutung, mit rationaler, objektiv-präzisierender Aussageabsicht;

2. den Vergleich aufgrund metaphorischer, uneigentlicher Bedeutung, meist hyperbolisch zugespitzt, emotional und subjektiv bewertend.

Der rational präzisierende Vergleich kann zweifellos zu den Mitteln der Bildhaftigkeit eingereiht werden. So sagt die Mutter mit Stolz: Mein Sohn ist schon ebenso hoch wie sein Vater.

Rational präzisierende Vergleiche stecken oft in der eigentlichen Bedeutung adjektivischer und substantivischer Kleinkontexte (Komposita): honigsüß, messerscharf, mit Bienenfleiß (arbeiten).

Bemerkenswert, dass auch Termini und Fachausdrücke unterschiedlicher Bereiche objektiv- präzisierende Vergleiche im Bestimmungswort enthalten können. Ein Mantelgesetz ist ein Gesetz, das wie ein Mantel mehrere allgemeine Bestimmungen umfasst, die erst im Weiteren durch spezielle Verordnungen geregelt werden.

Die metaphorischen, hyperbolisch-emotionalen Vergleiche sind meist (aber nicht immer!) subjektiv bewertend. Ausschlaggebend zu ihrer Einreihung in diesen Unterpunkt ist die uneigentliche Bedeutung, in der Bildlichkeit mit Bildhaftigkeit vereint sein kann, vereint sein soll, um pragmatische Wirkung auf den Empfänger auszuüben. Du hast ja Nerven wie Stricke, sagt man bewundernd oder je nach der Situation auch gutmütig spottend zu jemand, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, also zu einem nervensrarken Menschen. Die Übertreibung führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grund- und dem Vergleichsbegriff.

Ein treffender bildlicher Vergleich trägt zur Sprachökonomie bei.

Eine weitere Klassifizierung ist die Klassifizierung der Vergleiche nach ihrer Häufigkeit und Verbreitung.

Aus dieser Sicht unterscheiden wir individuelle (okkasionelle), gemeinsprachliche (allmählich verblassende) und verblasste Vergleiche. In der schönen Literatur, in der Publizistik und im Alltagsverkehr stoßen wir häufig auf Einmalbildungen: Gerüchte waren wie ein Schwarm Krähen aufgeflogen (Remarque, Schatten im Paradies). Dieser Vergleich ist von starker Bildkraft. Ein so geglücktes Bild hätte alle Chancen, in den Sprachusus einzugehen, etwa als Ersatz für die völlig verblassten Wendungen: ein Gerücht geht, verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt.

Noch eine weitere Klassifikationsmöglichkeit, wieder aus anderer Sicht, betrifft die strukturelle Beschaffenheit: knappe, erweiterte und ausgebaute (geschlossene) Vergleiche.

Die knappen Vergleiche werden durch wie, als, als ob eingeleitet. In den ersten beiden Fällen folgen Vergleiche mit positiver Feststellung: er ist so alt wie du; er ist jünger als du, während mit als ob dem Sinn nach negative bzw. irreale Bilder entstehen: Du tust so, als ob du ein kleines Kind wärest.

Bei Fehlen des Einleitungswortes sprechen wir von der Engführung des Vergleichs: Sie betrat das Zimmer, eine Rose, eben erblüht. Damit beginnt allerdings schon der Übergang vom Vergleich zur Metapher.

Als knappste Form des Vergleichs darf man wohl ein Kompositum ansehen, in dem der Vergleich im Bestimmungswort eingeschlossen ist.

Die erweiterten Vergleiche enthalten eine beliebige nähere Bestimmung des Begriffs, mit dem verglichen wird: Er schwankte beim Gehen, wie ein Betrunkener.

Die geschlossenen Vergleiche werden in der Stiltheorie als Gleichnisse bezeichnet. Es gеht um die breit angelegten Bilder, bei denen entweder der Vergleichsbereich oder der Grundbereich angeschwellt ist.

Fassen wir das Wesentliche am kommunikativen bzw. stilistischen Ausdruckswert des Vergleichs zusammen: Er dient der Perspektiveverdoppelung, insofern er von der Ausgangsebene aus eine zweite Ebene mit neuer Sicht eröffnet. Die neue Sicht kann vom Rational-Präzisierenden über das Hyperbolisch-Emotionale bis zum Irrationalen führen. Dieses Stilistikum ist – in eigentlicher und in uneigentlicher Bedeutung – mehr oder weniger in allen Bereichen des gesellschaftlichen Verkehrs verbreitet.

 

Mittel der Bildlichkeit

Funktionale Verschiebungen als Vorstufe der Metapher. Unter funktionaler Verschiebung verstehen wir die Überführung einer unsuellen Wortbedeutung aus dem üblichen funktionalen Bereich in einen anderen, ungewohnten. Dies kann ein sprachlicher Lapsus oder ein gezieltes Stilmittel (oft Scherz, Spott) sein. Uns interessiert natürlich das letztere.

Nehmen wir den Fall an, jemand habe sich durch einen Sturz bei Glatteis das Schultergelenk ausgekegelt und kam in ärztliche Behandlung. „Mein Arm ist wunderbar repariert worden “ stellt der dankbare Patient fest. Das denotative Sem des Verbs reparieren ist: „wiederherstellen, in Ordnung bringen“. Repariert werden kann ein Gegenstand. Im neuen, scherzhaft formulierten Sinnzusammenhang ist die eigentliche paradigmatische Wortbedeutung erhalten geblieben; geändert hat sich, zusammen mit der neuen funktionalen Verwendung, die Fügungspotenz (Valenz). Hier können wir noch nicht von Bedeutungsübertragung sprechen, wir befinden uns auf der Vorstufe der Metapher.

 


Lexikalische Metaphern

Lexikalische Metaphern (d. h. Bedeutungsübertragung im aktiven Wortschatz) sind nicht zu verwechseln mit lexikalisierten Metaphern(d. h. erstarrten, verblassten).

Hauptmittel der bildlichen Ausdrucksweise ist die Metapher, eine Erscheinung, die nicht als Einzelwort, sondern als kleines „Stück Text“ zu verstehen ist. Man kann 2 Arten der Metaphern unterscheiden:

solche, bei denen das Sem der bildlichen Übertragung sich innerhalb einer lexischen Struktur befindet, und

solche, bei denen aufgrund emotionaler oder/und rationaler Vergleichsmöglichkeit ein gemeinsames Merkmal verschiedener lexischer Strukturen semantisch modifiziert wird. 

Zur Erscheinung des ersten metaphorischen Typs: In diesen Kähnen laufe ich mir Blasen über Blasen (Remanque, Im Westen nichts Neues). Kähne ist als Pluraletantum in den Soldatenjargon eingegangen – eine saloppe Bezeichnung für ausgetretene Schuhe. Auch Fremdsprachler, die diese Sonderbedeutung innerhalb der lexischen Struktur von Kahn (Boot) nicht kennen, erraten den Sinn dieser Metapher leicht, weil man sich ja nur durch schlechte Fuß bekleidung Blasen laufen kann.

Bei komplizierteren Bildern muss ein größerer Kontext herangezogen werden: Feuer lodert aus seinem Mund. Hier gibt der Aussagesatz allein noch keine ausreichende Information. Geht es um einen Zauberkünstler (Feuerspeier)? Oder um einen Vortragenden, dessen leidenschaftliche Worte das Publikum in Begeisterung versetzen? Zum vollen Verständnis fehlt noch die zusätzliche Mitteilung: Die zündende Rede verfehlt nicht ihre Wirkung.

Wenn wir ein einziges Lexem hören oder lesen, denken wir gewöhnlich an seine denotetive Bedeutung und stellen uns vor, wie und in welchem Zusammenhang dieses Wort determiniert werden kann. In der Lehre von der Metaphorik nennt man diese Einstellung Determinationserwartung.

Das Substantiv Radfahrer beispielsweise führt uns dank seiner gegenständlichen Bedeutung ein sinnliches Abbild der realen Wirklichkeit vor Augen. Wir erwarten eine Aussage, die uns etwa mitteilt, dass jemand täglich auf dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Diese Determinationserwartung wird aber getäuscht, wenn wir den folgenden Kontext betrachten: N. war an seiner Arbeitsstelle als Streber bekannt; niemand konnte diesen Radfahrer leiden. Dieser Sinnzusammenhang bringt eine unleugbare Konterdetermination, etwas völlig Unvorhergesehenes – eine getäuschte Erwartung.

Der metaphorische Text ist durch eine gewisse Doppelbödigkei t gekennzeichnet, insofern gleichzeitig zwei Assoziationslinien zusammenwirken, die zu verschiedenen Denotaten führen, aber doch durch ein gemeinsames Merkmal zueinander in Verbindung stehen. Zum richtigenVerständnis dieser Stilfigur müssen wir oft den Großkontext ins Auge fassen. In Bechers „Kinderschuhe aus Lublin“,

dieser Ballade in Form eines poetischen Mahnmals, begegnen wir der leitmotivischen Metapher Sonne in Lublin – einer gezielten Doppelsinnigkeit: Sonne – Krematoriumsofen. Das gemeinsame Merkmal besteht in der Hitze als lebensspendendes und lebensvernichtendes Element. Es ist ein gemeinsames und kontrastierendes tertium comparationis zugleich. Das Schildern zwischen den beiden Determinationsmöglichkeiten lässt den Leser/Hörer bald an die eigentliche, bald an die uneigentliche Bedeutung des Substantivs Sonne denken. So z. B.:

„Es wird euch nicht an Wärme fehlen,

Dafür sorgt unsere „Sonnenglut“...

(verspricht die Tante im Lager) und bald darauf:

Und dort, wo heiß die Sonne brannte,

Zählt sie uns nochmals vor dem Haus.

Wenn die ersten zwei Zeilen noch zwischen direkter und übertragener Bedeutung schwanken lassen, so weisen die nächsten zwei schon eher auf die unfassbare Barbarei des Vorgangs vor der Baracke hin.

Wie beim Vergleich, unterscheiden wir auch hier nach Häufigkeit und Verbreitung individuelle, gemeinsprachliche und verblasste sowie nach ihrer Struktur knappe, erweiterte und ausgebaute (geschlossene) Metaphern.

Besonders interessant ist die individuelle Metapher. Seit Cicero sieht man die Aufgabe einer „treffender Metapher“ in der Verbindung von fern- und nahliegenden Wirklichkeitserscheinungen. Je größer die Distanz, desto wirksamer sei die Übertragung der Wortbedeutung. Eine solche Ansicht vertreten mit besonderem Nachdruck die Dichter und Theoretiker des Expressionismus. Noch weiter, oft bis zum Absurden, geht diese Einstellung bei den Surrealisten. Derartige Bilder können gedankliche, gefühls- und willensmäßig motivierte Konnotationen hervorrufen und Phantasie des Empfängers anregen. Sie klären ihn aber – selbst mit Hilfe des abgeschlossenen Textes – nicht völlig über die Mitteilungsabsicht des Senders auf.

Wie H. Weinrich ausführt, soll nicht große Spannweite (d. h. Abstand zwischen den zu vergleichenden Denotaten), sondern im Gegenteil, geringe Spannweite die Information leichter aufnehmen lassen und von besonderer Wirkung sein. Weinrich gibt folgende Definition der kühnen Metapher: „... ein Sprachbild mit Überraschungseffekt, mit getäuschter Erwartung“.

Ob Fern- oder Nahmetapher, im Vorliegenden wird die Ansicht vertreten, dass die Originalität der individuellen Bilder nicht zur Verdunklung der Aussage führen darf, geschweige denn zur Störung der Verständigung zwischen den Kommunikationspartnern.

Bei jeder Metapher wird mehr oder weniger die semantische Kongruenz gestört, es kann eine semantische Unverträglichkeit (d. h. Unvereinbarkeit, Kontrast) der sinntragenden Wörter schon im Mikrokontext entstehen. So etwa in folgendem Textbeispiel aus dem Roman „Nackt unter Wölfen“ von B. Apitz: Angst flatterte in seinem Gesicht. Rein logisch genommen, könnte man fragen: Kann denn Angst flattern? Verträgt sich der Begriffsgehalt dieser beiden Wörter? Bildlich, ja.

Das unerwartete metaphorische Prädikat erweckt die Vorstellung, als ob die Angst gleich einem Vöglein mit unsteter Flugbewegung einen ruhigen Platz auf dem Gesicht des Menschen suche. Die Determination ist hier trotz der unerwarteten Valenz verständlich und sogar anschaulich.

Die Metapher kommt in allen funktionalen Stilen in stärkerer oder geringerer Frequenz vor – gewiss mit manchen Unterschiedlichkeiten in ihrem Wesen, der strukturellen Beschaffenheit und vor allem in ihrer pragmatischen Funktion. Wenn sie in der schönen Literatur ästhetische Wirkung, in der Publizistik hauptsächlich Appell, in der Alltagsrede Eindringlichkeit, Humor und Spott hervorruft, so dient sie in der Wissenschaft teils zur Benennung neuer Denotate, neuer Abstraktionen, aber darüber hinaus auch zur Veranschaulichung und Verlebendigung der Darstellung, zum leichteren Verständnis der Aussage.

Wieder stoßen wir, wie beim Vergleich, auf Metaphern im Mikrokontext zusammengesetzten Termini und Berufsausdrücke, so etwa: Die Tunnels wurden nach der Maulwurfmethode gebohrt. Mit Rübenguillotine ist eine Schneidemaschine bei der Rübenernte gemeint (in diesem Fall hätte eine glücklich erdachte individuelle Metapher alle Chancen, in den Sprachusus einzugehen).

Reich an Bildern in uneigentlicher Rede ist die Volkssprache in der Folklore wie im gewöhnlichen Alltagsleben. Sehen wir uns z. B. an, wie die Königstochter im Märchen vom „König Drosselbart“ an jedem Freier etwas auszusetzen hat: Der eine war ihr zu dick. „Das Weinfass!“ sprach sie... Der fünfte zu rot. „Der Zinshahn!“, der sechste war nicht gerad genug. „Grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet!“.

Abstrakte Begriffe werden gern durch konkrete Fakten aus dem täglichen Leben ersetzt. Wenn ein erwachsenes Mädchen von seiner Mutter tüchtig zusammengebügelt wird, entsteht sofort ein lebensnahes Bild vor unseren Augen: das Bügeleisen glättet einen zerknitterten Stoff – die Mutter bemüht sich, das Unebene im Charakter und in den Handlungen ihrer Tochter auszuglättern, d. h. auszugleichen.

Versuchen wir zusammenzufassen:

1. Unter Metapher verstehen wir die Namensübertragung von einem Denotat auf ein anderes aufgrund eines gemeinsamen Merkmals.

2. Die Metaphorisierung führt als Ergebnis entweder zur Benennung bisher noch unbenannten Denotate oder zur begrifflichen Präzisierung sowie zur emotionalen Veranschaulichung bereits bestehender Bezeichnungen für konkrete und abstrakte Gegebenheiten.

3. Der „semantische Mehrwert“ der Metapher erwächst aus dem Verhältnis des Wortes mit direkter Bedeutung zum Kontext; er beruht auf dem Zusammenschwingen von Grund- und Übertragungsbegriff, auf einer gewissen Zweischichtigkeit des Kommunikationsprozesses (Doppelbödigkeit, Unterschwelligkeit).

4. Bei jeder Metapher macht sich mehr oder weniger stark die semantische Unverträglichkeit der lexischen Elemente (in direkter Bedeutung) sowie deren ungewöhnliche Valenz bemerkbar. Anstelle der erwarteten Determination (Vorhersehbarkeit der Aussage) kann Konterdetermination erfolgen, eine getäuschte Erwartung, ein Überraschungseffekt, ein V-Effekt (Verfremdungseffekt).

5. Hier wird die Meinung vertreten, dass bei der kühnen Metapher das tertium comparationes keinesfalls so weit in den Hintergrund treten darf, dass die Bildlichkeit – zusammen mit der Bildhaftigkeit – fast oder völlig verbleicht. Als kühne Metaphern bezeichnen wir originelle Bilder, die letztlich im Gesamtzusammenhang die Mitteilungsabsicht des Senders aufdecken sol



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