Die Ursachen des Bedeutungswandels 


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Die Ursachen des Bedeutungswandels



Die Ursachen des Bedeutungswandels bilden den wichtigsten For­schungsgegenstand der traditionellen Semasiologie (Bedeutungslehre). Die Ursachen der Bedeutungsentwicklung können außersprachlich (extralinguistisch) und sprachlich (intralinguistisch) sein. Die allerwichtigste Ursache, die alle extralinguistischen Gründe verei­nigt, wird folgenderweise formuliert: „So ist die letzte und oberste Ursa­che des Bedeutungswandels in der Divergenz (дивергенция, расхождение) zwischen begrenzter Wort­zahl und Unendlichkeit der Erscheinungen gelegen“ (Kronasser, 1968, 192).

3.1. Extralinguistische Ur­sachen

Unter den wichtigsten extralinguistischen Ur­sachen sind die folgenden zu erwähnen (s. Stepanova, Cernyseva; Schippan):

1. Die gesellschaftliche Entwicklung lässt neue Begriffe und Nominationen entstehen (Neues im politischen, ökonomischen und kulturellen Leben; neue Begriffe und Erscheinungen aus Wissen­schaft, Technik und Produktion usw.).

Wie zeigt sich die Einwirkung der Gesellschaft, der geänderten so­zialen Verhältnisse auf die Wortbedeutung, den Bedeutungswandel? Hier einige Beispiele. Einer der Schlüsselbegriffe der modernen Zivilisation „Arbeit“ (ahd. ar(a)beit) hat im frühen Mittelalter „Mühe“, „Plage“, „Schmerz“ bedeutet, heute dagegen — „zielgerichtete, Nutzen bringen­de Tätigkeit“.Arbeit “ ist etymologisch verwandt mit „ arm “ (Paul H., Deutsches Wörterbuch. Halle, 1959. S. 38).

Prozesse der Bedeutungsentwicklung widerspiegeln Ver­änderungen im gesellschaftlichen Bewusstsein. Der mittelalterliche Mensch verband mit ehemals religiösen Begriffen das Element,wirklich existierend’: Engel, Teufel, Drache, Fegefeuer, Kobold, Hexe, Fee, Para­dies, Hölle. Mit dem Rückgang religiösen Sinnes erhalten diese Wörter die Bedeutungskomponente ,vorgestellt’,,imaginär’ und werden auf an­dere, nicht religiöse Bereiche übertragen: Engel — tertium comparationis (tc) = „hübsch, gutherzig“ -» Mädchen, Frau; Teufel — tc = „böse, grau­sam“ -» schlechter Mensch; Paradies — tc = „herrlicher Ort“ -> Ort des ungetrübten Glücks: Ferien-, Kinder-, Urlaubsparadies.

Der Bedeutungswandel vollzieht sich im Bereich der wissenschaftlichen Terminologie. Auf diesem Wege entstehen die Namen für neue Geräte, Werkzeuge, tech­nologische Vorgänge, Erzeugnisse, z.B.: Ameise, f— kleines Transport­fahrzeug mit Dieselantrieb; Hexe, f— Aufzug für Baumaterialien; Maus, f (EDV) — Eingabegerät; u. a.

 

2. Der Sachwandel kann auch einen Bedeutungswandel hervorrufen. Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung von Zivilisation und Technik werden Gebrauchsgegenstände, Geräte, Instrumente vervollkommnet, aber bei verändertem Denotat wird die alte Bezeichnung beibehalten.

Brille war ursprünglich eine aus Beryll (glasklarem Mineral mit Pris­menkristallen) verfertigte Augenlinse. Für die Linsen der ersten, um 1300 entwickelten Brillen, verwandte man geschliffene Berylle. Heute sagt man nach wie vor „Brille“, obwohl die Linsen nicht mehr aus Beryll, sondern aus Bergkristall oder Glas, dem viel billigeren Stoff, hergestellt werden.

In der Literatur werden oft Beispiele wie Brille, Bleistift, Feder, Schei­be, Tisch (aus griech.-lat. discus — „runde Scheibe“) genannt.

“Fenster“ wird als Lehnwort aus dem Lateini­schen in der Bedeutung „Lichtluke“, „Öffnung“ übernommen. Später wird auch das Glasfenster mit diesem Wort bezeichnet (vgl. Schippan, 1984,268).

3. Die kommunikativ-pragmatische Tätigkeit, die psychischen Ursachen, bei denen zu unterscheiden sind: a) das Streben nach Ausdrucksverstär­kung, der Affekt, die Emphase; b) das Streben nach Ausdrucksabschwächung, der Euphemismus (Verhüllung); c) das Streben nach kommuni­kativer Deutlichkeit; d) die Tendenz der Sprachökonomie, sprachlicher Konservatismus; e) Höflichkeit, Freundlichkeit; f) Scherz, Ironie; g) So­zialprestige.

Die Ausdrucksverstärkung. Dazu ge­hören vor allem die Tiermetaphern, die einen negativen Nebensinn besitzen. Sie werden als charakterisie­rende, bewertende Namen, oft als Schimpfwörter verwen­det: Affe — dumm, eitel; Esel — dumm und störrisch; Katze — falsch; Fuchs — schlau; Schlange — listig, heimtückisch; Schwein — schmutzig; unanstän­dig, gemein.

Affektgeladen sind die verstärkenden Adjektive und Ad­verbien. Sie geben einen hohen Grad der Qualität an: furchtbare / fürchterliche Angst, furchtbare / fürchterliche Hitze, sich furchtbar / fürch­terlich freuen (beinahe ein Oxymoron, auch russ. ужасно рад), schreckli­che Kälte; es dauert schrecklich lange; das ist wahnsinnig teuer / komisch. Da die Wirkung und Aussagekraft solcher Wörter schnell verloren geht, wird diese Lexik ständig erneuert und variiert: ein­wandfrei, fabelhaft, furchtbar, gigantisch, greulich, heiß; hinzu treten die Modewörter der Jugendsprache: echt, geil, affengeil, super, ätzend, voll.

Expressiv und emotional gefärbt sind die verstärkenden Halb­präfixe der Substantive und Adjektive — Hunde in: Hundewetter, hun­deelend, hundekalt; Bomben- in: Bombenerfolg, -geschäft, -Stimmung; Heiden- in: Heidenangst, -lärm; Höllen - in: Höllenbrand, -tempo; u. a.

Die kommunikativ-pragmatischen Einstellungen wie Scherz und Ironie fördern den Bedeutungswandel. Adjektive und Substantive mit positiver Wertung werden in bestimmten Wortverbindungen ironisch aufgefasst: feiner Herr, nette Geschichte, feine Dame, schöne/reizende Bescherung; du bist mir auch ein Held! (iron.).

Das menschliche Geltungsbedürfnis (честолюбие, тщеславие) ist auch ein Grund für die Bezeichnungsveränderung. Aus Prestigegründen hat man auf alte Be­zeichnungen verzichtet und neue Namen eingeführt: Reinigungskraft (statt „Putzfrau“), Entbindungspflegerin (statt „Hebamme“), Seniorenheim (für „Altersheim“). Solche Wörter können als eine Art Euphemismen ange­sehen werden.

4. Der Sprachgebrauch bedeutender Persönlichkeiten. Unter dem Einfluss des Sprachschaf­fens von Martin Luther haben zahlreiche deutsche Wörter ihre Be­deutung verändert, z.B.: Beruf, Buße, Empfängnis, Gerechtigkeit, Glau­be, Gnade, Sünde, fromm, gerecht. Die Bedeutung des Wortes „ Arbeit “, die noch bis Luther durch die Elemente „ Mühsal “, „ Not“, „Plage “ ge­prägt war, wurde von ihm umgeformt zur heutigen Bedeutung — „zweck­mäßige Tätigkeit, die den Lebensinhalt des Menschen ausmacht“. „ Be­ruf ” bedeutete vor Luther „Ruf, „Berufung“, zusätzliche Elemente „Amt“, „Tätigkeit “ gewann es durch ihn. Von Marx und Engels stammen Neuerungen im philosophischen und politökonomischen Be­griffssystem. Sie haben terminologisch festgelegt solche Begriffe und Ka­tegorien wie: Zufall, Notwendigkeit, Freiheit, Zweck, Wirkung, Wert, Mehrwert, Ware.

3.2. Linguistische (sprachliche) Ur­sachen

Die wichtigsten linguistischen (sprachlichen) Ur­sachen bestehen in folgendem.

1. Die Wechselbeziehungen zwischen dem Allgemeinwortschatz und den Fach- und Sonderwortschätzen (z. B. Technik, Medizin, Sport, Jugendlexik). Beim sozialen „Schichtenwechsel“ sind zwei Arten von Be­deutungswandel zu beobachten: a) Spezialisierung der Bedeutung — beim Übergang eines Wortes aus der Allgemeinsprache in die Gruppenwortschätze; b) Generalisierung, Verallgemeinerung der Bedeutung - beim Übergang eines Wortes aus der Fachlexik in die Allgemeinsprache.

Viele gemeinsprachliche Wörter sind durch metaphorische Bezeich­nungsübertragung zu Termini in der Fachle­xik geworden: Ameise (Techn.); Maus, Speicher, speichern (EDV); Netz— Eisenbahn-, Flug-, Verkehrs-, Fernseh-, Rundfunk-, Strom-, Telefonnetz; Zentrum — Ballungs-, Einkaufs-, Touristenzentrum.

Beim Wechsel in umgekehrter Richtung sind die folgenden Bereiche be­sonders produktiv und entwicklungsfähig: Technik, Medizin, Sport, Film und Theater. Aus Те с h n i k und Produktion kommen neue Bedeutungen:

anheizen 1. (den Ofen ~); 2. (ugs.) steigern: die Stimmung, j-s Interesse, die Debatte, die Inflation, den Konsum ~; ankurbeln — 1. (den Motor-); 2. in Schwung bringen: die Wirtschaft, die Produktion, das Geschäft, den Stoffwechsel ~; abschal­ten (ugs.) — nicht mehr konzentriert auf etw. achten (russ. отключиться).

Die M e d i z i n liefert metaphorisch gebrauchte Wörter und Wendun­gen für mehrere Bereiche der Politik, Wirtschaft, des Alltagslebens: wirtschaftlicher Kollaps, Verkehrsinfarkt, politische Kurzsichtigkeit, Kriegs­hysterie, Rüstungspsychose, Krebsgeschwür der Korruption, Wahlstress, galop­pierende Inflation; Anatomie des politischen Konflikts, Gewaltkur (Schockthe­rapie) der Wirtschaft.

2. Assoziative Beziehung zwischen den Abbildern, die in der Bedeutungserweiterung der semantischen Struktur ihren Niederschlag finden. Zwischen den lexisch-semantischen Varianten eines polysemen Wortes entstehen regelmäßige Beziehungen, die modelliert werden: hyperonymische, metaphorische und metonymische:

Bezeichnung: Tier – Körperteil des Tieres – Pflanze: Löwenzahn, Lövenmaul (львиный зев), Hahnenfuss (лютик);

Bezeichnungen: Natue – gesellschaftliche Bereiche: politische Atmosphäre, politisches Klima, Preise /Kredite einfrieren.

3. Die Formierung des Kontextes aufgrund der Transformierung der alten und der Entstehung der neuen Bedeutung desselben Wortes. Neubedeutungen sind möglich, weil jede lexisch-semantische Variante aus Semen besteht. Die einen von ihnen sind im Kontext unterdrückt, die anderen – betont, z. B.:

fallen - die Grundbedeutung besteht aus Semen: eine nach unten (1) gerichtete (2) Bewegung (3), Gegenstand (4):

Der Regen fällt. // (1, 2, 3). Der Weg fällt. // (1, 2, 4 transformiert).

Der Soldat fällt. // (stirbt), es fehlt das Sem “Bewegung”, “von oben”, d.h. alle Seme sind zurückgetreten, transformiert.

4. Die Verletzung der usuellen Valenz und Distribution kann Bedeutungswandel fördern und hemmen. Ellyptischer Gebrauch kann usuell werden (als Norm auftreten), so dass kontextuale Partner “mitgedacht” werden. Auf solche Weise lässt die gekürzte syntaktische Nachbarschaft eine neue Bedeutung entstehen. Die Frage - Sitzt er?- zieht den Hörer auf den Sinn“das Gefängnis”; Trinkt er? – auf das “Alkohol”. Sagt man von einem, er habe Namen / Temperament / Willen, da meint man einen guten Namen / starkes Temperament / starken Willen.

5. Durch Bezeichnungsübertragung (wie auch durch Wortbildung und Entlehnung) wird der Bedarf an Neubenennungen befriedigt. 1996-1997: Kuscheltier (zuerst bezeichnete das Wort “Stoff, Decken des Sofas ”, d.h. etwas Weiches, Gemütliches, dann kuscheln leitet sich vom franz. Verb se coucher - “sich niederlegen ”. Später kamen “ Wärme” und “ Weichheit” erweitert: Kuschelbär, -tier, -puppe, - Kuschelkissen, - ecke (1992), Kuscheligkeit (bezogen auf Textilien und Wohnmöbel). Die Bedeutung ist enorm ausgedehnt worden. So gab es den politischen Kuschelkurs (1993), dann: Heute schon gekuschelt? Nein? Liegen Sie nicht im Trend. Kuscheln heißt der Weichspüler für den harten Alltag.... Kuschelbücher mit Plüscheinband,... das Radio sendet Kuschelrock und Kuschelklassik...

 

In der traditionellen Semasiologie sind extralinguistische Ursachen des Bedeutungswandels am besten untersucht. Weniger erforscht sind innersprachliche Prozesse der Bedeutungs­entwicklung.

 

17. Основные типы изменения значений слов.



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