Der Begriff der Entlehnung. Arten und Formen der Entlehnung 


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Der Begriff der Entlehnung. Arten und Formen der Entlehnung



 

Die deutsche Sprache ist im Laufe ihrer Geschichte vielfach durch andere Sprachen bereichert worden, ebenfalls wurde deutsches Wortgut von anderen Völkern aufgenommen, z.B. im Russischen бухгалтер < Buchhalter, галстук < Halstuch; u.a.

Unter Entlehnung versteht man den Ent­lehnungsvorgang, d.h. die Übernahme fremden Sprachgutes sowie das Er­gebnis dieses Prozesses — das entlehnte fremde Sprachgut selbst.

Aktuell für die deutsche Lexikologie sind aus synchroner Sicht zwei Probleme:

1) die Bedeutung des entlehnten Wortgutes im lexikalisch-semantischen System, der Anteil der Fremd­wörter am deutschen Wortbestand;

2) wie fungiert die entlehnte Lexik in der sprachlichen Kommunikation.

Nach der A r t der Entlehnung werden abgegrenzt: Sach- und Wort­entlehnung und Wortentlehnung.

Bei der Sach- und Wortentlehnung wer­den aus der Sprache A fremde Formative übernommen, deren Denotate (Gegenstände, Erscheinungen) in der entlehnenden Sprache B neu oder unbekannt sind. Auf diesem Wege sind ins Deutsche lateinische Wörter eingedrungen. Sie betreffen Haus- und Straßenbau: Mauer (mürus), Straße (strata [via]), Fenster (fenestra), Ziege/(tegula) u. a.

Im 20. Jh. haben sich viele Angloamerikanismen als Sach- und Wort­entlehnungen im Deutschen eingebürgert: Camping, Computer, Fax, Pop-corn, Rock, Swimmingpool u. а.

Bei Wortentlehnungen werden fremdsprachliche Formative übernom­men, ihre Denotate sind in der entlehnenden Sprache bereits durch eigene Wörter ausgedrückt. Hier geht es um die Übernahme von Dublet­ten. Später differenzieren sie sich inhaltlich oder stilistisch: Charme, Scharm (aus dem Franz., 18. Jh.) für „Anmut", „Liebreiz"; An­gloamerikanismen (20. Jh.): Drink— „Getränk"; Job — „Arbeit"; Ma­nager— „Leiter (in einem Unternehmen)"; Service ['s0:gvis] — „Kun­dendienst", „Bedienung"; Ticket — „Fahr-, Flugkarte".

Nach der Entlehnungsform sind zu unterscheiden (Stepanova, Cernyseva, 2003, 49):

Fremdwortübernahme (formale, einfache, direkte Entlehnung). Fremde Formative werden in die entlehnende Sprache mit minimaler Abänderung aufgenommen: Datscha, Datsche (ostd., DDR) — „Land­haus", „Sommerhaus"; Bodybuilding— „körperliches Training zur Aus­bildung guter Körperformen".

Lehnprägung (осложнённое заимствование), d.h. Nachbildung des fremdsprachlichen Inhalts mit vorhandenen Mitteln der eigenen Spra­che. Hier lassen sich drei wichtige Unterarten feststellen: Lehnüberset­zung, Lehnübertragung und Lehnbedeutung.

a) Bei der Lehnübersetzung (калькирование) handelt es sich um eine Nachbildung der Morphemstruktur von Fremdwörtern. Es erfolgt eine Glied-für-Glied-Übersetzung (Morphem für Morphem, Wort für Wort), z.B. lat. consciencia — Gewissen; engl. cold war— der kalte Krieg.

b) Lehnübertragung ist eine freiere Wiedergabe der Morphem­struktur des fremden Wortes: lat. Patria (=Väter) — Vaterland; lat. bellum civile — Bürgerkrieg; engl. hobby-horse — Steckenpferd; russ. отличник — Bestarbeiter; Beststu­dent, Bestschüler.

c) Lehnbedeutung ist die Zuordnung einer fremdsprachlichen Be­deutung zu einem deutschen Formativ. So hat das Wort „Fall" (zu: fallen) unter dem Einfluss des lat. casus (zu: cadere — „fallen", auch im Russ. падеж <- падать) die terminologische Bedeutung „Kasus" angenommen. Neben der herkömmlichen Bedeutung „Person mit (abgeschlossener) Hochschulbildung" hat das Wort „Akademiker " eine aus dem Russischen übernommene Neubedeutung „Mitglied einer Akademie (der Wissen­schaften)". Unter dem Einfluss des Englischen entstanden die Neubedeutun­gen: Ebene: 3. Stufe, Niveau; Personen mit gleicher Verantwortung (engl. level): Verhandlungen auf höchster Ebene, auf Botschafter-, Mini­sterebene; Szene — „Bereich, in dem sich etw. abspielt": Rauschgift-, Musikszene (engl. scene).

Von diesen Formen der Fremdwortübernahme sind die Bezeichnungs­exotismen zu unterscheiden, die fremde Gegebenheiten, Einrichtungen benennen: Rubel, Kreml, Duma, Dollar, Cent, Wallstreet, Lord, Torero, Cowboy u. a.

Die Entlehnungsformen lassen sich folgenderweise zusammenfassen

 

Таблица c. 125

2. Wege der Übernahme

 

Viele Orts-, Gewässer- und Flurnamen (названия рек, лесов, отдельных местностей) im Osten Deutschlands (die ehem. DDR) erklären sich aus der slawischen Besiedlung. Bekannte Beispiele: Leip­zig (vgl. Липецк, poln. Lipsk); Dresden (< дрязги — Sumpfgegend, Дрезна bei Moskau); Rostock— Auseinanderfließen zweier Flüsse (vgl. Ростокино in Moskau); Schwerin < Зверин (Ort mitten in den Wäldern mit viel Wild); Brandenburg < бранный бор (= Schlachtwald).

Der Hauptweg der Übernahme in germanischer Zeit und im Mit­telalter war der direkte Kontakt (auf mündlichem Weg) zwischen den Sprachträgern. Später wirkte die literarische Entlehnung auf schriftlichem Wege stärker. Heute ist es der Hauptweg.

Außerdem unterscheidet man zwischen direkter und vermittelter (in­direkter) Entlehnung. Von direkter Entlehnung spricht man, wenn ein Wort aus einer Sprache in eine andere direkt übernommen wird. Man spricht von indirekter Entlehnung, wenn diese über ein drittes Land er­folgt: Meeting und Festival gelangten in die deutsche Sprache über russi­sche Vermittlung.

(Wenn ein deutsches Wort in eine andere Sprache (z. B. die französi­sche) in der frühesten Zeit übernommen wurde und später ins Deutsche zurückkommt, bezeichnet man diesen Weg als Rückentlehnung: Salon und Balkon wurden früher aus dem Deutschen entlehnt, in dem sie als Saal und Balken bekannt waren und sind.)

Sozialhistorische (sprachliche) Quellen und linguistische Ursachen der Entlehnung

Sozialhistorische Quellen

Die wichtigste Ursache der Übernahme fremden Sprachgutes bilden Kontakte und Verbindungen zwischen Völkern, Sprachen und Kulturen. Die höher entwickelten Länder üben politischen, ökonomischen, kulturellen Einfluss auf die Nachbarvölker aus. In bestimmten historischen Perioden verläuft der Entlehnungsprozess aktiver, in anderen dagegen lässt er nach.

Die Hauptquelle und die erste Art der Fremdwortübernahme (wie oben gezeigt) ist die Entlehnung des Wortes mit der Sache.

Als die wohl früheste Schicht gelten Entlehnungen aus dem Keltischen. Im 8.-7. Jh.v.Chr. besiedelten keltische Stämme Westeuropa, auch das Territorium des heutigen Deutschland. Wörter kelti­schen Ursprungs beziehen sich auf solche Gebiete, wie Landwirtschaft, Gesellschaftsordnung, Militärwesen: Amt, Reich, Burg, Held, Erbe, Beil, Eisen, Leder, leihen, reiten, welsch u.a. Vermutlich keltischer Her­kunft sind einige Orts- und Flussnamen: Rhein, Main, Donau, Worms.

In der Zeit der römischen Besetzung, vor der hochdeutschen Lautver­schiebung (vor dem 5. Jh.) wurde lateinisches Wortgut zusammen mit neuen Kulturbegriffen übernommen. Die Entlehnungen der ersten „Welle" betrafen ganze Sachbereiche:

Landwirtschaft, Acker-, Garten- und Weinbau: Pflanze- planta, Käse- caseus, Kohl - caulis;

Militärwesen: Kampf- campus, Wall - vallum, Straße- (via)strata, Meile - milia;

Bauwesen: Mauer-murus, Fenster-fenestra, Kammer- camera, Keller- cellarium, Ziegel - tegula;

Hauseinrichtung: Tisch - discus, Kessel - catillus, Pfanne - patina;

Handel: Markt - mercatus, Münze - moneta, Pfund - pondus.

Die Sprache bereichert sich durch kulturelle und ideologische Ein­flüsse. Mit der zweiten „Welle" brachte die Christianisierung (5. bis 9. Jh.) griechisches und lateinisches Wortgut mit sich. Neue Wörter sind mit religiösen Ansichten und kirchlichen Bräuchen verbunden: Engel (griech. ängelos), Kirche (griech. kyriakön „Haus des Herrn"), Pfaffe (griech. pappas), Kloster (lat. claustrum), Kreuz (lat. crux), Mönch (lat. monacus).

Im Mittelalter war das Latein die offizielle Sprache der Kirche und der Staatskanzleien, der Wissenschaft und der Schule. Das Klosterwesen war der Bildungsträger jener Zeit. Da der Schulunterricht auf lateinisch erteilt wurde, strömten ins Deutsche Wörter ein, die mit Bildung und Wissenschaft zusammenhängen: Schule (scöla), Tinte (tincta), Tafel (ta­bula), Kreide (creta), schreiben (scribere), dichten (dictare).

Die dritte „Welle" lateinischer Entlehnungen ist im Zeitalter des Humanismus (14.-16. Jh.) zu verzeichnen. Die entlehnten Wörter be­treffen solche Fachbereiche wie Buchdruck, Musik, Staatsverwaltung, aber insbesondere das Bildungswesen: Aula, Auditorium, Akademie, Abitur, Doktor, Professor, Examen, Fakultät, Zensur, studieren u. a. m.

Die Annahme des römischen Rechts förderte die Herausbildung der juristischen Terminologie. Lateinischer Herkunft sind solche Wörter wie: Familie, Prozess, Jura, Justiz, Klient, Advokat.

Seit der Zeit des Humanismus und der Renaissance bildet lateinisches und zum Teil griechisches Wortgut den Kern aller Wissenschaftssprachen und Terminologien. Griechische Wörter kamen ins Deutsche über das La­tein, das sind z. B. Bibliothek, Chor, Charakter, Katheder, Kirche. Zu den relativ neuen Bildungen des 19.-20. Jhs. gehören die Termini: Phonetik, Telefon, Dynamit, Vitamin, Kosmos, Kosmodrom (zuerst im russ.).

Zahlreiche Entleh­nungen aus dem Französischen. Man unterscheidet hier auch drei „Wel­len". Mehrere Begriffe kamen aus dem Wortschatz des fr. Rittertums, höfischen Lebens: Tanz, tanzen, Manier, Turnier, Panzer, Kristall, Rubin, Samt. Andere Wörter gehören jetzt zum Allgemeingut: Abenteuer, Platz, Preis, Palast, Turm, fein, klar, prüfen.

Die zweite Schicht bildete sich gegen Ende des 16. und im 17. Jh. heraus, in der so genannten „Alamodezeit". Es war eine Periode der Nachahmung von französischer Mode und Lebenshaltung. Vertreten sind verschiedene Bereiche: Bau- und Gar­tenkunst, Innenausstattung und Möbel, Essen und Trinken, Kleidung und Vergnügungen: Balkon, Fassade, Galerie (ital.-fr.), Loge, Garderobe, Salon, Möbel, Sofa, frisieren, Parfüm, Serviette, servieren, Torte, Limonade, amüsieren, Ballett, Ball, Dame u. а.

Die dritte Entlehnungsschicht als Folge der französischen bürgerlichen Revolution (1789) beeinflusste entscheidend den deutschen politischen Wortschatz: Revolu­tion, Republik, Klasse, Partei, Proletariat, Sozialismus, Terrorismus, Initiative (im politischen Sinn), Demokrat, Komitee, revolutionär, sozial, liberal, öffentliche Meinung, Fort­schritt u. a. Diese Wörter wurden mit der Zeit Internationalismen.

Entlehnungen aus dem Italienischen waren nicht so zahlreich wie aus demFranzösischen. Sie umfassen 2 historische Abschnitte:

1. vom 14. bis 16. Jh. – Entlehnungen, die mit den engen Handelsbeziehungen Süddeutschlands mit Oberitalien verbunden waren: Bank, Konto, Kredit, Risiko.

2. das 17. Und das 18. Jh. brachten fast ausschlieslich Fachwörter der Musik: Oper, Konzert, Mandoline, Arie, Solo, Bariton, Duett, Operette, Sopran.

Entlehnungen aus dem Englischen traten gegen Ende des 18. und im 19. Jh. auf. Aus dem Bereich der Technick wurden entlehnt: Ventilator, Koks, Patent, patentieren; Lehnübersetzungen: Pferdekraft, Pferdestärke (hose power);

aus Finanz- und Handlungsbeziehungen: Scheck, Banknote, Budget, Export;

aus der Politik: Koalition, Kolonisation, Kongress, Opposition, Meeting;

aus Haushalt und anderen Lebensbereichen: Beefsteak, Brandy, Bulldogge, Farmer, Klub u. a.

Englische Entlehnungen reißen bis ins 20. Jh. nicht mehr ab. Seit dem Beginn des 20. Jhs., besonders nach dem zweiten Weltkrieg, sind Entlehnungen aus dem amerikanischen Englisch

(Amerikanismen, bzw. Angloamerikanismen) zu verzeichen: Job, Hobby, Make-up, Teenager, Hitparade u.a.

Entlehnungen aus slavischen Sprachen umfassen 3 Perioden. Die erste bezieht sich auf die ältere Zeit vom 11. bis 14. Jh. Entlehnungen aus dieser Periode sind Bezeichnungen von Handelsobjekten, Lebensmitteln (deutsch-polnische Handelsbez-n): Zobel, Stieglitz, Zeisig, Quark, Gurke.

Die zweite Periode umfasst die Zeit vom 17. bis 19. Jh. Diese Entlehnungen beruhen teils auf dem Einfluß der russischen Literatur, teils auf der Übernahme bestimmter Gegenstände (auch Realienbezeichnungen): Grippe (Heiserkeit – хрип), Rubel, Kopeke, Taiga, Steppe, Tornister (ранец – воен.), Droschke, Wodka, Samowar.

Die Entlehnungen der dritten Periode sind eng mit der Oktoberrevolution und mit dem Aufbau des Sozialismus in der DDR 1945 verbunden: Volkswirtschaftsplan, Wandzeitung, Kulturhaus, Patenbetrieb, Brigade u.a.

Die Entlehnungen aus anderen europäischen und orientalischen Spra­chen haben im Deutschen sporadischen Charakter.



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