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Die Arten des Bedeutungswandels

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Die Erforschung des Bedeutungswandels und seiner Arten ist wohl das älteste Problem der Semasiologie. Die Arten oder Formen des Bedeutungswandels werden aus logischer und psy­chologischer Sicht analysiert.

  • Die logische Klassifikation (gegen Ende des 19. Jhs.) beruht auf dem quantitativen Vergleich des Bedeutungsumfangs vor und nach der Bedeutungsveränderung. S. U l l m a n n spricht vom „logischen Prinzip“.
  • Die psychologische Gliederung basiert auf Assoziationen. Ihre theo­retische Grundlage bilden psychologische Arbeiten, vor allem die von W.Wundt.

4.1. Logische Klassifikation. Nach logischer Klassifikation weist die neue Bedeutung — nach dem Prozess der Bedeutungsentwicklung — drei Möglichkeiten auf: sie ist im Umfang größer oder kleiner als die alte oder ist ihr gleich (aber übertragen, verlagert).

A. In der logischen Klassifikation sind drei Arten des Bedeutungswan­dels zu unterscheiden: 1) Bedeutungserweiterung, 2) Bedeutungsveren­gung, 3) Bedeutungsübertragung und -verschiebung.

I. Die Bedeutungserweiterung (Generalisierung der Bedeutung) ist die Erweiterung der Wortbedeutung nach dem Prozess des Bedeutungswandels. Die alte, engere Bedeutung dehnt sich auf neue Gegenstände, Prozesse und Sachverhalte aus. Beispiele:

machen — ein westgermanisches Wort (engl. to make), verwandt mit griech. massein („kneten“), russ. мазать („bestreichen, schmieren“), месить („kne­ten“). Als Grundbedeutung ist „kneten, formen, zusammenfügen “ (beim Lehm­bau), dann „ zurechtmachen, in Ordnung bringen“ anzunehmen. Das Verb „ma­chen “ mit verallgemeinerter Bedeutung gehört heute zu den Lexemen mit er­weiterter semantischer Grundlage (слова широкой семантики);

Sache — stammt aus der germanischen Rechtssprache und bezeichnete ur­sprünglich „ die Rechtssache, den Rechtsstreit vor Gericht “ (vgl.: Widersacher, Sachwalter— Rechtsverteidiger, Anwalt).

II. Die Bedeutungsverengung (Spezialisierung der Bedeutung) ist das Gegenstück zur Bedeutungserweiterung. Der ursprünglich weite Bedeutungsumfang verengt sich, die Bedeu­tung entwickelt sich vom Allgemeinen zum Einzelnen oder Besonde­ren:

fahren — bezeichnete ursprünglich jede Art der Fortbewegung wie gehen, rei­ten, schwimmen, im Wagen fahren, reisen. Davon zeugen noch Wendungen wie fahrendes Volk, fahrende Habe; einen Hinweis auf schnelle Bewegung enthalten die Ausdrücke: der Fuchs fährt aus dem Bau; er fuhr mit der Hand übers Gesicht; der Blitz ist in einen Baum gefahren. Im heuti­lgen Deutsch versteht man aber unter „fahren“ nur die Fortbewegung auf Wagen, Schiffen, mit der Bahn u.a.

Kunst — (von „können“ — ahd. kunnan — abgeleitet) — bezeichnet urspr. jede Art von Können: Bau-, Heil-, Koch-, Kriegs-, Staatskunst, auch Wissen, Wissen­schaft: die sieben freien Künste. Später erfolgte eine Einschränkung des Inhaltes auf künstlerische, schöpferische Betätigung des Menschen — schöne Kunst.

III. Bei der Bedeutungsübertragung werden neue Gegenstände und Sachverhalte mit bereits vorhandenen Formativen auf Grund einer Ähn­lichkeit oder Assoziation benannt. Genauer gesagt geht es in diesem Fall um Bezeichnungsübertragung.

l. Die Metapher (griech. meta — „über“,phero — „trage“) ist die Über­tragung der Namensbezeichnung auf Grund einer äußeren und inneren Ähn­lichkeit. Die Metapher ist ein Prozess (Metaphorisierung) und das Resul­tat der Bezeichnungsübertragung, z. B. Schlange — 2. „lange Reihe hin­tereinander stehender, wartender Menschen (auch Autos)“ ist eine über­tragene Bedeutung von Schlange — 1. „Schuppenkriechtier“. Funktional gesehen können die Metaphern eine benennende (nominative) Funktion erfüllen (Feldschlange — altes Geschütz mit kleinem Kaliber und langem Rohr; Papierschlange — серпантин) und eine wertende, expressive (oft abwertende) Funktion übernehmen: du falsche Schlange! (von einer Frau); Schlange, du lügst! (Schiller).

(In einem Text können die beiden lexikalisch-semantischen Varianten (direkte und übertragene Bedeutung) gleichzeitig realisiert werden. So entsteht eine Doppeldeutigkeit mit Humoreffekt, wie im DDR-Witz: Was macht ein DDR-Bürger, wenn er in der Wüste plötzlich eine Schlange sieht! — Er stellt sich sofort an.)

Je nach Anwendungsbereich unterscheidet man poetische (stilistische) und lexikalische (sprachliche) Metaphern. Die poetische Metapher ist ausdrucksvoller und bildhafter, sie fällt gleich auf, wird leicht erkannt: die Flamme der Liebe, ein Strom von Erinnerungen.

In jeder Sprachgemeinschaft sind die Gebrauchsmetaphern (тради­ционные метафоры-клише) gut bekannt und geläufig.

Je nach dem Typ der Ähnlichkeit unterscheidet man mehrere Abarten der Metapher. Als Grundlage der semantischen Übertragung dienen die Ähnlichkeit der Form und Lage (Schlange, Kopf eines Nagels, Rücken eines Messers, eines Buches, eines Berges, Tischbein, Brustkorb, Augapfel); die Ähnlichkeit der Farbe (Scharlach: Farbe, grellrot gefärbter Wollstoff; ansteckende Kinderkrankheit mit rotem Hautausschlag); die Ähnlichkeit der Funktion (neue Bedeutungen infolge des Sachwandels — s. oben: Feder; Fensterscheibe); Ähnlichkeit der Charakterzüge oder des Äußeren. Einen schönen Mann nennt man— Apollo, einen eifersüchti­gen — Othello, eine schöne Frau — Venus, Aphrodite, eine zänkische Frau — Xanthippe, einen reichen Mann — Krösus, einen Kunstförderer — Mäzen (nach Maecenas, dem Vertrauten des Kaisers Augustus, einem Gönner der Dichter Horaz und Vergil).

Verbreitet sind die Tiermeta­phern (vom Modell ‚Tier — Mensch’),: Esel, Kamel, Hund, Gans, Schlange, Schwein. Metaphorischen Sinn haben auch verbale Bildun­gen wie äffen, eseln, fuchsen, büffeln, ochsen, unken (каркать, пророчить беду).

Viele Metaphern stellen eine Übertragung vom Konkreten zum Abstrakten dar: Spur, f — 1. Abdruck des Trittes von Menschen, Tieren; Abdruck von Rädern im Boden, im Schnee; 2. (übertr.) Zeichen; Überreste: Spuren von Tränen, einer Krankheit, des Alters; Zweig, m — l. Ast; 2. Teilbereich, Fachrich­tung: ein Z. der Wissenschaft, der Industrie.

Eine besondere Art der Metapher ist die Personifizierung (Verlebendi­gung, Vermenschlichung). Das ist die Ausstattung unbelebter Erscheinun­gen mit Eigenschaften, Gefühlen, Handlungsweisen belebter Wesen, die Übertragung ‚belebt — unbelebt’: die Uhr geht, der Wind erhebt sich / legt sich, die Sonne lacht.

Manche von diesen Ausdrücken sind so gebräuchlich und alltäglich, dass sie nicht mehr als Metaphern empfunden werden: die Stun­de ist gekommen, ein Gerücht geht um, die Jahre gehen, seine Augen spre­chen.

Eine Sonderart der Metapher ist die Synästhesie (aus dem Griech. „zu­gleich wahrnehmen“), d. h. die Übertragung von einem Sinnesbereich auf einen anderen, z. B. von akustischer zu optischer Wahrnehmung: schreien­de, kreischende Farben; von optischer zu akustischer Wahrnehmung: helle Stimme, dunkle, helle Töne, trockene Worte, saftige Witze.

In der Stilistik werden aus kommunikativ-pragmatischer Sicht vier Arten der Metaphern ausführlich behandelt: Personifizierung, Allegorie (Frau Sorge; Frühling als lieblicher Jüngling; Sonne als Frau), Symbol (grün — Sinnbild der Hoffnung, des Gedeihens; rot — Sinnbild der Liebe und des Lebens, Taube — Sinnbild der Unschuld und des Friedens), Sy­nästhesie.

2. Die Metonymie (griech. meta — „über“, onoma — „Name“, wört­lich — „Umbenennung“) ist eine Art Bezeichnungsübertragung auf Grund mannigfaltiger logischer Beziehungen. Diese sind räumlicher, zeitlicher, ursächlicher (kausaler) Art, Beziehungen zwischen Handlung und ihrem Resultat, Subjekt der Handlung, Mittel und Werkzeug der Handlung, Raum (Behälter) und Inhalt u.a., z.B. Übersetzung als Prozess und Re­sultat der Handlung, Schlaukopf— ein schlauer Mensch, das ganze Haus — alle Bewohner des Hauses.

Ebenfalls wie bei der Metapher unterscheidet man die poetische (stilis­tische) und die lexikalische Metonymie. Poetische Metonymien sind meist Einmalbildungen und werden in der Stilistik erforscht: Schwarze Röcke, seidne Strümpfe, Weiße, höfliche Manschetten. (Heine)

Einige Beispiele für lexikalische Metonymie:

Mappe — urspr. „Landkarte“ (engl. map), dann metonymisch — „Umschlag(tuch) für Landkarten“, heute— „Aktendeckel, aus Pappe bestehende Hülle zum Aufbewahren von Papieren, Büchern“.

Messe — urspr. „kirchliche Feier“, dann — nach zeitlicher Assoziation — „Tag, an dem eine Messe gelesen wurde“ (daher: Kirchmesse, Kirmes), später — „der an solchem Festtag abgehaltene Jahrmarkt“, heute liegen zwei Homonyme vor: I. katholischer Gottesdienst; II. große (internationale) Ausstellung von neuen Warenmustern, bei der Geschäfte abgeschlossen werden: die Leipziger Messe.

Eine verbreitete Sonderart der Metonymie ist die Synekdoche (zu griech. „mit verstehen“) — die Namensübertragung auf Grund der Beziehung zwischen dem Ganzen und dessen Teil. Besonders häufig steht ein Teil stellvertretend für das Ganze, lat. pars pro toto: „Kiel“ statt „Schiff’, „der Römer“ statt „alle Römer“, „pro Kopf der Bevölkerung“ für „pro Einwohner“. Ersetzt wird etwas Allgemeines durch Besonderes, Abstraktes durch Konkretes, Gattung durch Art, Einzelwesen und umgekehrt. Weitere Beispiele für die Übertragung pars pro toto: er ist ein kluger Kopf (= ein kluger Mensch); er verdient sich sein Brot(= seinen Lebensun­terhalt) durch schwere Arbeit; das ist nicht für fremde Ohren bestimmt (andere dürfen es nicht wissen); mein Fuß wird nie deine Schwelle betreten (= ich werde nie dein Haus betreten).

Zur Synekdoche der ersten Art gehören die so genannten Bahuwrihi: das Bahuwrihi (sanskr. „viel Reis (habend)“ — metonymische Bezeichnung für einen reichen Mann) ist eine Zusammensetzung, die einen Menschen / eine Sache nach einem charakteristischen Merkmal benennt: nach einem Körperteil, Kleidungsstück: Dummkopf, Schlaukopf, Geizhals, Langbein, Langfinger (Taschendieb), Langohr (Esel), Pfeffersack (reicher Händler), Ritter Blaubart (Frauen­mörder), Blauhelm (UNO-Soldat), Blaujacke (Matrose), Blaustrumpf (gelehrte Frau).

Die zweite Abart der Synekdoche, wenn das Ganze den Teil vertritt (totum pro parte), ist weniger verbreitet, z. B. man sagt: Die gestrige Gesell­schaft war sehr interessant, aber gemeint sind ein paar Menschen; Wir ha­ben uns eine Ewigkeit nicht gesehen (in Wirklichkeit — ein paar Wochen).

  • Die metonymische Namensübertragung nach dem Modell “Raum, Ort” — die dort befindlichen Personen’: das Auditorium — 1. Hörsaal; 2. Zuhörerschaft; das ganze Haus / Dorf (alle Bewohner) war auf den Bei­nen.
  • Die Übertragung vom Behälter auf den Inhalt: Glas, Tasse, statt Tee, Kaffee; Flasche statt Bier, Wein u. a. — „Er trank rasch sein Glas leer“ (A. Seghers).
  • Das Modell ‚Kleidungsstück — Körperteil’ (und umgekehrt): Kragen bedeutete urspr. „Hals“. Die alte Bedeutung hat sich in festen Wortverbindungen erhalten wie: j-m/j-n den Kragen kosten (= den Hals, das Leben), bei j-m geht es um Kopf und Kragen (j-d ist in großer Gefahr).
  • Die Übertragung ‚Ort — was dort verfertigt wird, was aus diesem Ort stammt’ (Gerät, Getränk, Frucht, Stoff u.a.):

Baldachin, m (Traghimmel) < (ital.) Baldacco, ital. Bezeichnung für Bag­dad, urspr. „Seidenstoff aus Bagdad“;

Champagner, m (Schaumwein) — nach der franz. Landschaft Champagne;

Mokka, m (Kaffeesorte) — nach der jemenitischen Stadt Mokka am Roten Meer (früher: Hafen für Kaffee-Export);

Mosel, m — Wein von der Mosel;

  • Verbreitet sind metonymische Übertragungen vom Namen des Sach­schöpfers, des Erfinders aufsein Werk:

Ohm, n — Maßeinheit des elektrischen Widerstandes — nach dem deutschen Physiker Georg S. Ohm (1789-1854);

Röntgen, n — Maßeinheit für die Bestrahlungsdosis — nach dem deut­schen Physiker Wilhelm C. Röntgen (1845—1923), der Röntgenstrahlen ent­deckt hat; dazu: röntgen (j-n, etw. ~) — mit Röntgenstrahlen durchleuchten, untersuchen;

Gobelin, m — Wandteppich mit kunstvoll eingewirkten Bildern — nach ei­ner im 15. Jh. lebenden, aus Reims (Frankreich) stammenden Färberfamilie;

  • Die Namensübertragung vom Stoff auf den Gegenstand, der daraus hergestellt wird, kann man durch Beispiele veranschaulichen wie:

Aquarell, n (ital.) — urspr. Wasserfarben, daraufhin ein mit Wasserfarben ge­maltes Bild;

Gold — 1. wertvolles Edelmetall > Goldmünze, Geldstück aus l (vgl. Gul­den, eigtl. „der Güldene“): er bezahlt in G.; olympisches Gold (Goldmedaille); Schmuckstück aus 1: er schmückte sie mit G. und Edelsteinen; Tafelgeschirr: die Adligen speisten von G. und Silber,

  • Die Namensübertragung ‚Handlung, Prozess — Resultat der Hand­lung’: Sammlung, Sendung, Zeichnung; Ladung — 1. погрузка, загрузка; 2. груз, кладь; 3. (воен.) заряд; 4. (эл.) зарядка (аккумулятора).
  • Das Modell ‚abstrakter Begriff: Eigenschaft, Fähigkeit — Mensch als Träger dieser Eigenschaft’: Begabung: er hat B. zum Lehrer — er ist eine junge B. in der modernen Musik; er hat Talent — er ist ein großes Talent; die Schönheit der Natur, der Frau — sie ist eine berühmte Schön­heit.

3. Die dritte Art des Bedeutungswandels hängt mit Euphemismen zusammen. Unter Euphemismus (griech. eu „gut“ + pheme „Rede“) ver­steht man eine verhüllende, beschönigende, mildernde Umschreibung für ein anstößiges oder unangenehmes Wort (und entsprechende Begriffe). Anders sagt man „Verhüllung“, „Hüllwort“, z.B.: „geistige Umnach­tung“ für Wahnsinn oder „einschlafen“, „entschlummern “ für sterben. Der Gebrauch von verhüllenden Ausdrücken kann Grund für die Be­deutungsentwicklung sein. Unter dem Einfluss der verhüllenden Wort­verbindung „in anderen Umständen sein“ (= schwanger sein) entstan­den solche Komposita wie: Umstandsbadeanzug, -kleid, -kleidung (одежда для беременных женщин).

Je nach der Herkunft und der kommunikativ-pragmatisehen Intention lassen sich die Euphemismen in vier Gruppen eintei­len (s. Iskos, Lenkowa, 1970, 159); religiöse, sozial-moralische, gesell­schaftlich-ästhetische und politische.

1. Religiöse Euphemismen entstanden aus Aberglauben und Furcht vor natürlichen und übernatürlichen Wesen in alter Zeit. Diese Erschei­nung wurzelt im Tabu (polynesisch — „verboten“) der Naturvölker. Das war die Vorschrift und Praxis, bestimmte Gegenstände, Personen, Tiere zu meiden. Religiöse Euphemismen (ehemalige Tabuwörter) sind z.B.
der Allwissende, der Allmächtige, Er, der himmlische Richter für „Gott“, der Böse, der Schwarze, der Versucher, Gottseibeiuns für den „Teufel“, der Braune (das Tabuwort ahd. bero) für „Bär“. Dieses große Tier war ge­fürchtet, man hütete sich, seinen Namen auszusprechen.

2. Sozial-moralische Euphemismen werden durch ethische Nor­men der Gesellschaft bedingt. Um die Schattenseiten des Lebens irgend­wie zu beschönigen und zu verhüllen, bedient man
sich mildernder Umschreibungen. Das betrifft solche negativen Erschei­nungen wie das Trinken, den Diebstahl, die Prostitution, die Leidenschaft für das Kartenspiel und andere Laster. „Lügen“ wird durch dichten, fantasieren, die Wahrheit verschweigen, spinnen umschrieben. So sagt man statt „sich betrinken“, „betrunken sein“: sich benebeln, zu tief ins Glas gesehen/geguckt haben, zu viel auf die Lampe gießen; angeheitert, berauscht, blau, veilchen­blau sein, schief/schwer geladen haben.

3. Gesellschaftlich-ästhetische Euphemismen entstanden als gesunde Reaktion auf Verstöße gegen den Anstand und angenommene Verhaltens­normen. Direkte Bezeichnungen für physiologische Prozesse und Zustän­de werden gemieden oder umschrieben: statt „dicke Frau“ sagt man „korpulente, vollschlanke, mollige Dame“, transpirieren steht für „schwitzen“, „ riechen und duften “ — für „stinken“ usw. Das Wort „schwanger“ wird euphemistisch ersetzt durch die Wendungen: sie ist in anderen Umständen, guter Hoffnung, gesegneten Leibes; statt „gebären“ sagt man: dem Kinde das Leben schenken, das Kind zur Welt bringen.

Scherz und Selbstironie sind oft Anlässe zum Gebrauch sol­cher Ausdrücke wie Zweitfrisur für „Perücke“, dritte Zähne für „künstli­ches Gebiss“.

4. Politische Euphemismen dienen der Verschleierung und Tarnung tatsächlicher Sachverhalte. In bestimmten Si­tuationen werden heute als verhüllende Wörter solche Lexeme angese­hen, wie Abwicklung (zuweilen im Sinne „Schließung der Betriebe und Institutionen“), Engpass (Mangel; beschränkt verfügbare Materialien, Arbeitskräfte), Nullwachstum (Stagnation), Minuswachstum (Produkti­onsrückgang).

4.2. Psychologische Klassifikation. Neben der logischen Gliederung der Arten von Bedeutungswandel besteht eine psychologische Klassifikation. H. Paul und A. Wa a g spra­chen auch von der Werterhöhung und Wertsenkung der Wörter. So kann man im Rahmen der Bedeutungsverengung zwei psychologisch bedingte Prozesse betrachten: a) Bedeutungsverbesserung (Wertsteigerung, semantische Melioration): Marschall (eigentlich: Stallknecht); Genosse (früher: „der dasselbe Vieh hat“); Minister (von lat. minus, eigtl. „der geringere, Diener“); b) Bedeutungs-verschlechterung (Wertmin­derung, semantische Pejoration): gemein (früher: zusammengehörig, jetzt — schlecht, niederträchtig); Dirne (früher: Dienerin, jetzt — „käuf­liches Mädchen “); Knecht (engl. knight „Ritter“, früher: nahe mit „Kna­be, Knappe, Edelknecht “).

 

18. Иноязычные заимствования. Пути заимствования. Лингвистические причины заимствования.



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