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Wie Siegfried nach Worms kam

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Dem Herren mühte selten irgend ein Herzeleid.

Er hörte Kunde sagen wie eine schöne Maid

In Burgonden wäre, nach Wünschen wohlgetan,

Von der er bald viel Freuden und auch viel Leides gewann. (47)

 

Das Lob ihrer Schöne vernahm man weit und breit,

Und auch ihr Hochgemüte ward zur selben Zeit

Bei der Jungfraue viel Helden wohlbekannt:

Das lud da viel der Gäste König Gunthern in das Land. (48)

 

So viel man auch der Werbenden um ihre Minne sah,

Kriemhild in ihrem Sinne sprach dazu nicht ja,

Dass sie einen wollte zum geliebten Mann:

Gar fremd noch war ihr jener, dem sie bald ward untertan. (49)

 

Da dacht auf hohe Minne der Sieglinde Kind:

Der andern Werben alle war wider seins ein Wind.

Er mochte wohl verdienen schöner Frauen Leib.

Bald ward die edle Kriemhild des kühnen Siegfriedes Weib. (50)

 

Ihm rieten seine Freunde und die in seinem Lehn,

Hab er stete Minne sich zum Ziel ersehn,

So soll' er eine werben, der er sich nicht zu schämen.

Da sprach der edle Siegfried: “So will ich Kriemhilden nehmen, (51)

 

Die schöne Jungfraue von Burgondenland,

Ob ihrer großen Schöne. Das ist mir wohlbekannt,

Kein Kaiser sei so mächtig, würb er um ein Weib,

Dem nicht zu minnen ziemte der reichen Königin Leib.” (52)

 

Diese Märe hörte der König Siegmund.

Es sprachen seine Leute: also ward ihm kund

Seines Kindes Wille. Es war ihm höchlich leid,

Dass er werben wolle um diese herrliche Maid. (53)

 

Die Königin auch erfuhr es, die edle Sieglind:

Die musste große Sorge tragen um ihr Kind,

Denn sie kannte Guntern und die in seinem Bann;

Das Werben man dem Degen sehr zu verleiden begann. (54)

 

Da sprach der kühne Siegfried: “Viel lieber Vater mein,

Ohn edler Frauen Minne wollt ich immer sein,

Wenn ich nicht werben dürfte nach Herzensliebe frei.”

Was jemand reden mochte, so blieb er immer dabei. (55)

 

“Und willst dus nicht vermeiden,” der König sprach da so,

“So bin ich deines Willens von ganzem Herzen froh

Und will dirs fügen helfen, so gut ich immer kann;

Doch hat der König Gunther manchen hochfährtgen Mann. (56)

 

“Und wär es anders niemand als Hagen der Degen,

Der kann im Übermute wohl der Hochfahrt pflegen,

So dass ich sehr befürchte, es mög uns werden leid,

Wenn wir werben wollen um diese herrliche Maid.” (57)

 

“Was mag uns gefährden?”, hub da Siegfried an:

“Was ich mir nicht im Guten dort erbitten kann,

Will ich schon sonst erwerben mit meiner starken Hand.

Ich will von ihm erzwingen die Leute und auch das Land.” (58)

 

“Leid ist mir deine Rede,” sprach König Siegmund,

“Und würde diese Märe dort am Rheine kund,

So dürftest du wohl nimmer in König Gunthers Land.

Gunther und Gernot, die sind mir lange bekannt. (59)

 

“Mit Gewalt erwerben kann niemand die Magd,”

Sprach der König Siegmund, “das ist mir wohl gesagt;

Willst du jedoch mit Recken reiten in das Land,

Die Freunde, die wir haben, die werden eilends besandt.” (60)

 

“So ist mir nicht zu Mute,” fiel ihm Siegfried ein,

“Dass ich mit Recken sollte reiten an den Rhein.

Nicht mit einer Heerfahrt — das wäre mir wohl leid,

Sollt ich damit erzwingen diese herrliche Maid. (61)

 

“Ich will sie wohl erzwingen allein mit meiner Hand.

Ich reite selbzwölfter in König Gunthers Land:

Dazu sollt ihr mir helfen, Vater Siegmund.”

Da gab man seinen Degen zu Kleidern grau und auch bunt. (62)

 

Da vernahm auch diese Märe seine Mutter Sieglind.

Sie begann zu trauern um ihr liebes Kind:

Sie bangt' es zu verlieren durch König Gunthers Bann:

Gar sehr die edle Königin darob zu weinen begann. (63)

 

Siegfried der Degen ging hin, wo er sie sah.

Wider seine Mutter gütlich sprach er da:

“Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein,

Wohl denk ich ohne Sorgen vor allen Feinden zu sein. (64)

 

Und helft mir zu der Reise nach Burgondenland,

Dass mich und meine Recken ziere solch Gewand,

Wie so stolze Recken mit Ehren mögen tragen:

Ich will dafür in Wahrheit den Dank von Herzen euch sagen.” (65)

 

“Ist dir nicht abzuraten,” sprach Frau Siegelind,

“So helf ich dir zur Reise, mein einziges Kind,

Mit dem besten Staate, den je ein Ritter trug,

Dir und den Gesellen: Ihr sollt des haben genug.” (66)

 

Da neigte sich der Königin Siegfried der junge Mann.

Er sprach: “Nicht mehr Gesellen nehm ich zur Fahrt mir an,

Als der Recken zwölfe: verseht die mit Gewand;

Ich möchte gern erfahren, wie's um Kriemhilde bewandt.” (67)

 

Da saßen schöne Frauen über Nacht und Tag,

Dass ihrer selten eine der Ruhe eher pflag,

Bis man gefertigt hatte Siegfriedens Staat.

Er wollte nun mitnichten seiner Reise haben Rat. (68)

 

Sein Vater hieß ihm zieren sein ritterlich Gewand,

Womit er räumen wollte König Siegmunds Land.

Ihre lichten Panzer, die wurden auch bereit

Und ihre festen Helme, ihre Schilde schön und breit. (69)

 

Nun sahen sie die Reise zu den Burgonden nahn.

Um sie begann zu sorgen, beides, Weib und Mann,

Ob sie wohl wiederkämen in ihrer Heimat Land.

Sie geboten aufzusäumen die Waffen und das Gewand. (70)

 

Schön waren ihre Rosse, ihr Reitzeug goldesrot:

Wenn wer sich höher däuchte, so war es ohne Not,

Als der Degen Siegfried und die in seinem Bann.

Nun bat er, dass er Urlaub nach Burgondenland gewann. (71)

 

Den gaben ihm mit Trauern König und Königin.

Er tröstete sie beide mit minniglichem Sinn

Und sprach: “Ihr sollt nicht weinen um den Willen mein;

Immer ohne Sorgen sollt ihr um mein Leben sein.” (72)

 

Es war leid den Recken, auch weinte manche Maid;

Sie hatten wohl im Herzen gefunden den Bescheid,

Sie müsstens einst entgelten durch lieber Freunde Tod.

Sie hatten Grund zu klagen, es schuf ihnen wahrlich Not. (73)

 

Am siebenten Morgen zu Wormes an dem Strand

Ritten schon die Kühnen: da war all ihr Gewand

Aus rotem Gold gewoben, ihr Reitzeug wohlgetan;

Die Rosse gingen eben den Degen in Siegfrieds Bann. (74)

 

Neu waren ihre Schilde, licht und breit genug,

Und gar schön die Helme bei dem Hofeszug

Siegfried des kühnen in König Gunthers Land.

Man ersah an Helden nie so herrlich Gewand. (75)

 

Der Schwerter Enden gingen nieder auf die Sporen,

Scharfe Spieße führten die Ritter auserkoren,

Von zweier Spannen Breite war welchen Siegfried trug;

Der hatt an seiner Schneide grimmer Schärfe genug. (76)

 

Die goldfarbnen Zäume führten sie an der Hand;

Der Brustriem war von Seide: So kamen sie ins Land.

Da gafften sie die Leute allenthalben an,

Entgegen liefen ihnen die Recken in Gunthers Bann. (77)

 

Die hochbeherzten Degen, Ritter so wie Knecht,

Die gingen zu den Herren, so war es Fug und Recht,

Die Gäste zu empfangen in ihrer Herren Land;

Sie nahmen ihnen die Pferde mit den Schilden von der Hand. (78)

 

Da wollten sie die Rosse nach den Ställen ziehn;

Wie sprach da so geschwinde Siegfried der Degen kühn:

“Lasst uns stehn die Pferde, mir und den meinen dort:

Wie mir ist zu Mute, so reit ich bald wieder fort. (79)

 

“Wem die Märe kund ist, der lasse sich befragen.

Wo ich den König finde, das soll man mir sagen,

Gunther den reichen aus Burgondenland.”

Da saget' es ihm einer, dem es wohl war bekannt. (80)

 

“Wollt ihr den König finden, das mag gar wohl geschehn.

In jenem weiten Saale hab ich ihn gesehn

Unter seinen Helden; da geht zu ihm hinan,

So mögt ihr bei ihm finden manchen herrlichen Mann.” (81)

 

Nun war auch dem König die Märe schon gesagt,

Dass gekommen wären Ritter unverzagt:

Sie führten reiche Harnische und herrliche Gewand;

Sie erkenne niemand in der Burgonden Land. (82)

 

Den König nahm es Wunder, woher gekommen sei'n

Die herrlichen Recken im Kleid von lichtem Schein,

Und mit so guten Schilden, so neu und so breit:

Dass ihm das niemand sagte, das war König Gunthern leid. (83)

 

Da sprach zu dem König von Metz Herr Ortewein,

Reich und kühnes Mutes mochte der wohl sein:

“Da wir sie nicht erkennen, so heißet jemand gehn

Nach meinem Oheim Hagen: dem sollt ihr sie lassen sehn. (84)

 

“Dem sind wohl kund die Reiche und alles fremde Land:

Hat er von ihnen Kunde, das mach er uns bekannt.”

Der König ließ ihn holen und die in seinem Lehn:

Man sah ihn stolzes Schrittes mit Recken nach Hofe gehn. (85)

 

Warum nach ihm der König, frug Hagen da, gesandt?

“Es sind in meinem Hause Degen unbekannt,

Die niemand weiß zu nennen: Habt ihr sie je gesehn,

Das sollst du mir, Hagen, nach der Wahrheit gestehn.” (86)

 

“Das will ich,” sprach Hagen. Zum Fenster schritt er drauf,

Da ließ er nach den Gästen den Augen freien Lauf.

Es gefiel ihm ihr Geräte und auch ihr Gewand;

sie waren ihm gar fremde in der Burgonden Land. (87)

 

Er sprach: “Woher die Recken auch kamen an den Rhein,

Es mögen selber Fürsten oder Fürstenboten sein.

Schön sind ihre Rosse und ihr Gewand ist gut;

Von wannen sie auch kommen, es sind Helden hochgemut.” (88)

 

Also sprach da Hagen: “Ich will euch gestehn,

Ob ich gleich im Leben Siegfrieden nicht gesehn,

So will ich doch wohl glauben, wie es damit auch steht,

Dass er es sei, der Degen, der so herrlich dorten geht. (89)

 

“Er bringet neue Märe her in dieses Land:

Die kühnen Nibelungen schlug des Helden Hand,

Die reichen Königssöhne Silbung und Nibelung;

Er wirkte große Wunder mit des starken Armes Schwung. (90)

 

“Als der Held alleine ritt ohne Hilf und Macht,

Fand er an einem Berge, so ward mir hinterbracht,

Bei König Niblungs Horte gar manchen kühnen Mann;

Sie waren ihm gar fremde, bis er hier die Kunde gewann. (91)

 

“Der Hort König Niblungs ward hervor getragen

aus einem hohlen Berge: Nun höret Wunder sagen,

Wie ihn teilen wollte der Nibelungen Bann.

Das sah der Degen Siegfried, den es zu wundern begann. (92)

 

“So nahe kam er ihnen, dass er die Degen sah

Und ihn die Helden wieder. Der eine sagte da:

Hier kommt der starke Siegfried, der Held aus Niederland.

Seltsame Abenteuer er bei den Nibelungen fand. (93)

 

“Den Recken wohl empfingen Schilbung und Nibelung.

Einhellig baten die edeln Fürsten jung,

Dass ihnen teilen möchte den Hort der werte Mann:

Das begehrten sie, bis endlich ers zu geloben begann. (94)

 

“Er sah so viel Gesteines, wie wir hören sagen,

Hundert Doppelwagen, die möchten es nicht tragen;

Noch mehr des roten Goldes von Nibelungenland:

Das alles sollte teilen des kühnen Siegfriedes Hand. (95)

 

“Sie gaben ihm zum Lohne König Niblungs Schwert:

Da wurden sie des Dienstes gar übel gewährt,

Den ihnen leisten sollte Siegfried der Degen gut.

Er konnt es nicht vollbringen: Sie hatten zornigen Mut. (96)

 

* “So musst er ungeteilet den Schatz lassen stehn.

Da bestritten ihn die Degen in der zwei Könge Lehn.

Mit ihres Vaters Schwerte, das Balmung war genannt,

Stritt ihnen ab der Kühne den Hort und Nibelungenland. (97)

 

“Da hatten sie zu Freunden kühne zwölf Mann,

Das waren starke Riesen: Was konnt es sie verfahn?

Die erschlug im Zorne Siegfriedens Hand

Und siebenhundert Recken zwang er vom Nibelungenland (98)

 

“Mit dem guten Schwerte, das Balmung war genannt.

Viel der jungen Degen, vom Schrecken übermannt,

Den vor dem Schwert sie hatten und vor dem kühnen Mann,

Das Land mit den Burgen machten sie ihm untertan. (99)

 

“Dazu die reichen Könige, die schlug er beide tot;

Er kam durch Alberichen darauf in große Not:

Der wollte seine Herren rächen allzuhand,

Eh er die große Stärke noch an Siegfrieden fand. (100)

 

“Da war ihm nicht gewachsen der gewaltge Zwerg:

Wie die wilden Leuen liefen sie an den Berg,

Als er die Tarnkappe Albrichen abgewann.

Da war des Herr des Hortes Siegfried der furchtbare Mann. (101)

 

“Die sich getraut zu fechten, die lagen all erschlagen:

Er ließ den Hort wieder nach dem Berge tragen,

Woraus ihn erst genommen die in Niblungs Bann:

Alberich der starke das Amt des Kämmrers gewann. (102)

 

“Erst musst ihm Eide schwören, er dien ihm als sein Knecht,

Mit allerhand Diensten ward er ihm gerecht,”

So sprach von Tronje Hagen: “Das hat der Held getan:

Also große Kräfte nie mehr ein Recke gewann. (103)

 

Noch ein Abenteuer ist mir von ihm bekannt:

Einen Linddrachen schlug des Helden Hand;

Da er im Blut sich badete, ward hörnern seine Haut:

Nun versehrt ihn keine Waffe: Das hat man oft an ihm geschaut. (104)

 

Drum rat ich, dass den Jüngling man wohl empfangen soll,

Damit wir nicht verdienen des schnellen Recken Groll;

Er ist so schön von Wuchse, man seh ihn freundlich an:

Er hat mit seinen Kräften so manche Wunder getan.” (105)

 

* Da sprach der reiche König: “Fürwahr, du hast wohl recht.

Wie ritterlich er dasteht, als gält es ein Gefecht,

Dieser kühne Degen und die in seinem Lehn!

Wir wollen ihm entgegen hinab zu dem Recken gehn.” (106)

 

* “Das mögt ihr,” sprach da Hagen, “mit allen Ehren schon:

Er ist von edelm Stamme, eines reichen Königs Sohn;

Auch hat er die Gebärde, mich dünkt, beim Herren Christ,

Es sei nicht kleine Märe, warum er hergeritten ist.” (107)

 

Da sprach des Landes König: “Nun sei er uns willkommen,

Er ist kühn und edel, das hab ich wohl vernommen:

Des soll er genießen in Burgondenland.”

Da ging der König Gunther hin wo er Siegfrieden fand. (108)

 

Der Wirt und seine Gäste empfingen so den Mann,

Dass wenig an dem Gruße gebrach, den er gewann;

Des neigte sich vor ihnen der Degen ausersehn,

Weil ihm so recht freundlich die Grüße waren geschehn. (109)

 

“Mich wundert,” sprach der König Gunther allzuhand,

“Woher ihr, edler Siegfried, gekommen in dies Land,

Oder was ihr suchen wollet zu Wormes an dem Rhein?”

Da sprach der Gast zum König: “Das soll euch unverholen sein. (110)

 

Ich habe sagen hören in meines Vaters Land,

An euerm Hofe wären (das hätt ich gern erkannt)

Die allerkühnsten Recken (so hab ich oft vernommen),

Die je gewann ein König: Darum bin ich hieher gekommen. (111)

 

So hör ich auch euch selber Mannheit zugestehn,

Man habe keinen König noch so kühn gesehn.

Das rühmen viel die Leute über allem diesem Land:

Nun kann ichs nicht verwinden, bis ich die Wahrheit befand. (112)

 

Ich bin auch ein Recke und soll die Krone tragen:

Ich möcht es gerne fügen, dass sie von ihr sagen,

Dass ich mit Recht besäße die Leute wie das Land;

Mein Haupt und meine Ehre setz ich gern dafür zum Pfand. (113)

 

Seid ihr nun so verwogen, wie euch die Sage zieht,

So frag ich nicht, ists Jemand lieb oder leid:

Ich will von euch erzwingen was euch angehört,

Das Land und die Burgen unterwerf ich meinem Schwert.” (114)

 

Der König war verwundert und all sein Volk umher,

Als sie vernommen hatten sein seltsam Begehr,

Dass er des Willens wäre, zu nehmen ihm sein Land:

Das hörten seine Recken, die wurden zornig zuhand. (115)

 

“Wie hätt ich das verdienet?”, sprach Gunther der Degen,

Wes mein Vater lange mit Ehre durfte pflegen,

Dass wir das sollten missen durch jemands Überkraft?

Das wäre schlecht beweisen, dass wir auch pflegen Ritterschaft!” (116)

 

“Ich kann es nicht verwinden,” fiel ihm der Kühne drein,

“Es mag vor deiner Herrschaft dein Land befriedet sein:

Ich will es nun verwalten; doch auch das Erbe mein,

Erwirbst du es durch Stärke, es soll dir untertänig sein. (117)

 

“Dein Erbe und das meine, gleich sollen beide liegen;

Und wer dann von uns beiden den andern mag besiegen,

Dem soll es alles dienen, die Leute wie das Land.”

Dem widersprach da Hagen und auch Gernot zuhand. (118)

 

“So stehn uns nicht die Sinne,” sprach da Gernot,

“Nach neuen Lands Gewinne, dass jemand sollte tot

Vor Heldeshänden liegen: Reich ist unser Land,

Das uns mit Recht gehorsamt, zu niemand besser bewandt.” (119)

 

Da standen grimmen Mutes umher die Freunde sein;

Da war auch darunter von Metz Herr Ortewein:

Der sprach: “Diese Sühne ist mir von Herzen leid:

Euch ruft der starke Siegfried ohn allen Grund in den Streit. (120)

 

Steht ihr und eure Brüder ihm auch nicht zur Wehr,

Und ob er bei sich führte ein ganzes Königsheer,

So wollt ichs doch erstreiten, dass der kühne Held

Also hohen Übermut mit gutem Recht bei Seite stellt.” (121)

 

Darüber zürnte mächtig der Held von Niederland:

“Nicht wider mich vermessen darf sich deine Hand:

Ich bin ein reicher König, du bist in Königs Lehn;

Wohl dürfen deiner Zwölfe mit Streit mich nimmer bestehn.” (122)

 

Nach Schwertern rief da heftig von Metz Herr Ortewein:

Von Tronje Hagens Schwestersohn, der durft er wahrlich sein;

Dass der so lang geschwiegen, das war dem König leid.

Da unterfing sichs Gernot, der Ritter kühn und kampfbereit. (123)

 

Er sprach zu Ortweinen: “Lasst euer Zürnen sein;

Es soll der Degen Siegfried sich nicht mit uns entzwein;

Wir mögens wohl noch scheiden im Guten, rat ich sehr,

Und ihn zum Freunde haben; das geziemt uns wahrlich mehr.” (124)

 

Da sprach der starke Hagen: “In Wahrheit, mir ist leid,

Und deinen Degen allein, dass er je zum Streit

Her an den Rhein geritten: was ließ er das nicht sein?

Ihm wären nicht so übel begegnet hier die Herren mein.” (125)

 

Zur Antwort gab ihm Siegfried, der kräftige Held:

“Wenn euch, was ich gesprochen, Herr Hagen, missfällt,

So will ich schauen lassen, wie noch die Hände mein

So gewaltig wollen bei den Burgonden sein.” (126)

 

“Das hoff ich noch zu wenden;” sprach wieder Gernot.

Allen seinen Degen zu reden er verbot

In ihrem Übermute, was ihm wäre leid.

Da gedacht auch Siegfried an die viel herrliche Maid. (127)

 

“Wie geziemt' uns mit euch zu streiten?”, sprach wieder Gernot.

“Wie viel dabei der Helden auch fielen in den Tod,

Uns brächt es wenig Ehre und euch geringen Lohn.”

Zur Antwort gab ihm Siegfried, König Siegmundes Sohn: (128)

 

“Warum zögert Hagen und auch Ortewein?

Was eilt er nicht zum Streite mit den Freunden sein,

Deren er so manchen bei den Burgonden hat?”

Sie blieben Antwort schuldig, das war Gernotens Rat. (129)

 

“Ihr seid uns hier willkommen,” sprach das Uten-Kind,

“Und eure Heergesellen, die mit euch kommen sind:

Wir wollen gern euch dienen, ich und die Freunde mein.”

Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers Wein. (130)

 

Da sprach der Wirt des Landes: “Was uns gehöret an,

Verlangt ihr es in Ehren, das sei euch untertan;

Wir wollen mit euch teilen unser Gut und Blut.”

Da ward dem Degen Siegfried ein wenig sanfter zu Mut. (131)

 

Da ließ man ihnen wahren all ihr Rüstgewand;

Man suchte Herbergen, die besten, die man fand,

Siegfriedens Knechten: die fanden gut Gemach.

Man sah den Fremdling gerne in Burgondenland hernach. (132)

 

Man bot ihm große Ehre darauf in manchen Tagen,

Mehr zu tausend Malen als ich euch könnte sagen;

Das hatte seine Tugend verdient, das glaubt fürwahr.

Ihn sah wohl selten jemand, der ihm nicht gewogen war. (133)

 

Der Kurzweil sich fließen die Könge und ihr Bann:

Da war er stets der Beste, was man auch begann;

Es konnt ihm niemand folgen, so groß war seine Kraft,

Ob sie den Stein warfen oder schossen den Schaft. (134)

 

So oft sie vor den Frauen in ihrer Höflichkeit

Der Kurzweile pflagen, die Degen allbereit,

Da sah man immer gerne den Held von Niederland;

Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt. (135)

 

* Die schönen Fraun am Hofe fragten nach der Mär,

Wer doch dieser fremde, stolze Ritter wär?

“Er ist so schön von Leibe, so reich ist sein Gewand!”

Da sprachen ihrer Viele: “Das ist der Held von Niederland.” (136)

 

Was man je begonnte, er war dazu bereit;

Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid,

Und auch nur ihn die Fraue, die er noch nie geschaut,

Und die ihm doch viel Gutes in der Stille zugetraut. (137)

 

So oft man auf dem Hofe das Waffenspiel begann,

Ritter so wie Knechte, immer sah es an

Kriemhilde durch die Fenster, die Königstochter hehr;

Keiner andern Kurzweil bedurfte sie fürder mehr. (138)

 

Und wüst er dass ihn sähe, die er im Herzen trug,

So hätt er Kurzweile immer auch genug,

Ersehn sie seine Augen, ich glaube sicherlich,

Wohl keine andre Freude auf Erden erwünscht' er sich. (139)

 

Wenn er bei den Helden auf dem Hofe stand,

Wie man noch zur Kurzweil pflegt in allem Land,

Wohl stand er dann so minniglich, der Sieglinden-Sohn,

Dass manche Frau ihm zollte der Minne herzlichen Frohn. (140)

 

Er gedacht auch manche Stunde: “Wie soll das geschehn,

Dass ich das edle Mägdelein mit Augen möge sehn,

Die ich von Herzen minne, wie ich schon längst getan?

Die ist mir noch gar fremde; mit Trauern denk ich daran.” (141)

 

So oft die reichen Könige ritten in ihr Land,

So mussten auch die Recken mit ihnen all zur Hand:

Auch Siegfried ritt mit ihnen; das war den Frauen leid:

Er litt durch ihre Minne Beschwerde zu mancher Zeit. (142)

 

So wohnt' er bei den Herren, das ist alles wahr,

In König Gunthers Lande völliglich ein Jahr,

Dass er die Minnigliche in all der Zeit nicht sah,

Durch die ihm bald vieles Liebes und auch viel Leides geschah. (143)

 

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