Von Fabeltieren, Kirschkernen und anderen Wunderdingen 


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Von Fabeltieren, Kirschkernen und anderen Wunderdingen



Mehr als 400 Jahre sind die Dresdener Kunstsammlungen alt. Über ihre Entstehung, ihr Wachsen und Werden, das man im Zusammenhang mit der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung in diesen Jahrhunderten betrachten muss, ist viel Interessantes zu berichten.

Im Jahre 1560 schuf der in Sachsen regierende Kurfürsten August in einigen Räumen seines Schlosses eine Kunst- und Wunderkammer, die man schlechthin als die „Mutter“ der Dresdener Kunstsammlungen bezeichnen kann. Denn aus ihr sind später die einzelnen Kunstsammlungen entstanden.

Es gab Zeiten, in denen alle Märchen und Geschichten von Königen, Prinzen und Prinzessinnen handelten, Zeiten, in denen es der unerfüllte Traum vieler junger Menschen war, selbst ein Prinz oder eine Prinzessin zu sein, so zu leben, wie man am Hofe der Fürsten lebte. Ohne Sorgen um des Tages Müh'.

Es war in der Tat ein prunkvolles Leben, ohne Sorgen um Arbeit, Lohn und Brot, ein Leben ohne Not, das an den Fürstenhöfen und nur dort, bei den „Großen“ des Landes, geführt wurde.

Besonders reich und prachtvoll war der Hof der sächsischen Kurfürsten. Denn Sachsen war damals das bedeutendste deutsche Land, mit vielen Bodenschätzen und einer für jene Zeit gut entwickelten Wirtschaft. In die Kasse der sächsischen Kurfürsten flossen vielerlei Steuern und hohe Abgaben, flossen die Münzen, die ihnen Fleiß und Schweiß der Bauern und Tagelöhner, die Fron und die hoch angesetzten Pachtsummen einbrachten. Aber alles reichte nicht: Niemals konnten die sächsischen Untertanen den Fürsten genug schaffen, denn der Glanz des Hofes konnte niemals groß genug sein.

Derjenige Fürst wurde von seinen Standesgenossen am höchsten geschätzt und am meisten geehrt, der die reichste und verschwenderisches Hofhaltung führte. Das bedeutete damals viele prunkvolle Feste zu feiern, Jagden und Turniere zu veranstalten, bei denen die Fürsten und ihr Gefolge mit Waffen, Harnischen und kostbarer Kleidung, aber auch mit ausgiebigen Trinkgelagen protzten und repräsentierten. Zu dieser fürstlichen Repräsentation gehörte auch eine reiche Sammlung von verzierten Prunkwaffen und Prunkharnischen, mit denen der Fürst und seine Angehörigen glänzen konnten.

Sollten die vielen Edelleute und die Damen des Hofes, die den ritterlichen Spielen zuschauten, und die Jagdgäste von anderen Höfen zurückstehen in ihrer Kleidung? Wollten sie nicht auch glänzen und funkeln, wenn der fürstliche Herr zur Jagd ritt? Zu den vielen Festen des fürstlichen Hofes brauchte man immer mehr und prachtvollere Kleidung, immer mehr und kostbareres Geschirr. In der Rüstkammer wurden die vielen Prunkharnische und Prunkwaffen verwahrt, in der Silberkammer wurden unzählige reichverzierte Becher, Schüsseln, Teller und Schalen gesammelt, die den mit Speisen und Getränke reichgedeckten Tafeln bei den prunkvollen Festgelagen einen noch größeren Glanz gaben. Für die Phantasiekleider, die von den Damen und Herren des Hofes für die ritterlichen Spiele und Feste benötigt wurden, schuf man die Inventionskammer. Neben diesen drei Kammern gab es noch die „Geheime Verwährung“, die Schatzkammer der sächsischen Kurfürsten, die in einem grüngestrichenen „Gewelb“, einem Gewölberaum im Keller des Schlosses, untergebracht war. Dort wurden neben kostbaren Schmucksachen und Goldschmiedearbeiten auch Geld und Urkunden des Fürstenhauses aufbewahrt.

Glanzvolle Repräsentation war ein wichtiger Bestandteil der Staatspolitik der vielen deutschen Fürsten. Aber die Mittel der Repräsentation waren nicht immer die gleichen. Sie wandelten sich im Zuge der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung, auch durch die Entdeckung Amerikas und des direkten Seeweges nach Indien.

Portugal, Spanien, Holland und England bauten Händelsflotten, die aus dem fernen Indien, aus Amerika, China und Japan allerlei Waren oder Rohstoffe nach Europa brachten, die hier außerordentlich selten und darum sehr teuer waren. Staunend standen die mit der Entfaltung des Handels reich gewordenen Bürger oftmals vor der neuen Schiffsladung, die Früchte und Gewürze enthielt, die der Gaumen noch nie gekostet hatte, oder Pelze und kostbare, aus edlem Material gewebte Stoffe und Spitzen, deren Herstellungsorte in dem sagenhaften China oder Japan lagen. Da kamen Gold, Silber und Elfenbein oder andere Rohstoffe, aus denen einheimische Kunsthandwerker herrliche Arbeiten und Schmucksachen herstellen konnten.

Ebenso wie die reichen Bürger ließen sich auch die adligen Herren von den Kunsthandwerkern herrlichen Schmuck und kostbare Gefäße oder andere kunsthandwerkliche Arbeiten aus edlem und teurem Material anfertigen, das aus fernen Ländern eingeführt wurde.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung des deutschen Kunsthandwerks und vor allem einige Zeit nach der Erfindung des Schießpulvers verloren die fürstlichen Prunkharnischsammlungen und alles, was dazugehörte, ihren Wert für die fürstliche Repräsentation. Um den Ruhm eines Fürstenhofes, seinen Glanz und Reichtum nach außen zu zeigen, musste etwas Neues gefunden werden. Es war darum kein Zufall, dass sich im 16. Jahrhundert die Fürsten an den großen und kleinen deutschen Höfen Kunstkammern einrichteten.

Der Grundstock für die Kunstkammer des sächsischen Kurfürsten August wurde die Schatzkammer der Geheimen Verwahrung. Viele kostbare Stücke waren durch Raub im Kriege oder durch Geschenke von anderen Fürsten oder deren Gesandten nach Sachsen gekommen. Auserwählt schöne Gegenstände hatten die sächsischen Fürsten von heimischen oder fremden Kunsthandwerkern und Künstlern erworben. Das Schönste und Kostbarste von dem, was sich im Laufe der Jahrhunderte in der Geheimen Verwahrung und in den kurfürstlichen Hofkammern angesammelt hatte, kam mit in jene im Jahre 1560 begründete Kunstkammer und wurde dort für den Hofstaat und für fürstliche Gäste zur Schau gestellt.

Als besonders repräsentativ, kostbar und schön galten zu jener Zeit bestimmte Kuriositäten, Raritäten und Wunderdinge der seltsamsten Art, so daß die neugegründeten Kunstkammern mit gutem Recht auch „Wunderkammern“ genannnt wurden. Besichtigt man alte Stiche oder die Rekonstruktion einiger Räume der Kunstkammer, so kann man wirklich glauben, in eine Rumpelkammer zu treten - allerdings gefüllt mit Gegenständen aus kostbarstem Material. Ein zeitgenössischer Besucher der kurfürstlichen Kunstkammer in Dresden versuchte seine Bewunderung mit folgenden etwas holprigen Reimen auszudrücken:

Ein königlicher Schatz ist hier gesetzet ein,

Der glänzt von blankem Gold, von Silber, Stein und Bein,

Von überreicher Kunst und andern Dingen mehr,

Als wenn dies ganze Werk ganz edelsteinern wär.

Hier leuchtet, scheint und schimmerts ganz

Von gold und silbern Becher Glanz,

Von Becken, die hell auspoliert,

Und andern Dingen mehr geziert,

Darunter auch zwar Holz und Bein,

Doch viel von Gold und Edelstein.

Hier treffen wir nun an Gold, Silber, Erz und Eisen,

Blei, Edel- und mehr Stein, was Kunst und Natur weisen.

In der Kunstkammer des Dresdener Schlosses gab es neben vielen prunkvollen „Kunststücken“ und „Wundern“ aus edlem Material wie Gold, Silber, Messing, Kupfer, aus Bergkristall und Halbedelsteinen auch eine Vielzahl anderer Kuriositäten Da standen oder lagen auf mit Elfenbein und verschiedenen edlen Hölzern ausgelegten Tischen, auf mit Gold und Edelsteinen besetzten Truhen und Schreinen, auf Borden undSchränken viele sonderbare Dinge: Uhrwerke aller Art mitkunstvollen Gehäusen, Geräte für den Vogelfang und zur Jagd, aber auch Meerschnecken, Muscheln, Gewächse und Tiere; daneben lagen seltsame Dinge zum Messen oder Wägen, primitiv gestaltete oder kostbar ausgelegte mathematische Instrumente und verschiedenes Handwerkszeug. Da stand kunstgewerbliche Gegenstände aus Alabaster und Ebenholz, aus Elfenbein, Marmor oder edlem Material. Daneben gab es Kupferstiche, Metall- und Holzschnitte, insbesondere mit Abbildungen von Städten oder Gebäuden und mit Motiven von Turnieren oder der Jagd. Bronzestatuen waren aus Italien in die Dresdener Kunstkammer gekommen, aber auch Statuen aus Stein und andere Plastiken standen darin. In einem Schrank konnte man eine besondere Kostbarkeit bewundern: einige Stücke aus chinesischem Porzellan, die in diesem fernen, sagenhaften Land schon im 14. Jahrhundert und manche sogar noch früher hergestellt worden waren.

Trotz ihrer Kostbarkeit waren alle diese Dinge doch nicht die berühmtesten Exemplare der Sammlung. Als besondere Glanzstücke der Dresdener Kunstkammer galten vielmehr lange Zeit ein außerordentlich großes Schildkrötenei und außerdem ein Kirschkern, in den mit größter Kunstfertigkeit über 180 Gesichter in verschiedener Größe und Form und mit deutlich erkennbaren unterschiedlichen Zügen eingeschnitten waren. Davon kamen im Laufe der Zeit drei in die Kunstkammer; einer dieser Kirschkerne ist heute noch im Grünen Gewölbe ausgestellt.

Die am meisten bestaunte Rarität in der Dresdener Kunstkammer war jedoch das Horn eines Einhorns, das fast 3 Ellen lang war und an einer goldenen Kette von 163 Gliedern von der Decke herabhing. Das war ein in der Tat unübertreffliches Wunder, denn das Tier, dessen Horn zur Schau gestellt wurde, hat es nie gegeben. Das „Einhorn“ war ein Fabelwesen, und der Schwindler, der ein Horn von diesem nicht existierenden mystischen Tier herbeigezaubert hatte, machte dabei ein glänzendes Geschäft. Der sächsische Kurfürst zahlte für dieses Horn, das wahrscheinlich der Zahn eines Narwales war, 100000 Taler - eine Riesensumme in der damaligen Zeit. Natürlich konnten die kleinen deutschen Fürstenhöfe es sich nicht leisten, eine so ausgefallene und teure Rarität anzukaufen. Das Wunderhorn, das mit dazu beitrug, den Ruhm der „Dresdener Kunst- und Wunderkammer“ zu verbreiten, ist heute noch im Dresdener Museum vorhanden.

Um zu verstehen, warum dieses Horn eine so große Kostbarkeit war, muss man wissen, wie sehr zu jener Zeit der Aberglaube herrschte. Mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse war man oft unfähig, Krankheiten zu erkennen und zu heilen. Wahrsager, Prediger und Handaufleger, Kräutermischer und Quacksalber zogen durch das Land, oder die Menschen wanderten in Scharen zu diesen Heilkünstlern, die angeblich in der Lage waren, die von Gott gegebenen Krankheiten zu heilen. Das konnte selbstverständlich nur durch ein „Wunder“ geschehen, durch übernatürliche Kräfte, die auch von Gott gegeben waren. Die Menschen opferten für diese „Mirakel“ oftmals das Letzte, das sie besaßen. Helfen aber konnten sie nur, so lehrte die Kirche, wenn man wirklich daran glaubte. Und da die Kirche aus diesen „Wundern“ eine Menge Kapital schlug, förderte sie diesen Aberglauben nach besten Kräften.

Anton Weck, einer der bekanntesten Reiseschriftsteller jener Zeit, gab im Jahre 1680 eine ausführliche Beschreibung der Kunstkammer. Als das vornehmste Stück erwähnte er dabei „das schöne glatte weiße Einhorn... welches vormals sowohl an einem Menschen, der einen ganzen Stock lebendiger Eydexen im Leibe gehabt, und durch dessen Genießen davon befreiet als auch an unvernünftigen Tieren probiert worden, da man zweyen Hunden von einem Wurffe, Gifft zugleich, in gleicher Quantität, eingegeben, dagegen einem etwas von der Einhorn, dem anderen aber davon nicht beigebracht, da erfolget, dass jener nach starken Operationen genesen, der andere unversorgte aber verrecken müssten“.

Das Einhorn war also eines der großen „Wunder“, mit denen man angeblich die Menschen heilen konnte - vorausgesetzt, man glaubte daran.

Der Aberglaube, der Glaube an „Wunder“, lebte jedoch damals keinesfalls nur in den Köpfen der einfachen Menschen. „Das Schicksal befragen“ gehörte zur Regierungspolitik vieler Fürsten, und zu den angesehensten und begehrtesten Leuten an vielen Höfen gehörten Sterndeuter, die imstande waren, ein Horoskop zu stellen.

Das Tageshoroskop bestimmte die Handlungen des Kurfürsten August von Sachsen ebenso wie die vieler anderer Fürsten. Kurfürst August befragte sein „Schicksal“ aber nicht nur bei großen und wichtigen staatspolitischen Entscheidungen. Er pflegte sich auch nicht nur das tägliche Horoskop stellen zu lassen, er hatte vielmehr ein eigenes „Punktsystem“ entwickelt. Aus drei von ihm noch vorhandenen „Punktierbüchern“, die in der Kunst des „Punktierens“ genaue Erklärungen geben, geht hervor, dass die bei der Anwendung dieses Systems entstandenen Punkte, in Beziehung zum Tageshoroskop gesetzt, die Antwort auf alle Fragen geben mussten.

So befragte Kurfürst August zum Beispiel sein Punktiersystem, ob er den Reichstag zu Augsburg besuchen solle oder nicht. Weil das befragte Orakel nein sagte, entschloss sich der Kurfürst, dem Reichstag fernzubleiben, und er notierte aus der Antwort des Punktiersystems, „daraus schließe ich ohne allem Zweifel, dass ich bei Ihrer kaiserlichen Majestät gnädigst und wohlentschuldiget und habe mich dieses Abschlagens halber keine Ungnade zu erfahren“.

Ein andermal ging es darum, das Punktiersystem zu befragen, ob dem Kurfürsten Jagdglück beim Vogelfang beschieden sei. „Werde ich morgen, den 27. dieses Monats Septembris, viel Vögel fangen?“ Das Orakel sagte nein, und Kurfürst August war so beherrscht von der Richtigkeit seines Aberglaubens, daß er feststellte: „Darauf ist verfolget, dass ich nicht mehr als 50 Vögel gefangen und gestellet Lust gehabt.“

Schlimmer wirkte sich des Kurfürsten Punktiersystem aus, wenn es bei dessen Befragung um Tod oder Leben von Menschen ging. Im Jahre 1576 ließ Kurfürst August seinen Landjägermeister Cornelius von Ryxleben auf die Folter spannen und dann in der Pleißenburg lebenslänglich einsperren, weil Ryxleben in stark angeheitertem Zustand bei einem der fröhlichen Festmähler erzählte, dass er gesehen hätte, wie der Kurfürst seine Gemahlin geohrfeigt hat. Vorher aber musste das „Schicksal“ befragt werden. „Wird Ryxleben in der Tortür vorhalten (das bedeutet die Tortur aushalten)?“ fragte der Kurfürst sein System, das laut den Punkten antwortete: Nein, ja, nein, ja, ja, ja. „Darauf ist verfolget, daß er sich gar nicht hat angreifen lassen, sondern straks bekannt...“, heißt es dann weiter. Und da der Schuldige sich bekannt hatte, wurde er natürlich lebenslänglich eingesperrt.

Der damals vorherrschende Aberglaube an Wunder erklärt auch, warum in den an deutschen Fürstenhöfen im 16. Jahrhundert begründeten Kunst- und Wunderkammern Kuriositäten und schwer zu beschaffende Raritäten und Wunderdinge lange Zeit als die wertvollsten Stücke galten. Viel weniger geachtet wurden damals die auch schon in der Kunstkammer vorhandenen Gemälde alter deutscher Meister, von Lucas Cranach dem Älteren und dem Jüngeren und von Albrecht Dürer. Diese Gemälde wurden nicht als Ausstellungsstücke gewertet, sie dienten vielmehr nur als Wandschmuck für die mit Raritäten und Kuriositäten überfüllten sieben Räume der Kunstkammer im kurfürstlichen Schloss.

Der Begründer der Dresdener Kunstkammer, Kurfürst August, hatte den Ehrgeiz, die Dresdener Kunst- und Wunderkammer reicher und prunkvoller auszustatten, als dies seine Standesgenossen in anderen Ländern vermochten. Der von früheren Geschichtsschreibern als “guter Vater” seines Landes gerühmte Fürst beschäftigte sich somit zwar sehr viel mit der Vermehrung seiner “Wunder” und seines Reichtums, nicht im geringsten aber kümmerten ihn das Schicksal, die Sorgen und die Nöte seiner Landeskinder.

Da wurde Halali geblasen, Kurfürst August und sein Gefolge ritten in wildem Trab los. Es interessierte den „guten Vater“ August gar nicht, ob dabei die erntereifen Felder der Landeskinder verwüstet wurden. Ihn interessierten auch nicht die Klagen der Bauern über die Wildschweinschäden. Zäune um die Gehöfte bauen, forderten die Bauern? Lächerlich, die hindern nur den Jagdzug - also durften sie nicht gebaut werden.

Kostspielige Jagden wechselten mit prunkvollen Festen am Hofe. Während scheffelweise Korn, Weizen und Hafer, zahllose Ochsen und verschiedenes Wild für die Festmähler verbraucht wurden, während Bier und Wein für die Gäste in Strömen flossen, sparte der „gute Vater“ August an den Speisen der Bediensteten, und die kostspieligen Jagden und Gelage wurden mit dem Schweiß und Blut der Untertanen bezahlt.

Anlässlich der prunkvollen Feste brachten die auswärtigen Gäste reiche Geschenke mit. Für die Damen des Hofes kaufte man Präsente aus edlem Material, und es wurde eine Fülle von Liebhabereien zur Vermehrung des Reichtums des Hofes bestellt. Der Inhalt der Kunstkammer wurde dabei immer größer. Trotzdem aber blieb sie weiterhin in der Hauptsache eine Sammlung von „Wunderdingen“, Kuriositäten und Raritäten.

Die Kunstkammer zu besichtigen war anfangs nur den Angehörigen des kurfürstlichen Hauses und hohen Standespersonen erlaubt, die als Gäste des Kurfürsten nach Dresden kamen. Erst vom Beginn des 17. Jahrhunderts an durften unter Beachtung bestimmter Vorsichtsmaßregeln und gegen Bezahlung eines Trinkgeldes von vier bis sechs Gulden auch nichtfürstliche Fremde die Sammlung besichtigen.

Wer aber hätte den Ruhm dieser der fürstlichen Repräsentation dienenden Kunstkammer besser verbreiten können als die Menschen, die über das von ihnen Gesehene in Büchern und anderen Schriften zu berichten verstanden? Ihnen öffnete man gern die Türen, ihnen zeigte man alle Einzelheiten, die dazu angetan waren, den Ruhm der Kunstkammer und damit den Ruhm der sächsischen Kurfürsten in aller Welt zu verbreiten. Als erster beschrieb ein schlesischer Rechtsgelehrter, Paul Hentzner, aus eigener Anschauung die Kunstkammer, nachdem er im Jahre 1600 einige Tage lang dafür Zutritt erhalten hatte. Siebzehn Jahre danach veröffentlichte der Augsburger Patrizier Hainhofer eine Beschreibung, und seit der Mitte des 17. Jahrhunderts kamen die Reiseschriftsteller – als erster Martin Zeiller – nach Dresden, um die Schätze der Kunstkammer in allen Einzelheiten zu beschreiben. Sie, die von Hof zu Hof reisten und die Kunstkammern der einzelnen Höfe vergleichen konnten, stellten übereinstimmend fest, dass es nirgendwo in deutschen Landen eine solche Menge trefflicher Kunststücke und Raritäten gäbe wie in der Kunst- und Wunderkammer der sächsischen Kurfürsten. 450 Jahre nachdem der erste Ausbau des Grünen Gewölbes im Dresdener Residenzschloß vollendet war, wurde die kostbare und weltberühmte Pretiosensammlung im Albertinum neu gestaltet. Der reichste Juwelenschatz Europas und die vielfältigen, aus unterschiedlichem kostbarem Material gefertigten kunsthandwerklichen Arbeiten erhielten größere Ausstellungsflächen. Sie werden - nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten in modernen und mit neuartiger Beleuchtung versehenen Vitrinen geordnet - den Besuchern so dargeboten, dass die kunsthandwerklichen Meisterleistungen und der Glanz der Perlen und Edelsteine voll zur Geltung kommen.

Vor diesem Umbau und der Neugestaltung der Ausstellung konnte etwa ein Achtel des vorhandenen Reichtums gezeigt werden, nunmehr rund 800 Exponate - etwa ein Viertel der Bestände. Später werden Räume geschaffen, in denen der ganze Reichtum in all seinem Glanz ausgestellt werden kann.

Aus der Geschichte einer berühmten Straße Berlins

Die Straße Unter den Linden, nach Ansicht der Berliner – und nicht nur der Berliner! — eine der schönsten Straßen der Welt, ist in der ganzen Welt bekannt.

Geschichtliche Erinnerungen werden hier lebendig. Diese Straße ist mehr als nur ein liebenswürdiger Boulevard: Aus fast jedem Stein spricht das Schicksal Berlins, die reichbewegte Geschichte der Stadt und des Landes. Hauptstraßen spiegeln den Charakter einer Stadt, die Tradition und die kulturelle Entwicklung eines Landes wider, doch nur wenige große Straßen der Welt erlebten so viele Ereignisse wie die „Linden“, und in nur wenigen stehen Altes und Neues, Bewahrtes und Neugeschaffenes so harmonisch nebeneinander. Die „Linden“ wurden zu einem Brennpunkt deutscher Geschichte. Seit den Tagen von Leibniz und Humboldt waren die „Linden“ als Straße der Kulturbund Wissenschaften, Trägerin des Humanismus. Aufklärung. Klassizismus, Romantik und auch die späteren Kulturepochen haben ihre Spuren hinterlassen. Dazu gehören die Leistungen von Schlüter, Knobelsdorff und Schinkel, Schadow und Rauch, der Brüder Humboldt, Fichte, Hegel, Karl Marx und Friedrich Engels und Albert Einstein, und dazu gehören auch die Novemberrevolution, Karl Liebknecht, die Arbeiterkundgebungen der zwanziger Jahre und der antifaschistische Widerstandskampf.

Um manches aus der Geschichte der berühmten Straße Berlins einem Weiten Kreis von Deutschlehrern nahezubringen, wollen wir nachstehend einen kleinen „Spaziergang“ Unter den Linden machen und dabei Bedeutung und Nachwirkung von Persönlichkeiten würdigen, die hier sichtbare Spuren ihres Daseins und Wirkens hinterlassen haben.

Die heutige Straße Unter den Linden hat bei einer durchschnittlichen Breite von etwa 60 m eine Länge von etwa 1400 m (vom Brandenburger Tor bis zum Kupfergraben). Als Geburtsdatum der Straße gilt das Jahr l647. In Wirklichkeit reich ihre Geschichte aber bis vor den Dreißigjährigen Krieg, bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück und begann mit einem bescheidenen kurfürstlichen Reitweg.

Beim damaligen Kurfürsten entstanden auch Anregungen und Pläne zur Errichtung einer breiten sechsreihigen Allee mit 1000 Nuss- und 1000 Lindenbäumen. Doch alle Bemühungen waren vergeblich. Eine so große Anzahl von Linden und Nussbäumen war im Frühjahr 1647 nicht so schnell zu beschaffen. Jene erste Lindenallee war nur teilweise eine Straße Unter den Linden, denn neben den Linden standen bereits Nussbäume, und später wurden hier auch Platanen und Kastanien gesetzt.

Bereits nach wenigen Jahren fielen fast alle Bäume dem vorübergehenden Ausbau der Befestigungsanlagen zum Opfer.

Die „Linden“ lockten die Städter, die vorher nur einen kleinen Bereich im Lustgarten zum Spazieren hatten, aus den engen Mauern und den winkligen Straßen und Gassen ins Freie hinaus. Die junge Lindenallee wurde also schon vor fast 300 Jahren von den Berlinern als Promenade angesehen und benutzt. Die Lindenallee war jedoch weder befestigt noch gepflastert. Noch ein halbes Jahrhundert später beklagten sich Berlin-Besucher über den schlechten Zustand der Allee, bei dem die Promenierenden in Sand- und Staubwolken eingehüllt würden, sobald ein Reiter die Allee entlangsprengte oder eine Karosse vorbeifuhr. Die Allee wurde ansonsten vornehmlich vom Hof und den Jagdgesellschaften und nach Erbauung des prachtvollen Sommerschlosses Lietzenburg von den geladenen Glasten der Kurfürstin benutzt.

Aber die „Linden“ boten damals noch häufig einen unsauberen Anblick. Im Jahre 1707 erließ der König Friedrich I. deshalb ein Patent zur Konservation und Fortpflanzung der Lindenallee, nach dem ein jeder Bewohner der Straße auf die vor seinem Haus stehenden Bäume zu achten und zu sorgen habe. Die Anwohner sollten sofort dem Plantagenmeister melden — bei strenger Strafe von 20 Talern und Ersatz von einem anderen Baum —, wenn ein Baum beginne zu erkranken oder gar einzugehen.

Nach einem zeitgenössischen Bericht (1688) waren die nördlichen „Linden“ in ein- und zweigeschossiger, geschlossener Reihenbauweise und die Südseite mit einigen einzelnen Häusern bebaut. Wo sich heute das Opernhaus erhebt, sah man sogar einzelne Häuser mit ausgedehnten Wirtschaftsgebäuden, die sie zu bäuerlichen Anwesen gehören, erklang das vielstimmige Konzert von Kühen, Gänsen, Enten und Hühnern über die vornehme Promenade. Erst in den folgenden Jahrzehnten sollten die großen monumentalen Gebäude erstehen, die der Straße dann ihr Gepräge als Prachtstraße verliehen.

Zeughaus. Als erstes Gebäude wurde in der Lindenallee ein Arsenal errichtet. Dies ist bezeichnend für den jungen preußischen Staat, dessen Grundlage Militär und Kriegführung bildeten. Am 28. Mai. 1695 wurde der Grundstein für das Zeughaus gelegt, und in den Jahren von 1701 bis 1706 erhielt es seine endgültige Form. Doch es sollte noch 36 Jahre dauern, bis auch der innere Ausbau beendet war und das Haus seiner endgültigen Bestimmung übergeben werden konnte.

Als heute ältestes Bauwerk der Straße Unter den Linden war ein Gebäude entstanden, das zu den schönsten Baudenkmälern Berlins gehört. Obwohl Frankreich und die Niederlande Pate standen und mehrere Architekten wie Nering, Martin Grünberg, Andreas Schlüter und Jean de Bodt an dem Werk beteiligt waren und ein jeder auch nach eigenen künstlerischen Plänen arbeitete, wurde das Haus zu einer der geschlossensten Schöpfungen deutscher Barockkunst. Das Besondere an dem monumentalen Bau, einem Komplex von 90 m im Quadrat aber ist das Zusammenklingen von Architektur und Plastik. Der Reichturn und die Schönheit der Skulpturen, die mächtigen Trophäengruppen und Glorien, Fahnen, Pulverfässer und Räder auf der Balustrade, die federumrauschten Prunkhelme, das Schnitzwerk an den Türen und das Hauptportal mit seinen allegorischen Frauengestalten Mechanik, Geometrie, Arithmetik und Feuerwerkskunst bringen die Architektur des Gebäudes erst zur vollen Geltung.

Der bedeutendste Schmuck des ehemaligen Zeughauses und jetzigen Museums für Deutsche Geschichte sind die „Masken sterbender Krieger“ im Innenhof. Diese 32 überlebensgroßen Köpfe in den Schlusssteinen über den Fenstern des Erdgeschosses sind eine unübertreffliche Meisterleistung des großen deutschen Baumeisters und Bildhauers Andreas Schlüter. Alte Männer überlassen sich kampflos dem Tode, junge dagegen wehren sich verzweifelt. Bärtige Gesichter sind bereits erloschen, glatte vom nahen Ende überhaucht. Es ist zu vermuten, daß Schlüters Entwürfe damals bei den Auftraggebern wenig Anklang fanden und die Skulpturen deshalb nicht an den Außenfronten angebracht wurden, sondern im Innenhof verschwanden, um dem Volk, das die Lasten des Krieges am unmittelbarsten zu tragen und zu erleiden hatte, entzogen zu werden. Während so die Außenfassade des Zeughauses den Krieg glorifizierte, wurde am Innenhof das Sterbenmüssen, die Ablehnung des Krieges dokumentiert.

Das neue Zeughaus galt bereits damals als eines der schönsten Gebäude Europas. Reisende besichtigten das Haus und seine Schätze, die Waffenvorräte des Königs. Das Zeughaus wurde eine der hervorragenden Sehenswürdigkeiten des damaligen Berlin.

Die Idee, in Berlin an der Straße Unter den Linden ein „Friedrichs-Forum“ zu schaffen, konzipierten der junge Baumeister W. von Knobelsdorff und der Kronprinz Friedrich bereits in der gemeinsamen Jugendzeit (1736 bis 1740) in Rheinsberg. Entsprechend der Absicht des Kronprinzen, einen Schloßneubau nördlich der „Linden“ in der Achse der Markgrafenstraße zu errichten, entwickelte Knobelsdorff 1740 einen Plan, nach dem auf einem großen Schloßvorplatz an der Südseite der Straße Unter den Linden zwei symmetrische, gleich große Gebäude, Akademie und Oper, stehen sollten. Mit ein paar Federstrichen und einigen Randbemerkungen warf Friedrich Knobelsdorffs Plan um und änderte die vom Baumeister beabsichtigte innere Bindung der Bauten. So entstand nur ein verkleinertes, quergelagertes Forum mit der Oper als bescheidenem Überrest der großzügigen Platzgestaltung. Das Linden-Forum erhielt seine heutige Form durch eine Reihe von Einzelgebäuden, die nacheinander entstanden und nur zum Teil aufeinander abgestimmt wurden: Knobelsdorff-Oper (heutige Deutsche Staatsoper), Palais Prinz Heinrichs (heutige Humboldt-Universität), Alte Bibliothek (heutige Lehrstätte der Humboldt-Universität).

Opernhaus. Als erstes Bauwerk des Lindenforums war das Opernhaus (1741/1743) entstanden. Mit der Oper als Herzstück des Lindenforums hatte die Straße ein Festhaus erhalten. Die Wahl des Bauplatzes am Eingang der Lindenallee sollte sich als glücklich erweisen. Das Opernhaus bestimmte damit zugleich die weitere Gestaltung und Bebauung dieses wohl schönsten Teiles von Berlin, der noch heute barocke Festlichkeit des 18. Jahrhunderts atmet.

Knobelsdorff gab dem damaligen Hoftheater die Form eines korinthischen Tempels. Die Hauptfront nach der Straße Unter den Linden hat über dem hohen Sockel nur ein Hauptgeschoß mit einem Säulenvorbau, zu dem von beiden Seiten eine Freitreppe führt. Die wohlabgewogene Gliederung der Baumassen und die Harmonie von zierlichem Rokoko im Innenraum und einfachen klassizistischen Proportionen an der Fassade geben dem Haus heitere Festlichkeit und Beschwingtheit und machen es zu einem der schönsten Berliner Baudenkmäler. In den Nischen der Treppenpodeste stellen die Statuen der griechischen Dichter Sophokles, Aristophanes, Menander und Euripides, auf den Dachfirsten Appollo und die neun Musen. Der Knobelsdorffbau brannte 1843 ab. Langhaus d. J. baute das Gebäude streng im Geiste seines Schöpfers wieder auf.

Universitätsgebäude. Friedrich II. ließ ein Palais für seinen Bruder Heinrich bauen. Der Baumeister Boumann d. J. begann den Bau im Jahre 1748 und endete im Jahre 1766. Mit dem Palais des Prinzen Heinrich erhielt das Linden-Forum dann seine Einheit und Geschlossenheit und wurde zu einem künstlerisch-geistigen Zentrum, wie es auch Knobelsdorff in erweiterter Form geplant hatte.

Im Jahre 1810 wurde das Heinrich-Palais dann der neugegründeten Berliner Universität zur Verfügung gestellt. „Welch ein herrliches Gebäude! Von welch herrlichen Gebäuden umgeben! Es muss eine Lust sein, da zu lesen!“ schrieb einer der ersten Professoren über das Palais, das nun zu einem geistigen Zentrum von hoher Bedeutung werden sollte.

Bedeutende Wissenschaftler haben der jungen Universität Weltruf verschafft. Als erste lehrten an ihr die Philosophen Fichte (ihr erster Rektor), Schleiermacher, Hegel und seine Schüler, späterhin die Historiker Mommsen und Harnack, die Chemiker Mitscherlich, Runge und Hahn, der Mathematiker Weierstraß und seine Schüler, die Mediziner A, von Graefe, Rudolf Virchow, Robert Koch, Ehrlich, Sauerbruch, Brugsch und viele andere, die die mit der Universität verbundene Charite (= Barmherzigkeit; Name der Kliniken der Berliner Universität) zu einer hervorragenden Pflegestätte medizinischer Lehre und Forschung machten.

Gerade 300000 Einwohner zählte Berlin, als sich der junge Karl-Marx am 22 Oktober 1836 unter der Nummer 973 an der Juristischen Fakultät „Unter den Juden“ eintragen ließ. Karl Marx studierte, bevor er nach Berlin kam, bereits an der Bonner Universität zwei Semester Rechtswissenschaft „sehr fleißig und aufmerksam“, wie ihm seine Professoren bescheinigten. An der Berliner Universität besuchte er Vorlesungen der Philosophie, der Geschichte, der Kunst, der allgemeinen Geographie, des Erbrechts, der Anthropologie und der Logik.

Zwischen 1900 und 1933 traten in der Nachfolge des berühmten Physikers Helmholtz vor allem Walther Nernst, Max Planck, Max von Laue, Albert Einstein, Niels Born, Lise Meitner und Erwin Schrödinger hervor, deren Namen mit der umwälzenden Entwicklung der modernen Physik verbunden sind.

Alte Bibliothek. Das Gebäude der Alten Bibliothek ist das letzte am Linden-Forum ausgeführte Bauwerk. Es wurde 1774 bis 1780 nach Plänen von Georg Christian Unger durch Boumann d. J. erbaut.

Friedrich wollte nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges und nach der Beseitigung der wichtigsten Kriegsschäden seinem Forum noch einen würdigen Abschluss geben. Anstelle der geplanten Akademie sollte ein Gebäude für die weithin angesehene Königliche Bibliothek errichtet werden, das alle anderen Berliner Bauten an Schönheit und Größe übertreffen sollte.

In einer alten Berliner Anekdote heißt es, dass der Baumeister Georg Christian Unger damals zum König ging und ihn fragte, in welchem Stile er das Gebäude befehle, und dass dieser daraufhin auf eine Rokokokommode in seinem Salon wies und sagte: „Mach Er sie wie den Kasten da und laß Er mich zufrieden.“ Diese Anekdote ist erfunden, aber in ihr steckt ein wahrer Kern. Friedrich schrieb seinen Architekten selbstherrlich die Bauentwürfe vor. Unger lehnte sich an den Entwurf Fischer von Erlachs für die spätere berühmte Winterreitschule der Wiener Hofburg an, jedoch von außen nach innen. Die viergeschossige palastartige Schauseite enthielt im Inneren nur zwei Stockwerke. Es gab zahlreiche bauliche Unzulänglichkeiten. Wegen ihrer eigenwillig geschwungenen Hochbarockfassade und den vorspringenden Säulenausbauten an den Ecken wurde das Gebäude im Berliner Volksmund kurz und knapp „die Bucherkommode“ genannt. Die Bezeichnung „Kommode“ hat sich bis heute gehalten.

Die „Kommode“ hatte sich zur größten deutschen Bibliothek entwickelt, um ständig neue in- und ausländische Besucher mit wissenschaftlicher Literatur zu versorgen. So berühmte Gelehrte wie die Brüder Grimm, Fichte, Schelling, Hegel und Mommsen hatten in ihren Räumen studiert. Es ist dieselbe Bibliothek, in der Karl Marx und Friedrich Engels studiert hatten. Im August 1895 war der junge Wladimir Iljitsch Uljanow für mehrere Wochen nach Berlin gekommen, um in der Königlichen Bibliothek einige Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels und Bücher über die sozialökonomischen Verhältnisse und die revolutionäre Bewegung in Russland zu lesen, die ihm dort nicht zugänglich waren. Der 25jährige Rechtsanwaltassistent, wie die Eintragung im Leserjournal lautete, arbeitete fast täglich im Großen Lesesaal der „Kommode“ und machte sich viele Notizen und auch zum Teil längere Auszüge, wie einen 36 Druckseiten langen Konspekt aus Marx/Engels Buch „Die heilige Familie“, das zu den größten Seitenheiten der damaligen Bibliotheken gehörte und in Berlin einzusehen war.

Brandenburger Tor. Man schrieb den 6. August 1791, einen ganz gewöhnlichen Tag. der jedoch in die Geschichte Berlins und der „Linden“ eingehen sollte. Nüchtern und ohne jede Feierlichkeit wurden das neuerrichtete Brandenburger Tor und seine Durchfahrten für den Verkehr wieder freigegeben: als Wahrzeichen Berlins wurde es bald Zeuge von Triumphzügen, Paraden, Empfängen und vielfältigen anderen historischen Ereignissen. Alles war bereit. Es fehlten nur noch der künstlerische Schmuck und die Quadriga, die Krönung des Tores.

Aus Berlin und Potsdam wurden Künstler herangezogen, um den vorgesehenen plastischen Schmuck, die 20 Reliefs auf den Scheidewänden, das Flachrelief auf der Attika. die 32 Methoden sowie die Statuen und Medaillons fertigzustellen. Die Quadriga schuf der bekannte Bildhauer Gottfried Schadow. Er lieferte die zeichnerischen Entwürfe und auch einige Gipsmodelle für das Viergespann, das von einer auf einem zweirädrigen Siegeswagen stehenden Friedensgöttin gelenkt werden sollte. Der Potsdamer Kupferschmied Emanuel Jury übernahm die Ausführung in doppelter Lebensgröße. Nur wenigen Lesern der vorliegenden Zeitschrift wird bekannt sein, dass zu dieser Friedensgöttin eine junge Berlinerin Modell stand. Gottfried Schadow hatte für die Figur nur eine Skizze entworfen, nach der dann in Potsdam ein Holzmodell angefertigt werden musste. Für diese Arbeit nahm Emanuel Jury schließlich seine Base Ulrike als Modell. Ihr Vater, Samuel Heinrich Jury, betrieb im sogenannten „Bullenwinkel“ am Hausvog teiplatz eine Schmiedewerkstatt. Da die-Zahl der Lehrlinge und Gesellen durch Gesetz bestimmt und begrenzt war, mussten ihm seine 12 Töchtcr tüchtig helfen. Die kräftige junonische Gestalt der Rieke Jury war wie kaum eine andere geeignet, Modell für die Göttin zu stehen. Mit der Quadriga wurde Rieke Jury als Göttin des Friedens weltberühmt wenn auch nicht als Person bekannt.

Der Baumeister Carl Gotthard Langhans, Schöpfer des Tores, hatte keinen Zweifel darüber gelassen, dass er am Brandenburger Tor den Sieg des Friedens über den Tod dargestellt sehen wollte. Im „Pro-Memoria, den Riss zum Brandenburger Tor betreffend“, erklärte er, dass die Quadriga „den, Triumph des Friedens“ darstelle. Das Attikarelief aber sollte die „Göttin des Friedens mit einem Ölzweige und Lorbeerkranze in den Händen“ zeigen. Auch 1791 wurde übrigens in einem ministeriellen Erlass die Bezeichnung „das Friedenstor“ verwendet.

Kurze Zeit nach der Vollendung des Tores kommentierten jedoch verschiedene Darstellungen diesen Zug des Friedens auf dem Relief bereits als eine Kampfszene, in der Kurfürst Albrecht Achilles im Kampf gegen die Nürnberger eine Fahne erobert, als die Verherrlichung einer „vaterländischen Heldentat“. Die offiziöse Geschichtsschreibung aber folgte dieser Glorifizierung des Krieges allzu gern, insbesondere als das Tor dann als Triumphpforte Verwendung fand.

So sah die Friedensgöttin Napoleons Einzug am 27. Oktober 1806, Mamelucken eröffneten den Zug, mit Turban, türkischer Kleidung und krummen Säbeln. Ihnen folgte die kaiserliche Garde in prächtiger Uniform. Von seinen Mar-schallen und einer glänzenden Suite goldbeblechter Generäle und Offiziere begleitet, ritt Napoleon durch das Tor. Auf dem Platz wurden ihm die Schlüssel der Stadt überreicht. Der Kaiser lächelte, als nur einige wenige Berliner in das mächtige „Vive l'Empereur!“ seiner Soldaten einstimmten. Der imposante Zug ging dann die „Linden“ entlang. Am Opernplatz hielt Napoleon sein Pferd an und schien überrascht von dem Anblick der Palais, wie ein Zeitgenosse überlieferte. Dann ging es weiter zum Königlichen Schloss, wo er Quartier nahm. In dem XXI. Bulletin vom 28. Oktober, das den Einzug seiner Armee in Berlin schilderte, heißt es: „Der Weg von Charlottenburg nach Berlin ist sehr schön, der Einzug durch das Brandenburger Tor prächtig.“ Der Eroberer schien beeindruckt.

Über die sonst so belebten „Linden“ zog der Rauch der Biwakfeuer, ertönte das Klirren der Waffen der im Lustgarten lagernden Garde. Das Zeughaus mit seinen reichen Waffenvorräten, deren Sicherung die Behörden bei ihrer kopflosen Flucht aus der Stadt versäumt hatten, wurde von den Franzosen ausgeplündert. In seinen Räumen entstanden Magazine. Pferdeställe und sogar Pferdeschmieden, in denen pausenlos gearbeitet und gehämmert wurde. Aus den zerbrochenen Fenstern des unteren Geschosses strömte der Rauch wie aus Schornsteinen. Das berühmte Opernhaus war in ein Brotmagazin verwandelt worden. Auf der Lindenallee herrschte das Militär.

In einem seiner ersten Befehle hatte der siegesberauschte Kaiser auch die Entfernung der Quadriga gefordert, nicht etwa wegen ihres künstlerischen Wertes, sondern um die Besiegten durch die Beschlagnahme des Wahrzeichens ihrer Hauptstadt zu demütigen. Die Quadriga sollte als Kriegstrophäe in Paris einen Triumphbogen krönen, durch den die Armee beim großen Siegesfest ihren Einzug halten würde. Eine Deputation unter der Führung Schadows überreichte eine Bittschrift, aber vergebens. Friedensgöttin und Wagen wurde abgenommen, in mehrere Teile zerlegt, in 12 Kisten verpackt und am 21. Dezember 1806 über Hamburg auf dem Wasserweg nach Paris transportiert. Am 17. Mai 1807 traten sie dort ein, zusammen mit 80-100 Kisten, angefüllt mit anderen aus Berlin und Potsdam geraubten Kunstgegenständen. Die Berliner nahmen am Schicksal der entführten Quadriga lebhaften Anteil.

In Karikaturen milde Napoleon „der Pferdedieb von Berlin“ genannt. Der auf dem Brandenburger Tor zurückgebliebene eiserne Stachel aber mahnte an die in Krieg und Kapitulation erduldete Schmach.

Die Nachrichten von der Zerschlagung der „Grande Armee“ in Russland wurden dann zum Signal der patriotischen Mobilisierung. Am 20. Februar 1813 erreichte eine Kosakenvorhut Berlin, sprengte durch die Straßen am Alexanderplatz und Schlossplatz und über die „Linden“, von den Berlinern stürmisch begrüßt, und verbreitete unter den Franzosen Schrecken und Panik. Am 4. März 1813 verließen die Franzosen dann in aller Frühe und ohne Trommelschlag die Stadt. Die von Norden her einrückende russische Befreiungsarmee wurde von den Berlinern begeistert empfangen. Aber noch war die Gefahr nicht gebannt. Im April 1813 verfaßten Gneisenau und Scharnhorst eine Denkschrift zur Mobilisierung aller Verteidigungseinrichtungen, um einem neuen französischen Vormarsch wirksam begegnen zu können. Darin wurde auch vorgeschlagen, einige der großen Prachtgebäude der Stadt, wie Zeughaus, Opernhaus und Schloss, zu Zitadellen umzugestalten und auszurüsten, in denen ein ernsthafter Widerstand geleistet werden könne, denn es sei besser, daß diese in Trümmer fallen, als nochmals fremden Tyrannen dienen würden. Im August 1813 rückte eine Armee von 120000 Franzosen heran, um Berlin, das Napoleon für den geistigen Brennpunkt des Befreiungskampfes hielt, zu erobern und nötigenfalls als Exempel in Brand zu schießen. Zwei Monate später fiel die Entscheidung des Krieges in der Völkerschlacht bei Leipzig. Ein Kurier brachte die Meldung nach Berlin. Bei seinem Ritt über die „Linden“ wurde er von Tausenden begleitet.

Die Heimkehr der zurückgewonnenen Quadriga von Paris über Brüssel, Düsseldorf und Hannover nach Berlin wurde zum eigentlichen Siegeszug. Die sechs Frachtwagen mit ihren 15 großen Kisten wurden überall festlich empfangen und mit Blumen und Kränzen geschmückt. Die Friedensgöttin erhielt jetzt gegen den Willen Schadows anstelle des antiken Lorbeerkranzes mit seinem römischen Adler eine Standarte mit dem Eisernen Kreuz, das zu Beginn der Befreiungskriege gestiftet worden war, umgeben von einem Eichenlaubkranz und einem darüber schwebenden preußischen Adler. Das „Tor des Friedens“ wurde in ein „Denkmal des Befreiungskrieges“ umgedeutet und die Eirene, die Göttin des Friedens, nun Siegesgöttin Victoria genannt. Mit der feierlichen Enthüllung der Quadriga mussten die Berliner aber noch bis zum Einzug des siegreichen preußischen Heeres am 7. August 1814 warten.

Seit dem Einmarsch Napoleons von 1806 nahmen fast sämtliche Triumphzüge, Paraden und Empfange jetzt ihren Weg durch das Brandenburger Tor. Doch der Festzug vom 7. August 1814 unterschied sich wesentlich von späteren Triumphzügen. Er galt den durch eine Volkserhebung, den aufopferungsvollen Kampf des Volkes siegreich beendeten Befreiungskriegen.

Die kleine Grünanlage zwischen Zeughaus und Universitätsstraße war in den Jahren nach 1815, nach ihrer Neugestaltung durch den Baumeister Karl Friedrich Schinkel zu einem beliebten Treffpunkt der Berliner und einem besonderen Anziehungspunkt der „Linden“ geworden. Unter den schattigen Kastanien gaben sich junge Männer und Mädchen ein Stelldichein. Berühmte Persönlichkeiten, Dozenten der nahen Universität, ergingen sich hier an der Königswache und im benachbarten Universitätsgarten, der bis zum Anbau der Seitenflügel noch zum Kastanienwäldchen gehörte, Studenten erholten sich von Vorlesungen, die Mappe unterm Arm. Am Abend fanden sich dann die Liebespaare unter den Bäumen zum Rendezvous.

Wenige Baumeister haben das Gesicht einer Stadt so bestimmend gestaltet und geprägt wie Karl Friedrich Schinkel. Man erkennt sein Wirken nicht nur in dem zweckmäßigen, klassizistischen Stil vieler Berliner Bauten, wie dem Alten Museum, dem Schauspielhaus und der Neuen Wache, sondern auch in der Gestaltung des Straßen- und Platzbildes.

Neue Wache Die Krönung aller Bau arbeiten Schinkels bildete die Neue Wache, da die alte Königswache, ein kleiner Backsteinbau mit hohem Ziegeldach, den durch seine bevorzugte Lage repräsentativen Platz nicht verschönern konnte. Das Gebäude folgt der Form eines römischen Tempels mit einem Innenhof, vier zu Mauertürmen verstärkten Ecken, einer Säulenvorhalle und einem Giebelfeld. In der Verbindung des wehrhaft geschlossenen Backstein-Mauerwerks mit einer offenen griechischen Säulenhalle entstand eines der gelungensten und besten Bauwerke des deutschen Klassizismus.

Im Jahre 1818 wurde das fertige Gebäude von der Wache bezogen. In seinem Innern befanden sich zu rechter Hand die große Wachstube und links das Offizierwachzimmer, Büros für militärische Zwecke und ein Arrestlokal. Hier wurden am 18. Oktober 1906 auch die beiden Köpenicker Stadtväter als angebliche Gefangene Seiner Majestät eingeliefert, nachdem ein Schuster namens Wilhelm Voigt in Hauptmannsuniform mit seiner tolldreisten Aktion in Köpenick die Hohlheit des preußischen Militarismus treffend entlarvt hatte. Im Jahre 1931 wurde das Gebäude zu einem „Reichsehrenmal“ der Gefallenen des ersten Weltkrieges umgebaut und dabei jener weihevolle Innenraum für Kranzniederlegungen mit dem 2 Meter hohen schwarzen Stein aus schwedischem Granit geschaffen.

Die „Linden“ im Feuerstrom. In dichten Kolonnen zogen Männer im braunen Hemd durch das Brandenburger Tor und erfüllten die „Linden“ mit dem unerbittlichen Gleichklang marschierender Stiefel, dem dumpfen Wirbel großer Trommeln und dem Rhythmus militärischer Lieder. Die Fackeln, die sie trugen, bildeten einen einzigen Feuerstrom, einen Strom, dessen Wellen ununterbrochen aufeinander folgten, einen schwellenden Strom, der in das Herz Berlins vorstieß.

Lodernde Packeln und kriegerische Fanfaren leiteten die Machtergreifung des Faschismus an jenem Abend des 30. Januar 1933 ein, und bereits die ersten Maßnahmen zeigten den wahren Charakter der Hitlerdiktatur. Es folgten Terror und Verfolgung Schlag auf Schlag.

Am Abend des 27. Februar 1933 schoss eine Flammensäule hinter dem Brandenburger Tor empor. Tausende von Berlinern eilten zu den „Linden“. Eine riesige Rauchwolke erhob sich über dem mächtigen Gebäude des Reichstages, in dem seit seiner Erbauung in den Jahren 1884-1894 die Vertreter der Parteien und Klassen zusammenkamen. Schon kurze Zeit nach dem Ausbruch des Brandes wurden die Kommunisten vor Vertretern der Presse beschuldigt. Noch in der gleichen Nacht setzte eine brutale Polizeiaktion gegen Kommunisten, Sozialdemokraten und fortschrittliche Intellektuelle ein.

Das faschistische Gesetz vom 7. April 1933 entfernte Juden sowie „politisch Unzuverlässige“ aus dem Staatsdienst und aus wissenschaftlichen und künstlerischen Institutionen wie Verlagen, Museen, Akademien und Hochschulen. Die Universität musste etwa 150 Professoren und Dozenten, darunter Wissenschaftler von Weltruf, entlassen. Es kam zum Abbruch von Vorlesungen und zu Zusammenstößen im Hauptgebäude Unter den Linden.

Tausende von Gelehrten und Künstlern, oft die Besten ihres Fachgebietes, verließen die Heimat. Eine weitere Aktion der Nazis spielte sich ebenfalls an der Universität ab. Am Abend des 10. Mai 1933 loderte auf dem Opernplatz ein großer Scheiterhaufen auf, wurden die Werke von Karl Marx, Friedrich Engels und W.l.Lenin, von Henry Barbusse, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Maxim Gorki, Egon Erwin Kisch, Erich Kästner, Heinrich und Thomas Mann, Romain Rolland, Arnold Zweig und anderen in die Flammen geworfen und aus den Bibliotheken verbannt. Im Jahre 1823 hatte Heinrich Heine geschrieben: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“ – 110 Jahre später warfen aufgeputschte braune Horden seine Bücher und die Werke bedeutender Autoren in die Flammen. In den Konzentrationslagern ging bald der zweite Teil jener apokalyptischen Prophezeiung Heines in Erfüllung.

Am nächsten Morgen feierten die Nazis die „Selbstreinigung des deutschen Volkes von artfremden Schwären“. Auf den „Linden“ wirbelten noch verkohlte Buchseiten umher, roch es nach Feuer und Asche. Viele fragten sich bang: Wann wird der dritte Brand entzündet?

Im Morgengrauen des 22. Juni 1941 fielen 190 faschistische Divisionen heimtückisch in die Sowjetunion ein. Die faschistische Wehrmacht setzte zum fünften Male innerhalb von 2 Jahren zu einem neuen Feldzug an; es war ihr bereits gelungen, Polen, Dänemarks, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Jugoslawien und Griechenland zu erobern und in Nordafrika Fuß zu fassen. Doch Hitlers Hoffnungen auf einen Blitzkrieg von wenigen Monaten laut der Weisung 21 (Fall Barbarossa) zerschlugen sich trotz anfänglicher militärischer Erfolge. In einem lang andauernden, schweren und aufopferungsvollen, vom ganzen Volk getragenen Kampf leistete unser Land erbitterten Widerstand, ging zur Gegenoffensive und leitete dann mit der Verteidigung von Moskau und der Schlacht an der Wolga die grundlegende Wende im Verlauf des zweiten Weltkrieges ein. Von nun an wurde die faschistische Wehrmacht unaufhaltsam zurückgeworfen.

An der Straße Unter den Linden ging der Krieg nicht spurlos vorüber. In der Nacht vom 9. zum 10. April 1941 fielen die ersten Bomben auf die „Linden“. Ein großer Teil der Straße stand in Flammen, das Opernhaus brannte völlig aus. Der Wiederaufbau des Theaters dauerte 18 Monate. Als Eröffnungstag wurde der 7. Dezember 1942 bestimmt der 200. Jahrestag der Einweihung der Knobelsdorff-Oper. Danach konnte das Haus nur zwei Jahre spielen. Am 3. Februar 1945 wurde es bei einem Großangriff auf Berlin durch Brand- und Sprengbomben erneut schwer getroffen. Stück um Stück versanken die „Linden“ in Trümmer und Asche.

Ende Januar 1945 erreichten die sowjetischen Truppen die Oder und gingen zu abschließenden Angriffshandlungen über. Am 16. April 1945 begann die Schlacht um Berlin. In erbittertem Straßenkampf eroberten die Sowjetsoldaten die Stadt.

Um die Mittagsstunde des 21. April schlugen Unter den Linden die ersten Granaten ein. SS-Einheiten machten „Linden“ und Reichstag zum letzten Schlachtfeld, zum Schauplatz eines sinnlosen „Endkampfes“. Ein erbittertes Ringen entspann sich um jedes einzelne Haus. Erst am 1. Mai konnten die Sowjetsoldaten zum Brandenburger Tor vorrücken, während der Reichstag bereits besetzt und auf seiner Kuppel am 30. April die Siegesfahne gehisst worden war. In der Nacht zu jenem 1. Mai flatterte zum ersten Mal die rote Fahne auch über dem Brandenburger Tor, das jahrzehntelang Triumphtor von Eroberungskriegen und Militärparaden gewesen war. Jetzt wehte hier das Symbol der Befreiung Deutschlands vom Faschismus und Militarismus. Die Straße Unter den Linden bot ein erschütterndes Bild. Zahlreiche Gebäude waren bis zum Erdgeschoß ausgebrannt; Skelette von Eisenträgern und umgestürzte Marmorsäulen erinnerten an einstige Prachtbauten. Auf den Fahrbahnen türmten sich Trümmer und herausgerissene Asphaltbrocken, die Mittelpromenade war zu einer Kraterlandschaft umgepflügt. Die Lindenbäume waren verbrannt. Bomben hatten das Innere des Zeughauses schwer getroffen. Die Quadriga war zerschossen, die beiden Wachhäuser ausgebrannt, das Tor beschädigt. Rauchschwaden lagen über der Straße. Die „Linden“ waren tot, waren untergegangen im Inferno des zweiten Weltkrieges. Glanz und Glorie der einstigen Pracht- und Repräsentationsstraße der preußischen Residenz und der Via Triumphales des preußisch-deutschen Kaiserreiches und des „Tausendjährigen Reiches“ waren unwiederbringlich dahin. Doch Berlins führende Straße sollte in völlig neuer Gestalt, von neuem Leben erfüllt, wiedererstehen.



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