Der Begriff der Aussprachenorm 


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Der Begriff der Aussprachenorm



Die Sprache ist eine soziale Erscheinung, sie dient der Gesellschaft und muss deshalb die Verständigung in der Gesellschaft ermöglichen. Der Mensch muss sich bestimmten Normen anpassen, wenn er verstanden werden will. „Diese Normen sind Gesamtheit der stabilen, traditionellen, durch die gesellschaftliche Sprachpraxis ausgewählten und fixierten Realisierungen des Sprachsystems" [54].

O.S. Achmanowa versteht unter Sprachnorm einerseits den allgemein gültigen Gebrauch in der Rede von sprachlichen (grammatischen, lexikalischen, phraseologischen, phonetischen) Mitteln und andererseits die Ge­samtheit von Regeln, die diesen Gebrauch in der Rede des Individuums ordnen [79]. Die Sprachnorm ist also eine Gebrauchsnorm und zugleich die Vorschrift, die den Sprachgebrauch regelt. Der Sprachgebrauch wird durch die Situation bedingt und geregelt, so ist, z.B. die Aussprache in der offiziellen Rede und in der Umgangssprache verschieden normiert.

Die mündliche Anwendung der Sprache ist mit der Aussprache ver­bunden, mit einer bestimmten Aussprachenorm. Diese Aussprachenorm wird nicht willkürlich von den Menschen geschaffen und nach Wunsch verändert. Sie bildet sich im Laufe der historischen Entwicklung der Sprache. Sie ist eine Erscheinungsform der sprachlichen Norm im allgemeinen, sie wird durch langen Sprachgebrauch geregelt und kodifiziert, so dass sie zur Norm der Aussprache (der orthoepischen Norm) eines be­stimmten Zeitabschnitts wird.

Der Begriff Orthoepie stammt aus dem Griechischen (orthos - richtig, epos - die Rede) und dient als Bezeichnung der sprachwissenschaftlichen Teildisziplin; die aus der Vielzahl der im sprachlichen Verkehr vorkommenden Aussprachevarianten diejenigen ermittelt, die für die Literatursprache als vorbildlich gelten.

Die orthoepische Norm des Deutschen (die allgemeine deutsche Stan­dardaussprache) wird durch folgende wesentliche Züge [9, S. 30] charakterisiert:

- Die Aussprachenorm ist eine Gebrauchsnorm, die der Sprechwirklichkeit nahe kommt;

- Sie ist schriftnah, d.h., sie wird durch das Schriftbild bestimmt;

- Sie ist überregional, d.h., sie enthält keine typisch landschaftlichen Ausspracheformen;

- Sie ist einheitlich. Varianten werden ausgeschaltet oder auf ein Mindestmass beschränkt;

- Sie ist deutlich.

Als Vorbild der Verwendung der deutschen Standardaussprache dienen drei Massenmedien: Rundfunk, Fernsehen und Film.

 

3. DIE KODIFIZIERUNG DER DEUTSCHEN AUSSPRACHENORM

Die Herausbildung der deutschen Sprachnorm und die deutsche Ausspracheregelung sind im Zusammenhang mit der politischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung des Landes zu betrachten.

Die Grundlage der Aussprachenorm der meisten Nationalsprachen bildete bis zum 20. Jh. die Aussprache der Hauptstadt des Landes. So galt die Moskauer Aussprache z.B. als Aussprachenorm für die russische Sprache, die Londoner Aussprache als Norm für die englische Sprache, und die Aussprache der Hauptstadt Frankreichs Paris war als Aussprachenorm für die französische Sprache anerkannt.

Der Werdegang der Literatursprache in Deutschland und die Regelung der deutschen Aussprachenorm gingen einen besonderen historischen Weg, weil Deutschland bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kein politisches, ökonomisches und kulturelles Zentrum hatte und in mehr als 360 Länder und Fürstentümer zersplittert war, wobei jedes Land bzw. Fürstentum seine eigene Hauptstadt hatte und auf seine vollständige Unabhängigkeit und Selbständigkeit Anspruch erhob. Es gab also keine einheitliche deutsche Nationalsprache, jedes Land sprach seine eigene Mundart. Die dialektalen Unterschiede in der Sprache, besonders in der Aussprache, waren stark ausgeprägt. Keine der deutschen Grossstädte, wie Leipzig, Berlin, München usw., war zur Hauptstadt erhoben. Die Sprechweise dieser Städte konnte nicht als Muster der Aussprache für ganz Deutschland dienen. Nachdem Deutschland 1871 vereinigt und Berlin zur Hauptstadt des Staates erklärt wurde, gab es immer noch keine einheitliche Aussprache.

Bei der Entwicklung der deutschen Nationalsprache sind zwei Prozesse zu beobachten: zum einen die Schaffung einer einheitlichen deutschen Sprache und zum anderen die Regelung, die Unifizierung der lautlichen Seite dieser Sprache, d.h. der Aussprache. Besonders notwendig war die Schaffung eines einheitlichen Wortbestandes (Lexik) und grammatischen Baus (Grammatik), andererseits einer überregionalen Aussprache. Die Verwirklichung dieser Prozesse verlief parallel zur Entwicklung und Konsolidierung der deutschen Nation.

Vom 15. bis zum 18. Jh. spielte Obersachsen (Ostmitteldeutsch) unter den deutschen Ländern in politischer, ökonomischer und kultureller Hinsicht die führende Rolle, und hier in dem hochdeutschen Sprachgebiet („hochdeutsch" bedeutet „gebirgig, Hochland") bildete sich die einheitliche Sprachnorm (vor allem ist die Schriftsprache, die sog. Literatursprache gemeint) heraus. Die sächsische Kanzlei und die sächsischen Druckereien übten auf die Herausbildung der hochdeutschen Sprachnorm einen grossen Einfluss aus. Die Kanzleien spielten damals auch deshalb eine wichtige Rolle, weil die Kanzleibeamten in den Schulen lehrten.

Einen bedeutenden Beitrag zur Herausbildung der hochdeutschen Schriftsprache leistete der Reformator Martin Luther, der die Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzte.

Die werdende einheitliche hochdeutsche Sprachnorm verbreitete sich in ostmitteldeutschen Städten und erhob sich somit über die Mundarten. Unter „Hochdeutsch" verstand man dabei das „Musterdeutsch". Das war keine gesprochene, sondern eine geschriebene Sprache. M. Luther hat diese Sprache, „geschrieben, nicht geredet".

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlor Sachsen seine führende politische Rolle in Deutschland. Zur Zeit der Ausspracheregelung im 19. Jahrhundert gewann Norddeutschland an politischer und ökonomischer Bedeutung. Die Aussprache des Niederdeutschen, das nach dem Bodenrelief des norddeutschen Tieflands genannt wurde, war „reiner" und hatte mehr lautliche Vorteile. Sie war auch schriftnah, d.h., sie stimmte mit der Rechtschreibung überein. J.W. von Goethe betonte, dass er an der Aus­sprache der gebildeten Menschen in Norddeutschland wenig auszusetzen habe und dass sie als musterhaft gelten könne. So bildete die Aussprache des Norddeutschen die Grundlage für die Aussprachenorm. Die deutsche Literatursprache ist also der Form nach hochdeutsch (ostmitteldeutsch sind Lexik und Grammatik), der Aussprache nach niederdeutsch-norddeutsch. Der deutsche Phonetiker Wilhelm Viëtor sprach von einer hochdeutschen Sprachnorm in einer niederdeutschen Aussprache.

Die deutschen Schriftsteller und Dichter G.E. Lessing, J.G. Herder, Fr. Schiller und J.W. von Goethe leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Regelung der deutschen Aussprache.

Die erste Etappe der Kodifizierung der deutschen Aussprache begann Ende des 19. Jahrhunderts. An der Erarbeitung der ausgleichenden Regelung der deutschen Bühnenausprache nahmen Wilhelm Viëtor, Eduard Sievers, Karl Luick und Theodor Siebs teil. 1885 erschien das Buch „Die Aussprache des Schriftdeutschen" von W. Viëtor.

Der deutsche Germanist Th. Siebs setzte die Arbeit an der Untersuchung der gesprochenen Sprache fort. Als Grundlage für die Normierung der deutschen Aussprache betrachtete Siebs die Aussprache der Schau­spieler, die sich ihrerseits auf das Norddeutsche stützten. Im Jahre 1898 ver­suchte er mit anderen namhaften Philologen und anerkannten Schauspielern, die deutsche Bühnenaussprache zu regeln und zu kodifizieren.

Die Ergebnisse der Untersuchungen von Th. Siebs und seinen Mitarbeitern wurden einer sachkundigen Kommission vorgelegt, die die Resultate der Arbeit eingehend analysierte. Als Ergebnis erschien 1898 die erste Auflage der „Deutschen Bühnenaussprache" von Th. Siebs.

Das Buch spielte eine grosse Rolle hinsichtlich der Regelung und Kodifizierung der deutschen Aussprachenorm. Es erlebte bis 1969 neunzehn Auflagen und erschien später unter den Titeln „Hochsprache" und „Hochlautung".

Die Arbeit an der Normierung und Kodifizierung der deutschen Aussprache wurde nach dem zweiten Weltkrieg in beiden deutschen Staaten fortgesetzt.

1959 gründete man in Leipzig auf Vorschlag von Hans Krech die Redaktion des „Aussprachewörterbuches der allgemeinen deutschen Hoch­lautung". Unter der Leitung von H. Krech wurde das Programm für experimentell-sprechwissenschaftliche Untersuchungen aufgestellt, die in den nächsten Jahren durchgeführt werden sollten.

Als Normierungsgrundlage für die Kodifizierung der deutschen Aussprache wählte man die Aussprache der Rundfunk- und Fernsehsprecher in Nachrichtensendungen, Programmansagen, Lesungen künstlerischer Texte und wissenschaftlicher Artikel.

Die erste Auflage des „Wörterbuches der deutschen Aussprache" (gekürzt: WdA) erschien in Leipzig (Bibliographisches Institut), im Jahre 1964. Das Wörterbuch erlebte noch drei Auflagen: 1969, 1972, 1974.

Im Jahre 1962 erschien in Mannheim das Duden-Aussprachewörterbuch, Band 6, bearbeitet von Max Mangold und der Dudenredaktion unter Leitung von Paul Grebe.

Die neue Auflage des Duden-Aussprachewörterbuches von 1974 (zweite, völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage) heisst „Aussprachewörter­buch. Wörterbuch der deutschen Standardaussprache". Im Duden-Aussprachewörterbuch 1990 wird auf die Unterschiede zwischen Standardaussprache und Bühnenaus­sprache einerseits und zwischen Hochlautung und Nichthochlautung andererseits hingewiesen.

1982 erschien das „Grosse Wörterbuch der deutschen Aussprache". Zum Unterschied von allen bisher veröffentlichten deutschen orthoepischen Wörterbüchern werden in diesem Wörterbuch stilistische Varianten der deutschen Standardaussprache kodifiziert. Als phonostilistische Varian­ten werden ihre situationsbedingten Realisierungsformen angesehen.

Vgl: - haben [ha:bn] „Großes [ha:bm] oder [ha:bәn]

„Duden" -folgen [folgn] WdA" [folgh] oder [folgәn]

-finden [findn] [findn] oder [findәn]

 



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