Gustav Klimt und Alma Maria Schindler 


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Gustav Klimt und Alma Maria Schindler



Eigentlich kennt er sie schon, wie sie noch ein Kind im Vorschulalter ist: Die Schindlers haben im Spätjahr 1884 Schloß Plankenberg bezogen, ein weitläufiges Anwesen zwischen Neulengbach und Tulln, und der junge Klimt, Absolvent der Wiener Kunstgewerbeschule, macht dem Herrn Hofmaler auf dessen grandseigneuralem Ansitz mit Barockpark, Nußbaumallee und angrenzendem Weinberg seine Aufwartung. Das lebhafte Mädchen von fünf Jahren, das dem Vater über die Schulter blicken darf, wenn er seinen Landschaftsbildern im Atelier den letzten Schliff gibt, macht auf den Zweiundzwanzigjährigen so starken Eindruck, daß er sich einen eigenen Kosenamen für sie ausdenkt:»Quirl«. Auch»Prinzessin«würde passen: Das bildhübsche, aufgeweckte Kind wächst auf der prächtigen Liechtenstein-Besitzung, die Fürst Karl dem Waldmüller-Nachfolger Emil Jakob Schindler und dessen Familie zu günstigsten Konditionen zur Verfügung gestellt hat, wie eine Hoheit heran.

Als Gustav Klimt zum zweiten Male – und nun sehr viel nachhaltiger – in Alma Maria Schindlers Leben tritt, ist sie siebzehn und er genau doppelt so alt. Ihr über alles geliebter Vater, früh verbraucht, ist seit fünf Jahren tot; ihre Mutter, die aus Hamburg stammende Operettensängerin mit der abgebrochenen Karriere, hat wieder geheiratet: Schindlers Meisterschüler und Assistenten Carl Moll.

Alma, die an der Mutter die kleinbürgerliche Enge und am Stiefvater das Gschaftlhuberische haßt, ist sehr gegen die neue Verbindung: "Mir geht Schweiß ab, wenn ich an diesen Tag denke. Welch eine Schmach für den Vater, dass dieses Weib ihn übers Grab betrog! Betrug, Be trug, Betrug! Sie spielt für mich keine Rolle mehr. Ich bin die Tochter, aber sie ist kaum meine Mutter.«

Und über Carl Moll, der sich nun als ihr Erzieher aufzuspielen versucht:

»Sie hat einen Perpendikel geheiratet, und mein Vater war doch eine Wesensuhr!«Wie ein»mittelalterlicher holzgeschnitzter heiliger Joseph«kommt er ihr vor:»Er stört meine Kreise in der aufdringlichsten Weise.«

Alma zieht sich also von ihrer»sogenannten Familie«zurück und sucht Zuflucht bei Musik und Literatur. Um selber komponieren zu können, lernt sie bei dem blinden Organisten Josef Labor Kontrapunkt und studiert Wagner-Partituren; ihren schönen Mezzosopran richtet sie mit zügelloser Singerei zugrunde. Daß ihre Mutter kaum Zeit für sie hat, kann ihr nur recht sein: So gelingt es Alma, sich von der häuslichen Umgebung abzukapseln und sich ganz ihr eigenes Leben einzurichten. Versteckt unter einem weiten Cape, schleppt sie ihre Kinderbücher zum Antiquar und tauscht sie gegen Autoren wie Bierbaum und Liliencron ein. Burgtheaterdirektor Max Burckhard, der sich der jungen Halbwaise annimmt, schickt zu Weihnachten zwei Dienstmänner los, die Waschkörbe voller Bücher bei ihr abliefern: Klassiker in den schönsten Ausgaben. Als sie fünf Jahre später Gustav Mahlers Frau wird, kann sie damit auftrumpfen, daß ihre Bibliothek größer sei als die seine.

Dieser Max Burckhard, ein exzentrischer Lebenskünstler und Mann von höchster Bildung, ist der erste in der Reihe reifer Männer, die Almas Jungmädchennimbus erliegen: Er führt die fünfundzwanzig Jahre Jüngere in die Gedankenwelt Nietzsches ein, liest mit ihr Dehmel- und Rilke-Verse, läßt ihr Burgtheaterkarten zukommen und diskutiert mit ihr die neuen Stücke, Bearbeitungen und Aufführungen. Daß bei gemeinsamen Radpartien Almas Mutter als Anstandsdame im Landauer hinterherfährt, ist eine überflüssige Vorsichtsmaßnahme: Sosehr die Siebzehnjährige das geistvolle Gespräch mit ihrem Mentor sucht, so gewiß gehen dessen erotische Annäherungsversuche ins Leere. Burckhard, seinerseits leidenschaftlich verliebt in seinen Zögling, ist nicht der Mann, die sexuell Unerweckte zu erwecken: Er reizt sie einfach nicht. Wie sie seine Avancen immer wieder mit kraß-herzlosen Scherzen abwehrt, macht ihn rasend; ihre Sprodigkeit verwechselt er mit Koketterie. Sie ihrerseits findet es auf die Dauer langweilig, daß er ihr, kaum hat er sich beleidigt von ihr zurückgezogen, sogleich wieder aufs neue nachstellt.

Ganz anders Gustav Klimt. Ein Faun – voller Schönheit, Wildheit und Kraft. Zwar noch weit entfernt von der Meisterschaft seiner späteren Frauenporträts, ist er doch schon ein berühmter Mann: Für seine Beitrage bei der Ausgestaltung der Stiegenhäuser des neuen Burgtheaters und des Kunsthistorischen Museums wird ihm»Allerhöchstes Lob«aus dem Munde Kaiser Franz Josephs zuteil.

Unter der Künstlerschaft im Wien der Jahrhundertwende gart es: Klimt und seine Malerkollegen Kolo Moser und Josef Engelhart, der Bildhauer Arthur Strasser und die Architekten Joseph Olbrich und Josef Hoffmann schließen sich in gemeinsamer Abkehr vom akademisch-sterilen und kommerziell-korrupten Künstlerhaus zusammen und schmieden im Verborgenen Plane zu revolutionärem Neubeginn.

Auch Carl Moll, Almas Stiefvater, zahlt zu den treibenden Kräften der sich anbahnenden»Secession«. An seinem neuen Wohnsitz – Schloß Plankenberg hat man längst aufgegeben, und auch aus dem Haus auf der Hohen Warte ist man, um dem Kunstbetrieb in der Inneren Stadt näher zu sein, ausgezogen: in die Theresianumgasse beim Belvedere – finden die ersten Katakombensitzungen statt.

Klimt, von den Gründungsmitgliedern der»Secession«dazu ausersehen, deren erster Präsident zu werden, begegnet bei dieser Gelegenheit Alma: Die Tochter des Hauses, in alle Geheimpläne eingeweiht, nimmt an den Vorgängen so leidenschaftlichen Anteil, daß sie neben ihren musikalischen und literarischen Neigungen nun auch ihre bildnerische Ader entdeckt: Die Siebzehnjährige nimmt Unterricht im Zeichnen und Malen, und einige ihrer Tonskulpturen aus jenen Tagen werden sogar bei Wettbewerben prämiiert.

Natürlich ist auch im Hause Moll bekannt, was für ein Schürzenjäger dieser Gustav Klimt ist: Noch als Mann von Mitte Dreißig in der elterlichen Wohnung in der Westbahnstraße 36 lebend und von seiner Mutter und seinen beiden Schwestern kleinbürgerlich umsorgt, treibt er es um so ausschweifender in seinem Atelier, das er sich im Nachbarbezirk Josefstadt eingerichtet hat. Lebenslustige Modelle geben sich in dem Gartenpavillon des Hauses Josefstädter Straße 21 die Türklinke in die Hand, auch von so mancher Dame der Gesellschaft wird gemunkelt, sie gehe an der amourösen Adresse aus und ein. Ist er wirklich, als er sich in Alma verliebt und ihr ewige Treue schwört, bereit, sein Lotterleben aufzugeben?

Für die Ernsthaftigkeit seiner Gefühle spricht jedenfalls, daß Klimt seine neue»Flamme«voller Eifersucht bewacht, und als er erfährt, daß auch Max Burckhard ihr den Hof macht und sie laufend mit den erlesensten Geschenken überhäuft, schickt er Späher aus, die herausfinden sollen, ob sich zwischen dem Herrn Burgtheaterdirektor und dem Fräulein Schindler, wenn sich die beiden zur Jause in Schönbrunn treffen, wirklich nichts Unschickkicheres als ein gelegentlicher Handkuß.

Keine Sorge: Auch zwischen ihr und Klimt, obwohl sie dessen Zuneigung – im Gegensatz zu der Max Burckhards – stürmisch erwidert, kommt es nur zum Austausch harmloser Zärtlichkeiten. Sie wird es später offen beklagen:»Ich war von einer sträflichen Ahnungslosigkeit in Dingen der Liebe. Außerdem hatte ich die Moral der damaligen Zeit. Ich meinte, etwas 'Wichtiges' schützen zu müssen. Meine sogenannte gute Erziehung hat mein erstes Liebeswunder vernichtet."

Überall stellt Klimt der "Schindler-Tocter" nach; statt»Quirl«, wie er sie in Kindertragen rief, nennt er sie nun "Butterfly"; einen Liebesbrief an sie (den einzigen, der sich gefunden hat) unterzeichnet er mit "Dein ewigdürstiger Klimschi«

An den aristokratischen Stil ihres Vaters gewöhnt, dessen Generosität auch gelegentliche Verschuldung locker in Kauf nahm, leidet Alma unter dem Niveauverlust, der ihr Elternhaus kennzeichnet, seitdem dort Carl Moll den Ton angibt. Statt französischem Champagner kommt billiger Tokajer auf den Tisch, Salamischnitzel statt Rebhuhn und Lachs.

Vorbei all ihr Träumen von unermeßlichem Reichtum, um bedeutenden Künstlern ein sorgloses Leben bieten zu können, vorbei die romantischen Hirngespinste vom riesigen Garten in südlichen Gefilden, in dessen Ateliers sie die Großen ihrer Zeit um sich schart und verwöhnt. Die Italienreise, die sie im Sommer 1897 mit ihrer Familie unternimmt und der sich Gustav Klimt für eine Weile anschließt, ist da nur schaler Ersatz. Aber immerhin sind die beiden Liebenden einander nun, wenn auch unter Aufsicht, tagaus tagein nah, und das gemeinsame Erlebnis der Schönheiten des Nachbarlandes macht die»eiserne Jungfrau«auch für das ungestüme Werben ihres Anbeters um Grade empfänglicher.

Dabei geht der Plan, mit Klimt in Italien zusammenzutreffen, beinah schief: Der so robuste wie unternehmungslustige Naturbursch findet sich, da keiner Fremdsprache mächtig, im Ausland nicht zurecht. Es wird also vereinbart, daß man ihn in Florenz vom Zug abholt. Per Telegramm gibt er seine Ankunftszeit bekannt, Carl Moll findet sich pünktlich am Bahnhof ein. Da die Ausgänge unübersichtlich sind, erwartet er den Ankömmling beim äußeren Gittertor. Die Reisenden strömen heraus, doch unter ihnen kein Klimt. Sollte er den Zug verpaßt haben? Moll fragt den capo stazione, wann der nächste treno aus Wien ankommt. An diesem Tag keiner mehr. Also sucht er alle Winkel des Perrons ab und instinktiv auch die Wartesäle. Und wahrhaftig: Hier sitzt Gustav Klimt, den Handkoffer neben sich, verzagt auf einer Bank.

»Ja, wieso bist du denn nicht herausgekommen?«

»Weil niemand da war und i mi da net auskenn.«

»Und was hättest du getan, wenn ich nicht zur Bahn gekommen wäre, sondern dich im Hotel erwartet hätte; die Hotelwagen stehen doch am Bahnhof?«

»Wen hätt' ich denn da fragen sollen, i kann doch net Italienisch. I hatt1 halt am nächsten Zug g'wart' und war' wieder z'haus g'fahr'n.«

Aber nun ist ja doch noch alles gut gegangen, man lacht über das Vorgefallene, im Hotel wird der Ankömmling vom Rest der Familie gefeiert und mit Risotto und Asti spumante gelabt, und anderntags stürzt man sich gemeinsam ins Gewimmel von Florenz. Pisa, Genua, Mailand, Verona und Venedig sind die nächsten Stationen. Alma ist selig in ihrer Verliebtheit und hält jeden ihrer Schritte an der Seite des Verehrers in ihrem Tagebuch fest.

Das wird ihr in dem Moment zum Verhängnis, da Klimt sie zum erstenmal küßt und Almas Mutter, ihr Ehrenwort brechend, in die geheimen Aufzeichnungen der Tochter Einblick nimmt. Riesenkrach: Die gemeinsame Reise wird zwar programmgemäß fortgesetzt, doch Alma von Stund an unter strengste Aufsicht gestellt. Sogar ihre Geschwister sind dazu angehalten, sie zu bespitzeln, und Klimt darf nicht mehr das Wort an Alma richten. Erst im dichten Menschengewimmel des Markusplatzes gelingt es den beiden Verliebten, einander ungestört wiederzusehen. Klimt schwört ihr, alle anderen Beziehungen, sobald er wieder in Wien sei, abzubrechen, und nimmt ihr seinerseits das Versprechen ab, auf ihn zu warten.»Es war«, wird sie später in ihrem großen Lebensrückblick sagen,»wie eine heimliche Verlobung.«

Doch die Verletzungen, die ihr Vertrauensbruch und Freiheitsberaubung seitens der Familie zugefügt haben, wiegen schwerer als alle Verliebtheit: Wieder in Wien, befallen Alma Maria Schindler schwere Depressionen. Selbstmordgedanken wechseln mit Anfällen tiefster Verbitterung. Abermals, wie schon nach dem Tod des Vaters, sucht die nunmehr Achtzehnjährige in der Musik Zuflucht: Alma verlegt sich aufs Komponieren. Klimts beschwörende Bitten, ihn in seinem Atelier zu besuchen, verhallen ungehört. Eine unerfüllt gebliebene Liebe, der sie, ungeachtet so vieler erfüllter in späteren Jahren, ein Leben lang nachtrauern wird:

»Sooft wir uns später sahen, sagte er wohl: >Dein Zauber auf mich vergeht nicht, er wird immer stärker<, und auch ich zitterte, wenn ich ihn ansah, und so blieb es viele Jahre eine sonderbare Art von Verlöbnis – wie er das ja vor Jahren von mir verlangt hatte. Er hat es viele Jahre später selbst ausgesprochen: daß wir uns ein ganzes Leben gesucht und in Wirklichkeit nie gefunden haben.«

Während Klimt a la longue wieder sein gewohntes Leben aufnimmt und von einer Liaison in die andere taumelt (lauter»wertlose Frauenzimmer«, wie Alma ebenso verbittert wie arrogant urteilt), läßt sich Alma Maria Schindler von der»wilden Komponiererei«, in der sie ihr»Leid zu gestalten«versucht, in eine neue Beziehung treiben, die sogar ihr selber wie ein Rätsel vorkommt:»Er war ein scheußlicher Gnom. Klein, kinnlos, zahnlos, immer nach Kaffeehaus riechend, ungewaschen – und doch durch seine geistige Schärfe und Starke ungeheuer faszinierend«: der Komponist Alexander von Zemhnsky.»Es war fast selbstverständlich, daß ich mich in ihn verliebte.«Ja, sogar von Heiraten ist die Rede. Da tritt Gustav Mahler auf den Plan...

Die Geschichte von Alma Maria Schindlers erster Liebe wäre unvollständig, bliebe ihre Reaktion auf Gustav Klimts Tod unerwähnt. Am 11. Jänner 1918 erleidet der erst Fünfundfünfzigjährige in seiner Wohnung im Bezirk Neubau einen Schlaganfall, am 6. Februar stirbt er im Allgemeinen Krankenhaus an den Folgen einer grippösen Lungenentzündung. Alma Mahler, inzwischen seit beinah sieben Jahren Witwe und längst auch von Oskar Kokoschka und Walter Gropius getrennt, steht am Beginn ihrer Liaison mit Franz Werfel. Der Tod des Jugendfreundes, dem sie in ihrem Tagebuch mit dem Satz»Ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben, allerdings in sehr verwandelter Form" gedenkt, erschüttert sie so tief, dass Werfel sie in Tränen aufgelöst antrifft. Doch statt dem Geliebten in klaren Worten den Grund ihrer Verstörtheit zu erklären, setzt sie sich – echt Alma! – an den Flügel und spielt ihm "Posas Abschied" aus 'Don Carlos' vor. Sie weiß, das wird den Verdi-Fan Werfel vor Rührung übermannen, und damit hat sie ihn in der passenden Stimmung, ihn in das Vorgefallene einzuweihen.

«Sehr geehrte gnädige Fräuleins...»



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