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Deutsche Phraseologie und ihre Besonderheiten

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Bis jetzt wird die Stellung der Phraseologie innerhalb der Lexikologie umstritten.

Sinder und Streuewa, Lewkowskaja behandeln Phraseologie als eine besondere lexikalische Schicht im Wortbestand der Sprache.Tschernyschowa, Amosowa meinen, dass Phraseologie eine selbstständige linguistische Disziplin ist.Jede Wissenschaft hat ihre Forschungsobjekte und spezialisierte Forschungsverfahren. Die Phraseologismen sind bilaterale (zweiseitige) Spracheinheiten, aber im Vergleich zum Lexem (Wort) unterscheiden sie sich nach der Semantik und Form. Sie verfügen über besondere Semantik. Das semantische Resultat dieser Phraseologierungsprozesse ist nicht nur von der syntaktischen Struktur abhängig, sondern vom Komponentenbestand, der oft transformiert wird.Frei syntaktische Verbindungen werden nach strukturell-semantischen Modellen gebildet.Unter dem strukturell-semantischen Modell verstehen wir Analoge, freie, vereinzelt auch halbfreie Wortverbindungen, die sich um ein Grundwort gruppieren.Die freie synt. Wortverbindungen sind variabel und labil. Aber alle diese Änderungen vollziehen sich im Rahmen des Modells.Die Phraseologismen sind in der Semantik, in der Struktur und im Gebrauch stabil. Das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung der phraseologischen Wortfügungen ist die semantische Transformation der Komponenten (Umdeutung).

Es gibt zwei Arten stehender Wortfügngen:

• umgedeutete (dazu gehören solche Wortverbindungen, deren Gesammtbedeutung sich verändert hat und mit der Summe der Komponenten nicht zusammenfällt: z.B. Spaß machen – jdm Vergnügen machen)

• nicht umgedeutete (die Bedeutung des Ganzen entspricht der Summe der Bedeutungen der Komponente und bleibt im Vergleich mit diesen unverändert: z.B. freie christliche Jugend bedeutet demokratische, unabhängige Jugend)

 

15. Hintergrundkenntnisse als kulturelles und semantisches Phänomen

Die Hintergrundwissen. Das sind die Kenntnissen der Realien und der Begriffe der Menschen, die für eine erfolgreiche interkulturelle Kommunikation notwendig sind. Es handelt sich hier um viele extralinguistische Kenntnisse, z.B. solche wie Geschichte-, Ökonomik- und Politikkenntnisse u.a.m.

Unbestritten ist, daß der soziokulturelle Wortschatz große Verständnisschwierigkeiten in sich bergen kann. Aus der didaktischen Perspektive heraus stellt sich die Frage, welche Bestandteile des soziokulturellen Wortschatzes für die erfolgreiche interkulturelle Kommunikation und die Rezeption verschiedener Texte unentbehrlich sind. Bei der Auswahl der soziokulturellen Wortschatz-Einheiten ist das historische Prinzip wichtig. Die zukünftigen Fremdsprachenphilologen sollten mit dem Sprachgebrauch der wichtigen Epochen bekannt gemacht werden: Für die deutsche Sprache des 20. Jahrhunderts sind das der Sprachgebrauch im Dritten Reich, die Sprache des geteilten Deutschlands sowie der Sprachgebrauch der Wende- und Nachwendezeit. Dabei ist dem aktuellen soziokulturellen Wortschatz Vorrang zu geben, weil er nicht immer oder erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit in den Wörterbüchern fixiert wird. Da es kaum möglich sein dürfte, den gesamten soziokulturellen Wortschatz einer Epoche zu vermitteln, sollte darauf geachtet werden, die jeweiligen Schlüsselwörter auszuwählen und den Studierenden daneben ausreichendes historisches Hintergrundwissen an die Hand zu geben, um sie in die Lage zu versetzen, sich ihnen unbekannte Wörter im Kontext selbständig erschließen zu können.

Zu diesem Korpus gehören unter anderem Sprichwörter, Slogans und Aphorismen, die in ihrer Gesamtbedeutung, in der Bedeutung einzelner Komponenten oder auf der formalen Ebene nationalkulturell geprägt sind, z.B.: „Nix Ossi, nix Wessi – Wir sind alle Nordis!“ – Slogan der Gewerkschaft in Mecklenburg-Vorpommern.

„Die Kleinen hängt man, die Großen läst man laufen“ – Sprichwort des Jahres 1992 im Zusammenhang mit der Debatte um den Honecker-Prozess.

Oft erscheinen bekannte Aussprüche in einer sprachspielerisch-modifizierten Form. Die neue Aussage gewinnt dadurch zwar an Expressivität, kann jedoch nur im Zusammenhang mit dem „Muster“ dekodiert werden: „Jetzt wäscht zusammen, was zusammengehört“ – Werbung des ersten gesamtdeutschen Waschmittels. „Deutschland eilig Vaterland; Deutschland einig Mutterland?; Deutschland einig Autoland! – Anspielungen auf ein Zitat aus DDR-Nationalhymne: „Deutschland, einig Vaterland: Dieses Zitat wird je nach Bedarf abgewandelt, um die Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen zum Ausdruck zu bringen, hier mit dem zu schnellen Gang der Wiedervereinigung, mit der unzulänglichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen und mit der rasanten Zunahme der Verkehrsdichte in den neuen Bundesländern. Diese Beispiele bieten aktuellen Stoff für Stilistik und Textinterpretation.

 

 

16. lexikalischer Einheiten. Ziel ist u.a. eine Aufklärung und Systematisierung semantischer Relationen zwischen Lexemen und der darüber gegebenen Strukturierung des Wortbestands. Die wörtlichen, kontextunabhängigen Bedeutungen von Wörtern sollen "herausgefiltert" werden, da für eine sinnvolle Kommunikation ein annähernd gleicher Bedeutungsvorrat im Langzeitgedächtnis eine Grundvoraussetzung ist. Relationen, die zwischen den Bedeutungen bestehen, werden Sinnrelationen genannt. Bedeutungen sind offensichtlich eng mit den Bedeutungen anderer Wörter verknüft (wie bei dick/dünn, Bruder/Schwester). Bei aktuellen Arbeiten zur Lexikalischen Semantik steht der Beitrag des Lexikons zur Ermittlung von Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung im Vordergrund. Es geht um die Frage, ob und wie sich das morphosyntaktische Verhalten von Lexemen aus ihrer internen semantischen Struktur herleiten lässt und darum, wie die Verbindung zwischen lexikalischem Wissen und enzyklopädischem Wissen, also Weltwissen, ist. Somit gilt das weitergehende Interesse der lexikalischen Semantik der Standortbestimmung des Lexikons im Verhältnis zur Grammatik und zum Begriffssystem.

In phraseologischen Einheiten finden vor allem Besonderheiten der Naturumwelt ihren Ausdruck. Sie können über einige Einzelheiten des Volkslebens, dessen Sitten und Bräuche, historische Ereignisse einen Aufschluss Geben. Die Mehrheit der phraseologischen Einheiten ist im Mittelalter entstanden, in der Zeit des Rittertums, der Turniere, Militärwerkschaft, Bauernarbeit. Eine der zahlreichsten Gruppen von Phraseologismen mit der national-kulturellen Semantik bilden Phraseologismen literarischer Herkunft. Phraseologische Einheiten der deutschen Gegenwartssprache machen uns mit einer Reihe von Persönlichkeiten bekannt, die zu ihrer Zeit in deutschsprachigen

Ländern sehr berühmt waren. Sehr bekannt ist z. B. in Österreich der Ausdruck das ist doch Radetzky! und bedeutet: “das ist jedem bekannt”. Interessant ist die Etymologie des Phraseologismus und zwar: Radetzky war österreichischer

Heerführer der Napoleonzeit.Nationalkulterelle Elemente der Semantik phraseologischer Einheiten können

auf drei verschiedenen Bedeutungsstufen der Phraseologismen zum Vorschein

kommen:

– in der gesamten phraseologischen Bedeutung des wörtlichen Komplexes. Die Phraseologismen können die Nationalkultur komplett, d. h. mit ihren idiomatischen Bedeutungen, wiedergeben. Einige Phraseologismen widerspiegeln solche Erscheinungen der Vergangenheit und der Gegenwart eines Volkes, die keine Analoge in anderen Nationalkulturen haben (der blaue Brief = der Brief mit einem unangenehmen Inhalt).

– in der Bedeutung einzelner lexikalischer Komponenten des Phraseologismus.

Sie können die Nationalkultur gegliedert, mit Einheiten ihres Bestandes wiedergeben, d. h. sie können in ihrem Bestand ungleichwertige Wörter haben (rangehen wie Blücher = entschlossen handeln. Blücher war preußischer

Heerführer).

– in direkter Bedeutung der kompletten Wortgesamtheit, wo sich eine nationalspezifische Situation widerspiegelt, die der der bildlich-übertragenen Bedeutung des Phraseologismus zugrunde liegt, in erster Linie in den Prototypen der

Phraseologismen, d. h. in freien Wortgruppen, die über Bräuche, Lebensweise des Volkes, Kinderspiele usw. erzählen (bei jemandem in der Kreide stehen =jemandem etwas schuldig sein). Die zahlreichen Forschungen haben gezeigt, dass die fremdsprachige Lexik,die für österreichisches Deutsch typisch ist, eine Reihe von Wortfügungen bildet, die nur im österreichischen Raum verwendet werden und auf solche Weise einen bestimmten Teil des österreichischen Fonds bilden. Die Mehrheit solcher Wortfügungen bildet die phraseologische Variante der

gesamt-deutschen phraseologischen Einheiten.Z.B. keinen Rosumi haben (tsch. rosumi – “derVernunft”)-keinen Verstand haben. Viele gesamtdeutsche Phraseologismen haben ihre strukturellen Entsprechungen in der Schweiz, aber oft mit dem Unterschied im Komponentenbestand: in den Sack langen -In die Tasche greifen.



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