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Das transatlantische Militärbündnis rechtfertigt seine Existenz durch drei fragwürdige Gründungsnarrative

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Siebzig Jahre NATO: Kein Grund zum Feiern

04. April 2019 Hermann Ploppa

Das transatlantische Militärbündnis rechtfertigt seine Existenz durch drei fragwürdige Gründungsnarrative

Eigentlich sollte ja der siebzigste Geburtstag Anlass geben für rauschende Feste. Geboren am 4. April 1949, erfreut sich die NATO nicht nur bester Gesundheit. Die alte Dame hat auch noch viel vor.

Dass dennoch die Geburtstagsparty eher im engsten Familienkreis der Außenminister der 29 NATO-Länder stattfindet, liegt am nicht anwesenden Ehrengast. US-Präsident Trump hatte nämlich der NATO bescheinigt, sie sei obsolet, also auf Deutsch: veraltet. Und da es sich nun einmal nicht gehört, dass der Twitter-Gott einer Seniorin ins Gesicht sagt, ihre große Zeit sei vorbei, und er deswegen mit weiteren Rüpelhaftigkeiten die Geburtstagsparty zertrumpeln könnte, wurde gar nicht erst zur ganz großen NATO-Sause mit Staatsoberhäuptern eingeladen.

Trotzdem wird die Reihe der Troubadoure, die dem angejahrten Burgfräulein ihre Minnelieder singen, nicht so schnell abreißen. Der Refrain dieser NATO-Lobgesänge besteht dabei aus immer denselben Narrativen, also aus zusammenhängenden Erzählungen.

Die aggressive Sowjetunion nach dem Krieg

Narrativ Eins: Man hätte ja gerne nach dem Zweiten Weltkrieg in Frieden und durchaus gemeinsam leben mögen. Leider aber sei die Sowjetunion unter Generalissimus Stalin derart aggressiv, kriegslüstern und unkooperativ gewesen, dass man sich bedauerlicherweise bis an die Zähne aufrüsten musste.

Ja, wirklich? Musste "der Westen" sich gegen den Ansturm der Bolschewiken hochrüsten? Nun, versetzen wir uns in die 1940er Jahre. Im Abwehrkrieg gegen die Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan arbeiteten die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien mit der Sowjetunion zusammen, um diese Aggression niederzuringen. US-Präsident Franklin Delano Roosevelt beauftragte 1944 seinen Finanzminister Henry Morgenthau junior mit der Planung einer Nachkriegsweltordnung. Zusammen mit Regierungsvertretern aus 44 verbündeten Staaten im Kurort Bretton Woods in Neuengland wurden UNO, Weltbank, IWF, sowie die Welthandelsorganisation GATT aus der Taufe gehoben. Jetzt kommt‘s: Die Sowjetunion sollte selbstverständlich führendes Mitglied dieser Weltordnung werden. Dem IWF sollte die Sowjetunion als drittgrößter Einzahler angehören.1

.Auch direkt nach dem Krieg wurde in den USA ernsthaft erwogen, den Sowjets sechs Milliarden Dollar als Wiederaufbau-Kredit zu gewähren und Stalins Reich in die neue Weltordnung zu integrieren. Man ging davon aus, dass die UdSSR nicht länger kommunistisch sei, sondern vielmehr nationale Interessen vertrete und Realpolitik betrieb wie alle kapitalistischen Länder. Dann jedoch beschlossen die maßgebenden Strategen der USA, Stalin die Tür vor der Nase zuzumachen und die Kriegsverbündeten zukünftig als Todfeinde zu behandeln (Der Klub der Weisen Männer).

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Stalin-Porträt Unter-den-Linden in Berlin (1945). Bild: No 5 Army Film & Photographic Unit, Hewitt (Sgt)

Doch: Waren denn die USA und Großbritannien auf der einen Seite, und die Sowjetunion auf der anderen Seite, überhaupt Kriegsverbündete? Tauschten sie ehrlich und offen ihre Erkenntnisse und Absichten aus? Davon kann leider überhaupt keine Rede sein. Zwar hatten die USA durch ihr Lend-Lease-Programm nicht nur Großbritannien, sondern auch der Sowjetunion großzügig mit Geld und kriegswichtigem Material unter die Arme gegriffen. Die Hauptlast des aufreibenden Bodenkampfes trugen die Soldaten der Roten Armee fast ganz alleine - mit unvorstellbaren Verlusten an Menschenleben. Es entstand sogar der Eindruck, dass die Westmächte erst einmal zuwarteten, wer im Kampf der beiden Diktaturen obsiegen würde: die Wehrmacht oder die Rote Armee?

Anstatt die Sowjets durch eine Front im Westen zu entlasten, überredete Churchill den US-Präsidenten Roosevelt, eine Front von Nordafrika über Italien aufzurollen, um dann die Rote Armee im Balkan und im Baltikum daran zu hindern, weiter nach Westen vorzurücken.2Tatsächlich begann die Invasion in der Normandie erst im Sommer 1944 - als nämlich die Rote Armee die Wehrmacht im Eiltempo gen Westen trieb. Trotz allem blieben die ausgeruhten und gut genährten GIs an der deutschen Grenze stecken. Die Rote Armee verlor beim Entlastungsangriff auf Berlin dagegen 300.000 Soldaten.

Dass die Sowjetunion faktisch alleine den Bodenkrieg gegen die Nazis auszufechten hatte, forderte eben jenen extrem hohen Blutzoll. Um der kollektiven Amnesie des Westens einmal nackte Zahlen über den großen Brand im Osten erneut zuzuführen: 28 Millionen zivile und militärische Todesopfer hatte die Sowjetunion zu beklagen. 31.000 Fabriken wurden in Schutt und Asche gelegt; dazu 65.000 Quadratkilometer Gleisanlagen; 2.900 Maschinen und Traktorstationen; 20 Millionen Schweine; sieben Millionen Pferde; 17 Millionen Rinder; sechs Millionen niedergebrannte Gebäude, die wiederum 25 Millionen Menschen ohne Obdach buchstäblich im Regen stehen ließen; 40.000 Krankenhäuser; 84.000 Schulen; 43.000 öffentliche Bibliotheken.3 Alleine im kleinen Weißrussland verschwanden 209 Städte einschließlich der Hauptstadt Minsk komplett von der Erdoberfläche. Kann man unter solchen Umständen überhaupt noch ans Angreifen denken?

So kommt auch ein Bericht des US-Geheimdienstes OSS im Jahre 1945 zu der Schlussfolgerung, die Sowjetunion könne gar nicht an einen Angriffskrieg denken, da die Infrastruktur an ihrer Westfront ausgelöscht sei. Die Soldaten seien erschöpft und mit polizeilichen Aufgaben ausgelastet. Die technische Ausstattung der Roten Armee sei veraltet und die Hälfte ihres Fuhrparks bestünde nach wie vor aus so genannten Panje-Wagen - also: museale Pferdekutschen!4 Auch der Geheimbericht NSC-68 des Nationalen Sicherheitsrates der USA von 1950 gibt unumwunden zu, dass die Sowjetunion an Wirtschaftskraft und militärischer Stärke nur ein Viertel des Potentials der Westmächte zur Verfügung hat.

Wie sieht es also mit der gefühlten Angriffslust der Sowjetunion aus? So beklagte der ehemalige britische Premierminister Churchill in seiner Rede an der Winchester-Universität im amerikanischen Fulton 1947, Stalin habe einfach ganz kackfrech die Länder des späteren Warschauer Paktes durch einen Eisernen Vorhang vom Rest der Welt abgeschnitten. Eigenmächtig habe er die sowjetische Grenze nach Westen verschoben.

Litt Churchill unter Gedächtnisschwund? Er selber traf doch im Krieg zu Besuch in Moskau mit jenem Stalin diese Verabredung. Wie Schüler warfen sie sich Kassiber zu, auf denen stand, wieviel Prozent der Westen und wieviel Prozent der Osten von einzelnen Ländern bekommen sollte.. Dass eine solche prozentuale Aufteilung praktisch nicht durchzuführen war, leuchtete allen Beteiligten ein. Konsens bestand auch darüber, dass der Wille der betroffenen Nationen und Völker keine Rolle spielen sollte. Auf diese Weise wurden die politischen Eliten im Osten gewaltsam auf Stalin-Linie gebürstet. Und im Westen, keineswegs unblutiger, entsprechend auf USA-Linie gestriegelt.

Der Unwille der Griechen zum Beispiel, sich geostrategisch einem bestimmten Lager zuordnen zu lassen, wurde im so genannten Griechischen Bürgerkrieg mit einem Blutzoll von 160.000 Toten, Napalm-Attacken auf Partisanen5 und Zwangsadoptionen von Partisanenkindern (Paidomazoma) bezahlt <>. Weder Stalin noch Churchill, und schon gar nicht Truman, trugen bei ihrer geopolitischen Arrondierung Samthandschuhe. Der Vorwurf der gewaltsamen geopolitischen Flurbereinigung durch Stalin darf also getrost als einseitig und heuchlerisch verworfen werden.6



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