Am Anfang unternahmen sie etwas, um den Hunger zu vergessen. 


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Am Anfang unternahmen sie etwas, um den Hunger zu vergessen.



Wenn Rudi Fußball spielte, war er nicht hungrig. Ebenso wenig, wenn sie die Fahrräder von Rudis Bruder und Schwester nahmen und damit zu Alex Steiners Laden fuhren oder Liesels Papa besuchten, wenn er gerade Arbeit hatte. Hans Hubermann setzte sich dann zu ihnen und erzählte ihnen im letzten Licht des Nachmittags Witze.

Mit der Ankunft einiger weniger heißer Tage kam eine neue Möglichkeit zur Ablenkung: Liesel wollte in der Amper schwimmen lernen. Das Wasser war immer noch ein bisschen zu kalt zum Schwimmen, aber sie gingen trotzdem hinein.

»Komm schon«, lockte Rudi.»Genau hier. Hier ist es nicht so tief.«Liesel konnte das riesige tiefe Loch, in das sie watete, nicht sehen und sank geradewegs auf den Grund des Flusses. Wie ein Hund paddelnd, rettete sie ihr Leben, obwohl sie an dem Schwall Wasser, den sie geschluckt hatte, beinahe erstickt wäre.

»Du Saukerl«, schimpfte sie, als sie am Flussufer zusammenbrach.

Rudi hielt sich wohlweislich außerhalb ihrer Reichweite auf. Er hatte erlebt, was sie mit Ludwig Schmeikl angestellt hatte.»Was willst du? Jetzt kannst du doch schwimmen, oder nicht?«

Seine Bemerkung heiterte sie nicht im Mindesten auf. Mit klatschnassen Haaren, die ihr am Gesicht klebten, und rotztriefender Nase marschierte sie davon.

Er rief ihr nach:»Heißt das, ich kriege keinen Kuss dafür, dass ich's dir beigebracht habe?«

»Saukerl!«

So eine Frechheit!

Es war unausweichlich.

Die deprimierende Erbsensuppe und Rudis Hunger trieben sie schließlich zum Diebstahl. Sie schlossen sich einer Gruppe von Jugendlichen an, die von den Bauern stahlen. Obsträuber. Es war nach einem Fußballspiel, als Liesel und Rudi erkannten, wie vorteilhaft es war, beide Augen offen zu halten. Sie saßen auf Rudis Eingangstreppe und sahen Fritz Hammer einen Apfel essen. Es war ein Klarapfel, eine Apfelsorte, die im Juli und August reif wird, und er sah in der Hand des Jungen einfach herrlich aus. Drei oder vier weitere beulten sichtbar seine Jackentaschen aus. Liesel und Rudi schlenderten näher.

»Woher hast du die?«, wollte Rudi wissen.

Der Junge grinste nur und sagte:»Pst!«Dann blieb er stehen. Er zog einen Apfel aus seiner Jacke und warf ihn Rudi zu.»Nur anschauen«, warnte er.»Nicht reinbeißen.«

Das nächste Mal, als sie den Jungen dieselbe Jacke tragen sahen - an einem Tag, an dem es eigentlich zu warm dafür war -, folgten sie ihm. Er führte sie die Amper flussaufwärts, in die Nähe der Stelle, wo Liesel manchmal mit ihrem Papa gesessen und lesen gelernt hatte. Dort wartete eine Gruppe von fünf Jungen, einer davon schlaksig, die anderen klein und drahtig.

Zu dieser Zeit gab es in Molching einige solcher Gruppen, in denen die Mitglieder manchmal erst sechs Jahre alt waren. Der Anführer dieses Haufens hier war ein nicht unfreundlicher fünfzehnjähriger Krimineller namens Arthur Berg. Er schaute sich um und sah die beiden Kinder aus dem Hintergrund treten.»Und?«, fragte er.

»Ich bin am Verhungern«, gab Rudi zurück.

»Und er ist schnell«, ergänzte Liesel.

Berg schaute sie an.»Ich kann mich nicht erinnern, dich um deine Meinung gebeten zu haben.«Er war ein hochgewachsener Junge mit einem langen Hals. Hier und da hatten sich auf seinem Gesicht Pickelhaufen zusammengerottet.»Aber ich mag dich.«Er war, wie gesagt, ganz freundlich, auf eine clevercharmante, halbwüchsige Art.»Ist das nicht die, die deinem Bruder eine Abreibung verpasst hat, Anderl?«Die Schulhofkeilerei hatte in Windeseile die Runde gemacht. Ein solches Ereignis überwindet alle Altersunterschiede. Ein anderer Junge - einer von den kleinen, drahtigen, mit zotteligem blondem Haar und eisfarbener Haut - schaute zu ihnen hinüber.»Ich glaube schon.«

Rudi bestätigte dies.»Sie ist es.«

Andi Schmeikl kam herbei und musterte Liesel von oben bis unten.

Sein Gesicht war nachdenklich, doch dann verzog es sich zu einem breiten Grinsen.»Gut gemacht, Kleine.«Er versetzte ihr sogar einen Schlag auf die Wirbelsäule und traf eine Kante ihres Schulterblattes.»Ich hätte dafür Prügel bezogen.«

Arthur war neben Rudi getreten.»Und du bist der mit der Jesse-Owens-Sache, stimmt's?«

Rudi nickte.

»Du bist eindeutig ein Idiot«, sagte Arthur,»aber die Art von Idiot, die wir mögen. Kommt mit.«

Sie waren aufgenommen.

Als sie den Bauernhof erreichten, bekamen Liesel und Rudi einen Sack zugeworfen. Arthur Berg hatte eine Tasche aus Sackleinen dabei. Er fuhr mit der Hand durch die zarten Strähnen seines Haars.»Habt ihr schon mal was gestohlen?«

»Klar«, brüstete sich Rudi.»Schon oft.«Er spielte seine Rolle nicht sehr überzeugend.

Liesel war präziser.»Ich habe zwei Bücher gestohlen«, woraufhin Arthur drei Mal kurz schnaubend lachte. Seine Pickel wanderten dabei über sein Gesicht.

»Bücher kann man nicht essen, Süße.«

Sie begutachteten die Apfelbäume, die in langen, kurvigen Reihen standen. Arthur Berg gab die Befehle.»Erstens«, sagte er.»Verfangt euch nicht im Zaun. Wenn euch das passiert, bleibt ihr zurück. Kapiert?«Alle nickten oder sagten Ja.»Zweitens: Einer klettert in den Baum, der andere bleibt unten. Einer muss die Äpfel ja aufsammeln.«Er rieb sich die Hände. Offensichtlich genoss er das alles.»Drittens: Wenn ihr jemanden kommen seht, schreit ihr so laut, dass selbst die Toten wach werden - und dann nichts wie weg. Alles klar?«

»Alles klar!«, erklang es im Chor.

ZWEI NEU ERNANNTE APFELDIEBE IN GEFLÜSTERTEM GESPRÄCH

»Liesel, bist du sicher? Willst du immer noch mitmachen?«»Schau dir mal den Stacheldraht an, Rudi. Der ist so hoch!«»Nein, nein, guck mal: Du wirfst einfach den Sack drüber. Siehst du? So machen es die anderen auch.«»Also gut.«»Dann komm jetzt!«»Ich kann nicht.«Zögern.»Rudi, ich...«»Beweg dich, Saumensch!«

Er schob sie auf den Zaun zu, warf den leeren Sack über den Stacheldraht, und sie kletterten hinüber und liefen dann den anderen hinterher. Rudi steuerte den am nächsten stehenden Baum an, kletterte hinauf und fing an, die Äpfel hinunterzuwerfen. Liesel stand unten und steckte sie in den Sack. Als er voll war, standen sie vor einem weiteren Problem.

»Wie kommen wir jetzt wieder über den Zaun?«

Die Antwort bekamen sie von Arthur Berg, der direkt neben einem Zaunpfosten hinüberkletterte.»Der Draht ist hier straffer«, bemerkte er. Rudi deutete auf Liesel. Er warf den Sack hinüber, schob Liesel über den Zaun und landete kurze Zeit später neben ihr, auf einem Berg von Äpfeln, die aus dem Sack gerollt waren.

Neben ihnen standen die langen Beine von Arthur Berg. Er amüsierte sich.

»Nicht schlecht«, landete die Stimme von oben zwischen ihnen.»Gar nicht schlecht.«

Nachdem sie zum Fluss zurückgekehrt waren, nahm er Liesel und Rudi den Sack ab und gab ihnen insgesamt ein Dutzend Äpfel, die sie untereinander aufteilen sollten.

»Gute Arbeit«, lautete sein abschließender Kommentar zu der Sache.

Bevor sie an diesem Nachmittag nach Hause gingen, aßen Liesel und Rudi jeweils sechs Äpfel in einer halben Stunde. Zunächst spielten sie mit dem Gedanken, das Obst mit ihren Familien zu teilen, aber das erschien ihnen zu gefährlich. Sie waren nicht gerade erpicht darauf, erklären zu müssen, woher sie die Äpfel hatten. Liesel überlegte, ob sie nicht wenigstens Papa einweihen sollte, doch er sollte nicht glauben, dass er eine Gewohnheitsverbrecherin an seinem Busen nährte. Und so aß sie.

Am Ufer, wo sie Schwimmen gelernt hatte, wurde jeder einzelne Apfel verspeist. Sie waren eine solche Schlemmerei nicht gewohnt, und ihnen war klar, dass ihnen wahrscheinlich schlecht werden würde.

Sie aßen trotzdem.

»Saumensch!«, schimpfte Mama am Abend.»Warum musst du denn kotzen?«»Vielleicht liegt es an der Erbsensuppe«, sagte Liesel.

»Bestimmt«, erklärte Papa. Er saß wieder am Fenster.»Woran denn sonst? Mir ist auch schon ganz übel.«

»Wer hat dich denn gefragt, Saukerl?«Schnell wandte sie sich wieder dem kotzenden Saumensch zu.»Na? Sag schon. Nun rede schon, du Dreckschwein.«

Und Liesel?

Sie sagte nichts.

Die Äpfel, dachte sie glücklich, die Äpfel, und sie erbrach sich ein weiteres Mal, der guten Ordnung halber.

DIE ARISCHE LADENBESITZERIN

Sie standen vor Frau Lindners Eckladen an die weiß getünchte Wand gelehnt. In Liesel Memingers Mund steckte ein Bonbon. In ihren Augen stand die Sonne.



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