II. Philosophische Grundlagen 


Мы поможем в написании ваших работ!



ЗНАЕТЕ ЛИ ВЫ?

II. Philosophische Grundlagen



Die Philosophischen Grundlagen der Romantik sind eine Gegenposition zur Rationalität der Aufklärung. Ein Vorläufer war in Deutschland die Gefühlsbetontheit der Empfindsamkeit. Eine wichtige Bedeutung erhielt die Romantik auf in Bezug auf die Orientierung an der mittelalterlichen Lebensweise und Kultur und der Hinwendung zur Volkspoesie. Die Philosophie der Romantik war geprägt von einer subjektiven Weltanschauung. In Fichtes Wissenschaftslehre (1794) stand ein von Sittlichkeit befreites und schöpferisches Ich im Mittelpunkt. Außerdem wurde die Einheit von Natur und Geist betont, die z. B. in Schellings Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797) zum Ausdruckt kam.

III. Geschichtsbezug und Historischer Hintergrund

Die Romantik entstand in einem Wechsel von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft und verstärkte die Entwicklung eines bürgerlichen Selbstbewusstseins. Jedoch gab es in der Romantik kaum gesellschaftskritische Stimmen.
1806 kam es zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und zur Gründung des Rheinbundes. 1807-1814 wurden die Preußischen Reformen eingeleitet (Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, Städteordnung, Heeresreform, Bildungsreform, Judenemanzipation). 1812 zog Napoleon in den Krieg gegen Russland. In der Zeit zwischen 1813-1815 fanden die Befreiungskriege statt. Vom 16.-19.10.1813 fand die Völkerschlacht bei Leipzig statt. Am 18.06.1815 unterlag Napoleon in der Schlacht bei Waterloo. 1815 wurde der Wiener Kongress eingeleitet, bei dem die Neuordnung Europas geregelt wurde.

Literatur der Romantik

Die ersten romantischen Werke waren Wackenroders Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1797) und Tiecks Franz Sternbalds Wanderungen (1798). Sie zeigten unterschiedliche Betrachtungsweisen vom Wesen der Kunst. Der eigentliche Beginn der Romantik wird allerdings mit der Vereinigung der Brüder Schlegel, Novalis, Humboldts und Schellings in Jena datiert.

Epochen der Romantik

Anders als in anderen Epochen, wechselten in der Romantik die literarischen Zentren. Das erste wichtige Zentrum war Jena, zur Zeit der Frühromantik. Heidelberg war das Zentrum der Hochromantik, und Berlin wurde zum Zentrum der Spätromantik.

1.1.1 Frühromantik / Jenaer Romantik (1798-1804)

Das Zentrum der Frühromantik war Jena mit dem Freundeskreis um die Brüder Schlegel, Novalis, Schelling, Humboldt, Veith und Böhmer. Es entstanden hier erste programmatische Dichtungen. Einen großen Einfluss auf die Verbreitung des romantischen Denkens übte August Wilhelm Schlegel mit seinen Vorlesungen aus. Eine große Bedeutung kommt den Jenaern Romantikern zu Gute: sie setzten sich für die Förderung der Weltliteratur ein, z. B. August Wilhelm Schlegel mit seinen Dramenübersetzungen von Shakespeare. Es entstanden auch Literaturzeitschriften (z. B. Athenäum, 1798-1800), in welchen sie ihre Schriften publizierten.

Hochromantik / Heidelberger Romantik (1804-1818)

Das Zentrum der Hochromantik war Heidelberg mit dem Dichterkreis um Joseph von Eichendorff, Arnim, Brentano. Nebenzentren waren München und Berlin, wo Schelling und Schleiermacher tätig waren. Die besondere Leistung der Hochromantiker war die Förderung der Volkspoesie (Sagen, Märchen, u. a.), z. B. von Arnim und Brentano mit Des Knaben Wunderhorn oder Kinder- und Hausmärchen und Deutsche Sagen der Gebrüder Grimm.

1.1.3 Spätromantik / Berliner Romantik (1816-1835)

Berlin, mit den Salon der Rahel Levin-Varnhagen, war das Zentrum der Spätromantik. Im Mittelpunkt dieses Dichterkreises standen Ludwig Tieck, Heinrich von Kleist, Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Adam von Müller, Bettina von Arnim und Friedrich de la Motte Fouqué. Im Salon fanden zahlreiche Begegnungen, Diskussionen und Debatten unter den Spätromantikern statt. Nebenzentren waren Wien (Eichendorff, August Wilhelm Schlegel), Schwaben (Uhland, Mörike) und München (Schelling, Görres).

Literaturtheorie der Romantik

Im Vordergrund romantischer Dichtungen standen Stimmungen, Gefühle und Erlebnisse. Mit fragmentarischen Ausdrucksformen drückten die Dichter das Unbewusste in ihrer Schaffensweise und Wirklichkeitssicht aus. Der Roman als Prosaform konnte dem Anspruch der Universalität zwar gerecht werden, doch wurde von ihm aber kaum Gebrauch gemacht. Die Dramatik blieb in der Epoche der Romantik nur gering ausgeprägt, da ihr die Vermischung von Epik, Drama und Lyrik nur schwer umzusetzen war. Die vorherrschende literarische Gattung war die Lyrik.
Im 116. Athenäums-Fragment, das 1798 mit anderen Fragmenten in der Zeitschrift Athenäum erschien, fasste Friedrich Schlegel die wichtigsten Merkmale romantischer Literatur zusammen: "Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie". Progressivität bedeutet Fortschritt, niemals vollendet oder abgeschlossen zu sein und offen für neue Formen und Inhalte zu sein. Die Universalität der Form steht für die Aufhebung der Grenze zwischen den Gattungen und den Künsten. Friedrich Schlegel forderte eine Vermischung von Poesie (an den Vers gebundene Sprache) und Prosa (Alltagssprache), von Genialität (Künstler) und Kritik (Publikum) und von Kunstpoesie und Naturpoesie (Volkspoesie). Freundschaft und Liebe sind das Ideal für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Poetische Individuen sind harmonische Individuen, die auf Liebe und Freundschaft eingehen können. Die Funktion der Poesie ist die Poetisierung, d. h. die Harmonisierung, der Gesellschaft.

Lyrik der Romantik

Die romantische Lyrik war geprägt von einer volksliedhaften Einfachheit und einem Höchstmaß an sprachlicher Kunst sowie der von Goethe eingeleiteten Natur- und Erlebnislyrik. Eine volkstümlich orientierte Lyrik ging von Eichendorff Uhland, Wilhelm Müller, Mörike und Chamisso hervor. Zu den bedeutendsten romantischen Lyrikern zählt Novalis mit seinen Geistlichen Liedern (1799) und die in rhythmisierter Prosa verfassten Hymnen an die Nacht (1800).

 

Joseph Freiherr von Eichendorff

Mondnacht

Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blüthenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Aehren wogen sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit die Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Drama der Romantik

Das Drama war in der Romantik eine weniger bevorzugte Gattung, da die Vorstellungen von Progressivität und einer Vermischung der Gattungen mit den strengen Gesetzmäßigkeiten des Dramas nur schwer zu vereinbaren waren. Lyrische Elemente zeigten sich beispielweise in Form von eingebundenen Gedichten oder Liedern, epische Elemente in Kommentierungen. Einige Autoren befassten sich dennoch intensiv mit dem Drama, darunter Ludwig Tieck, Clemens Brentano und Joseph Freiherr von Eichendorff. Die Dramen der Romantik waren jedoch vor allem als Lesedrama konzipiert. Sie eigneten sich weniger zur Aufführung, da sie z. T. sehr komplex oder sehr umfangreich waren.
Ein großes Vorbild für die Romantiker war William Shakespeare. Die Komödie war eine beliebte dramatische Form in der Romantik, daneben genoss auch das Geschichtsdrama eine große Bedeutung, z. B. Kaiser Octavianus (1804, Tieck), Die Gründung Prags (1815, Brentano) und Der letzte Held von Marienburg (1830, Eichendorff). Das bekannteste Beispiel für eine romantische Komödie ist Ludwig Tiecks Der gestiefelte Kater. Ein Kindermärchen in drei Akten, mit Zwischenspielen, einem Prologe und Epiloge (1797).

1.4.1 Der gestiefelte Kater (1797, Ludwig Tieck)

Der Stoff für Tiecks Gestiefelten Kater geht zurück auf das französische Märchen Le Maître Chat ou le Chat botté von Charles Perrault (1628-1703). Die Komödie Tiecks handelt von einem Stück im Stück und spielt daher auf mehreren Ebenen. Auf der Bühne wird eine weitere Theaterbühne dargestellt, die das Stück über einen gestiefelten Kater aufführt. Neben den fiktiven Figuren gibt es ein fiktives Publikum, einen fiktiven Dichter und fiktives Bühnenpersonal, das mit den Figuren untereinander agiert. Die fiktiven Zuschauer kommentieren dabei die eigentliche Handlung oder sprechen die Schauspieler direkt an. Doch auch die Schauspieler fallen gelegentlich aus ihrer Rolle. Der fiktive Dichter nimmt oft eine Vermittlerrolle zwischen diesen beiden Gruppen ein.
Der Inhalt des dargestellten Stücks im Stück handelt vom Müllersohn Gottlieb, der nach dem Tod seines Vaters den sprechenden Kater Hinze erbt. Dieser verspricht Gottlieb, ihn zu Reichtum zu führen, wenn Gottlieb für Hinze ein Paar Stiefel anfertigen lässt. Durch eine Reihe zahlreicher Streiche erwirbt Hinze ein Königreich und eine Prinzessin für Gottlieb.
Das Märchen endet mit einem Happy End, das Stück jedoch in einem Chaos und Misserfolg. Die fiktiven Zuschauer sind mit der Handlung höchst unzufrieden, loben aber die schöne Dekoration. Der Dichter, der die Zuschauer auf sein Stück einstimmte, dass die Handlung nicht zu ernst zu nehmen sei, verlässt enttäuscht die Bühne.
Der gestiefelte Kater stellt ein Bruch mit dem Illusionstheater zeitgenössischer Dichtungen und Aufführungen dar, wie beispielsweise den Dramen der Aufklärung und der Klassik. Es gibt mehrere Ebenen der Darstellung, die miteinander vermischt werden und daher nicht nur den fiktiven sondern auch den realen Zuschauer verwirren sollen. Ludwig Tieck übte damit Kritik am Theaterverständnis und am Theaterpublikum seiner Zeit.
Die Komödie Tiecks hatte auf die spätere Literatur eine große Wirkung, z. B. auf E. T. A. Hoffmanns Lebensansichten des Katers Murr (1820/22). Der gestiefelte Kater gilt auch als ein Vorläufer des epischen Dramas Bertolt Brechts.

Romantische Ironie

Die "romantische Ironie" ist eine eigenständige literaturtheoretische Position der Ironie, die vor allem von Friedrich Schlegel geprägt wurde. Dabei sollte die Ironie nicht mehr nur ein einzelnes stilistisches Element im Kunstwerk sein, sondern das Kunstwerk insgesamt prägen. Dies zeigt sich formal darin, dass es einen unendlichen Wechsel zwischen gegensätzlichen Elementen gibt, beispielsweise Illusionierung und Desillusionierung. Auch spielte die Selbstreflexion des Kunstwerks innerhalb des Kunstwerks eine wichtige Rolle. Als Beispiel für die praktische Umsetzung dieser theoretischen Vorstellungen gilt Der gestiefelte Kater Tiecks. Das ununterbrochene Wechselspiel zwischen gegensätzlichen Elementen zeigt sich in den ständigen Unterbrechungen der Bühnenhandlung durch Zuschauer, Schauspieler oder den Dichter. Selbstreflexive Momente werden von vielen Figuren artikuliert, am deutlichsten z. B. im Dritten Akt in der Szene "Saal im Palast", in der zwei Figuren über die Qualität des Stückes Der gestiefelte Kater streiten.

Prosa der Romantik

Als Vorbild der romantischen Erzählprosa betrachtete man Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. In der Frühromantik wurden meist Bildungs- und Entwicklungsromane geschrieben, z. B. Novalis' Heinrich von Ofterdingen. Doch auch der romantische Roman verlor, ähnlich dem romantischen Drama, an Bedeutung, da eine zunehmende Vermischung mit Gedichten, Liedern, etc. stattfand. Während die romantische Erzählprosa mehr und mehr an Bedeutung verlor, wuchs das Interesse am, meist in trivialer Form auftretenden, Schauerroman.
Epische Kurzformen, wie Erzählung, Novelle, Kunstmärchen und Märchen, waren sehr beliebt. Die Novelle eignete sich mit ihrem unmittelbaren Einsetzen der Handlung und ihrem offenen Ausgang besonders gut für die romantischen Dichter.
In der Romantik stieg das Interesse für Volksdichtungen (Volkslieder, Sagen, Märchen), das bereits am Ende des 18. Jahrhunderts durch Herder ausgelöst wurde. Die Rückbesinnung auf das Mittelalter spielte für die Romantiker dabei eine wichtige Rolle. Die Volksdichtungen wurden dabei teilweise umgedichtet und in Sammlungen veröffentlicht, z. B. die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn von Arnim und Brentano oder die Märchensammlung Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm.

Literarische Formen

· Bildungs- und Entwicklungsroman

· Schauerroman

· Volkslied

· Sage

· Märchen

· Kunstmärchen

Vertreter

· Achim von Arnim (1781-1831)

· Bettina von Arnim (1785-1859)

· Clemens Brentano (1778-1842)

· Adalbert von Chamisso (1781-1838)

· Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)

· E. T. A. Hoffmann (1776-1822)

· Jakob Grimm (1785-1863)

· Wilhelm Grimm (1786-1859)

· Wilhelm Müller (1794-1827)

· Novalis (1772-1801)

· August Wilhelm Schlegel (1767-1845)

· Friedrich Schlegel (1772-1829)

· Ludwig Tieck (1773-1853)

· Ludwig Uhland (1787-1862)

· Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798)

Werke

· Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1797) - Wackenroder

· Der gestiefelte Kater (1797) - Tieck

· Der blonde Eckbert (1797) - Tieck

· Franz Sternbalds Wanderungen (1798) - Tieck

· Athenäum-Fragmente (1798) - Friedrich Schlegel

o 116. Athenäum-Fragment

 

Friedrich von Schlegel

 

116. Athenäums-Fragment

Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehre Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. Sie kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr eins und alles; und doch gibt es noch keine Form, die dazu gemacht wäre, den Geist des Autors vollständig auszudrücken: so daß manche Künstler, die nur auch einen Roman schreiben wollten, von ungefähr sich selbst dargestellt haben. Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und der allseitigsten Bildung fähig; nicht bloß von innen heraus, sondern auch von außen hinein; indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten sein soll, alle Teile ähnlich organisiert, wodurch ihr die Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. Die romantische Poesie ist unter den Künsten was der Witz der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. Sie kann durch keine Theorie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisieren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frei ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein.

o Brief über den Roman (1798) - Friedrich Schlegel

 

Friedrich von Schlegel

 

Brief über den Roman

Ich muß, was ich gestern zu Ihrer Verteidigung zu sagen schien, zurücknehmen, liebe Freundin! und Ihnen so gut als völlig unrecht geben. Sie selbst geben es sich am Ende des Streites darin, daß Sie sich so tief eingelassen, weil es gegen die weibliche Würde sei, aus dem angebornen Element von heiterm Scherz und ewiger Poesie zu dem gründlichen oder schwerfälligen Ernst der Männer sich, wie Sie es richtig nannten, herabzustimmen. Ich stimme Ihnen gegen Sie selbst bei, daß Sie unrecht haben. Ja ich behaupte noch außerdem, daß es nicht genug sei, Unrecht anzuerkennen; man muß es auch büßen, und die wie mirs scheint, ganz zweckmäßige Buße dafür, daß Sie sich mit der Kritik gemein gemacht haben, soll nun sein, daß Sie sich die Geduld abnötigen, diese kritische Epistel über den Gegenstand des gestrigen Gesprächs zu lesen.
Ich hätte es gleich gestern sagen können, was Ich sagen will; oder vielmehr ich konnte es nicht, meiner Stimmung und der Umstände wegen. Mit welchem Gegner hatten Sie zu tun, Amalia? Freilich versteht er das, wovon die Rede war, recht wohl und wie sichs für einen tüchtigen Virtuosen nicht anders gebührt. Er würde also darüber sprechen können so gut wie irgend einer, wenn er nur überhaupt sprechen könnte. Dieses haben ihm die Götter versagt; er ist, wie ich schon sagte, ein Virtuose und damit gut; die Grazien sind leider ausgeblieben. Da er nun so gar nicht ahnden konnte, was Sie im innersten Sinne meinten, und das äußerliche Recht so ganz auf seiner Seite war, so hatte ich nichts Angelegeners, als mit ganzer Stärke für Sie zu streiten, damit nur das gesellige Gleichgewicht nicht völlig zerstört würde. Und überdem ists mir natürlicher, wenn es ja sein muß, schriftliche Belehrungen zu geben als mündliche, die nach meinem Gefühl die Heiligkeit des Gesprächs entweihen.
Das unsrige fing damit an, daß Sie behaupteten, Friedrich Richters Romane seien keine Romane, sondern ein buntes Allerlei von kränklichem Witz. Die wenige Geschichte sei zu schlecht dargestellt um für Geschichte zu gelten, man müsse sie nur erraten. Wenn man aber auch alle zusammennehmen und sie rein erzählen wolle, würde das doch höchstens Bekenntnisse geben. Die Individualität des Menschen sei viel zu sichtbar, und noch dazu eine solche!
Das letzte übergehe ich, weil es doch wieder nur Sache der Individualität ist. Das bunte Allerlei von kränklichem Witz gebe ich zu, aber ich nehme es in Schutz und behaupte dreist, daß solche Grotesken und Bekenntnisse noch die einzigen romantischen Erzeugnisse unsers unromantischen Zeitalters sind.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ausschütten, was ich lange auf dem Herzen habe!
Mit Erstaunen und mit innerm Grimm habe ich oft den Diener die Haufen zu Ihnen hereintragen sehn. Wie mögen Sie nur mit Ihren Händen die schmutzigen Bände berühren? - Und wie können Sie den verworrnen, ungebildeten Redensarten den Eingang durch Ihr Auge in das Heiligtum der Seele verstauen? - Stundenlang Ihre Fantasie an Menschen hingeben, mit denen von Angesicht zu Angesicht nur wenige Worte zu wechseln Sie sich schämen würden? - Es frommt wahrlich zu nichts, als nur die Zeit zu töten und die Imagination zu verderben! Fast alle schlechten Bücher haben Sie gelesen von Fielding bis zu Lafontaine. Fragen Sie sich selbst was Sie davon gehabt haben. Ihr Gedächtnis selbst verschmäht das unedle Zeug, was eine fatale Jugendgewohnheit Ihnen zum Bedürfnis macht, und was so emsig herbeigeschafft werden muß, wird sogleich rein vergessen.
Dagegen erinnern Sie sich noch vielleicht, daß es eine Zeit gab, wo Sie den Sterne liebten, sich oft ergötzten, seine Manier anzunehmen, halb nachzuahmen, halb zu verspotten. Ich habe noch einige scherzhafte Briefchen der Art von Ihnen, die ich sorgsam bewahren werde. - Sternes Humor hatte Ihnen also doch einen bestimmten Eindruck gegeben; wenngleich eben keine idealisch schöne, so war es doch eine Form, eine geistreiche Form, die Ihre Fantasie dadurch gewann, und ein Eindruck, der uns so bestimmt bleibt, den wir so zu Scherz und Ernst gebrauchen und gestalten können, ist nicht verloren; und was kann einen gründlichern Wert haben als dasjenige, was das Spiel unsrer innern Bildung auf irgend eine Weise reizt oder nährt.
Sie fühlen es selbst, daß Ihr Ergötzen an Sternes Humor rein war, und von ganz andrer Natur, als die Spannung der Neugier, die uns oft ein durchaus schlechtes Buch, in demselben Augenblick, wo wir es so finden, abnötigen kann. Fragen Sie sich nun selbst, ob Ihr Genuß nicht verwandt mit demjenigen war, den wir oft bei Betrachtung der witzigen Spielgemälde empfanden, die man Arabesken nennt. - Auf den Fall, daß Sie sich selbst nicht von allem Anteil an Sternes Empfindsamkeit freisprechen können, schicke ich Ihnen hier ein Buch, von dem ich Ihnen aber, damit Sie gegen Fremde vorsichtig sind, voraussagen muß, daß es das Unglück oder das Glück hat, ein wenig verschrien zu sein. Es ist Diderots Fataliste. ich denke, es wird Ihnen gefallen, und Sie werden die Fülle des Witzes hier ganz rein finden von sentimentalen Beimischungen. Es ist mit Verstand angelegt, und mit sichrer Hand ausgeführt. Ich darf es ohne Übertreibung ein Kunstwerk nennen. Freilich ist es keine hohe Dichtung, sondern nur eine - Arabeske. Aber eben darum hat es in meinen Augen keine geringen Ansprüche; denn ich halte die Arabeske für eine ganz bestimmte und wesentliche Form oder Äußerungsart der Poesie.
Ich denke mir die Sache so. Die Poesie ist so tief in dem Menschen gewurzelt, daß sie auch unter den ungünstigsten Umständen immer noch zu Zeiten wild wächst. Wie wir nun fast bei jedem Volk Lieder, Geschichten im Umlauf, irgendeine Art wenngleich rohe Schauspiele im Gebrauch finden: so haben selbst in unserm unfantastischen Zeitalter, in den eigentlichen Ständen der Prosa, ich meine die sogenannten Gelehrten und gebildeten Leute, einige einzelne eine seltne Originalität der Fantasie in sich gespürt und geäußert, obgleich sie darum von der eigentlichen Kunst noch sehr entfernt waren. Der Humor eines Swift, eines Sterne, meine ich, sei die Naturpoesie der höhern Stände unsers Zeitalters.
Ich bin weit entfernt, sie neben jene Großen zu stellen; aber Sie werden mir zugeben, daß wer für diese, für den Diderot Sinn hat, schon besser auf dem Wege ist, den göttlichen Witz, die Fantasie eines Ariost, Cervantes, Shakespeare verstehn zu lernen, als ein andrer, der auch noch nicht einmal bis dahin sich erhoben hat. Wir dürfen nun einmal die Forderungen in diesem Stück an die Menschen der jetzigen Zeit nicht zu hoch spannen, und was in so kränklichen Verhältnissen aufgewachsen ist, kann selbst natürlicherweise nicht anders als kränklich sein. Dies halte ich aber, so lange die Arabeske kein Kunstwerk sondern nur ein Naturprodukt ist, eher für einen Vorzug, und stelle Richtern also auch darum über Sterne, weil seine Fantasie weit kränklicher, also weit wunderlicher und fantastischer ist. Lesen Sie nur überhaupt den Sterne einmal wieder. Es ist lange her, daß Sie ihn nicht gelesen haben, und ich denke er wird Ihnen etwas anders vorkommen wie damals. Vergleichen Sie dann immer unsern Deutschen mit ihm. Er hat wirklich mehr Witz, wenigstens für den, der ihn witzig nimmt: denn er selbst könnte sich darin leicht Unrecht tun. Und durch diesen Vorzug erhebt sich selbst seine Sentimentalität in der Erscheinung über die Sphäre der engländischen Empfindsamkeit.
Wir haben noch einen äußern Grund diesen Sinn für das Groteske in uns zu bilden, und uns in dieser Stimmung zu erhalten. Es ist unmöglich, in diesem Zeitalter der Bücher nicht auch viele, sehr viele schlechte Bücher durchblättern, ja sogar lesen zu müssen. Einige unter diesen sind, darauf darf man mit einiger Zuversicht rechnen, glücklicherweise immer von der albernen Art, und da kommt es wirklich nur auf uns an, sie unterhaltend zu finden, indem wir sie nämlich als witzige Naturprodukte betrachten. Laputa ist nirgends oder überall, liebe Freundin; es kommt nur auf einen Akt unsrer Willkür und unsrer Fantasie an, so sind wir mitten darin. Wenn die Dummheit eine gewisse Höhe erreicht, zu der wir sie jetzt, wo sich alles schärfer sondert, meistens gelangen sehn, so gleicht sie auch in der äußern Erscheinung der Narrheit. Und die Narrheit, werden Sie mir zugeben, ist das Lieblichste, was der Mensch imaginieren kann, und das eigentliche letzte Prinzip alles Amüsanten. In dieser Stimmung kann ich oft ganz allein für mich über Bücher, die keinesweges dazu bestimmt scheinen, in ein Gelächter verfallen, was kaum wieder aufhören will. Und es ist billig, daß die Natur mir diesen Ersatz gibt, da ich über so manches, was jetzt Witz und Satire heißt, durchaus nicht mitlachen kann. Dagegen werden mir nun gelehrte Zeitungen z. B. zu Farcen, und diejenige welche sich die allgemeine nennt, halte ich mir ganz ausdrücklich, wie die Wiener den Kasperle. Sie ist aus meinem Standpunkte angesehen, nicht nur die mannigfaltigste von allen, sondern auch in jeder Rücksicht die unvergleichlichste: denn nachdem sie aus der Nullität in eine gewisse Plattheit gesunken, und aus dieser ferner in eine Art von Stumpfheit übergegangen war, ist sie zuletzt auf dem Wege der Stumpfheit endlich in jene närrische Dummheit verfallen.
Dieses ist im ganzen für Sie schon ein zu gelehrter Genuß. Wollen Sie aber, was Sie leider nicht mehr lassen können, in einem neuen Sinn tun, so will ich nicht mehr über den Bedienten schelten, wenn er die Haufen aus der Leihbibliothek bringt. Ja ich erbiete mich selbst für dieses Bedürfnis Ihr Geschäftsträger zu sein, und verspreche Ihnen eine Unzahl der schönsten Komödien aus allen Fächern der Literatur zu senden.
Ich nehme den Faden wieder auf: denn ich bin gesonnen Ihnen nichts zu schenken, sondern Ihren Behauptungen Schritt vor Schritt zu folgen.
Sie tadelten Jean Paul auch, mit einer fast wegwerfenden Art, daß er sentimental sei.
Wollten die Götter, er wäre es in dem Sinne wie ich das Wort nehme, und es seinem Ursprunge und seiner Natur nach glaube nehmen zu müssen. Denn nach meiner Ansicht und nach meinem Sprachgebrauch ist eben das romantisch, was uns einen sentimentalen Stoff in einer fantastischen Form darstellt.
Vergessen Sie auf einen Augenblick die gewöhnliche übel berüchtigte Bedeutung des Sentimentalen, wo man fast alles unter dieser Benennung versteht, was auf eine platte Weise rührend und tränenreich ist, und voll von jenen familiären Edelmutsgefühlen, in deren Bewußtsein Menschen ohne Charakter sich so unaussprechlich glücklich und groß fühlen.
Denken Sie dabei lieber an Petrarca oder an Tasso, dessen Gedicht gegen das mehr fantastische Romanzo des Ariost, wohl das sentimentale heißen könnte; und ich erinnre mich nicht gleich eines Beispiels, wo der Gegensatz so klar und das Übergewicht so entschieden wäre wie hier.
Tasso ist mehr musikalisch und das Pittoreske im Ariost ist gewiß nicht das schlechteste. Die Malerei ist nicht mehr so fantastisch, wie sie es bei vielen Meistern der venezianischen Schule, wenn ich meinem Gefühl trauen darf, auch im Correggio und vielleicht nicht bloß in den Arabesken des Raffael, ehedem in ihrer großen Zeit war. Die moderne Musik hingegen ist, was die in ihr herrschende Kraft des Menschen betrifft, ihrem Charakter im ganzen so treu geblieben, daß ichs ohne Scheu wagen möchte, sie eine sentimentale Kunst zu nennen.
Was ist denn nun dieses Sentimentale? Das was uns anspricht, wo das Gefühl herrscht, und zwar nicht ein sinnliches, sondern das geistige. Die Quelle und Seele aller dieser Regungen ist die Liebe, und der Geist der Liebe muß in der romantischen Poesie überall unsichtbar sichtbar schweben; das soll jene Definition sagen. Die galanten Passionen, denen man in den Dichtungen der Modernen, wie Diderot im Fatalisten so lustig klagt, von dem Epigramm bis zur Tragödie nirgends entgehn kann, sind dabei grade das wenigste, oder vielmehr sie sind nicht einmal der äußre Buchstabe jenes Geistes, nach Gelegenheit auch wohl gar nichts oder etwas sehr Unliebliches und Liebloses. Nein, es ist der heilige Hauch, der uns in den Tönen der Musik berührt. Er läßt sich nicht gewaltsam fassen und mechanisch greifen, aber er läßt sich freundlich locken von sterblicher Schönheit und in sie verhüllen; und auch die Zauberworte der Poesie können von seiner Kraft durchdrungen und beseelt werden. Aber in dem Gedicht, wo er nicht überall ist, oder überall sein könnte, ist er gewiß gar nicht. Er ist ein unendliches Wesen und mitnichten haftet und klebt sein Interesse nur an den Personen, den Begebenheiten und Situationen und den individuellen Neigungen: für den wahren Dichter ist alles dieses, so innig es auch seine Seele umschließen mag, nur Hindeutung auf das Höhere, Unendliche, Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfülle der bildenden Natur.
Nur die Fantasie kann das Rätsel dieser Liebe fassen und als Rätsel darstellen; und dieses Rätselhafte ist Quelle von dem Fantastischen in der Form aller poetischen Darstellung. Die Fantasie strebt aus allen Kräften sich zu äußern, aber das Göttliche kann sich in der Sphäre der Natur nur indirekt mitteilen und äußern. Daher bleibt von dem, was ursprünglich Fantasie war, in der Welt der Erscheinungen nur das zurück was wir Witz nennen.
Noch eines liegt in der Bedeutung des Sentimentalen, was grade das Eigentümliche der Tendenz der romantischen Poesie im Gegensatz der antiken betrifft. Es ist darin gar keine Rücksicht genommen auf den Unterschied von Schein und Wahrheit, von Spiel und Ernst. Darin liegt der große Unterschied. Die alte Poesie schließt sich durchgängig an die Mythologie an, und vermeidet sogar den eigentlich historischen Stoff. Die alte Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte, ward bestraft. Die romantische Poesie hingegen ruht ganz auf historischem Grunde, weit mehr, als man es weiß und glaubt. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, daß wahre Geschichte zum Grunde liegt, wenngleich vielfach umgebildet. Boccaz ist fast durchaus wahre Geschichte, ebenso andre Quellen, aus denen alle romantische Erfindung hergeleitet ist.
Ich habe ein bestimmtes Merkmal des Gegensatzes zwischen dem Antiken und dem Romantischen aufgestellt. Indessen bitte ich Sie doch, nun nicht sogleich anzunehmen, daß mir das Romantische und das Moderne völlig gleich gelte. Ich denke es ist etwa ebenso verschieden, wie die Gemälde des Raffael und Correggio von den Kupferstichen die jetzt Mode sind. Wollen Sie sich den Unterschied völlig klar machen, so lesen Sie gefälligst etwa die Emilia Galotti die so unaussprechlich modern und doch im geringsten nicht romantisch ist, und erinnern sich dann an Shakespeare, in den ich das eigentliche Zentrum, den Kern der romantischen Fantasie setzen möchte. Da suche und finde ich das Romantische, bei den ältern Modernen, bei Shakespeare, Cervantes, in der italienischen Poesie, in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Märchen, aus welchem die Sache und das Wort selbst herstammt. Dieses ist bis jetzt das einzige, was einen Gegensatz zu den klassischen Dichtungen des Altertums abgeben kann; nur diese ewig frischen Blüten der Fantasie sind würdig die alten Götterbilder zu umkränzen. Und gewiß ist es, daß alles Vorzüglichste der modernen Poesie dem Geist und selbst der Art nach dahinneigt; es müßte denn eine Rückkehr zum Antiken sein sollen. Wie unsre Dichtkunst mit dem Roman, so fing die der Griechen mit dem Epos an und löste sich wieder darin auf.
Nur mit dem Unterschiede, daß das Romantische nicht sowohl eine Gattung ist als auch ein Element der Poesie, das mehr oder weniger herrschen und zurücktreten, aber nie ganz fehlen darf. Es muß Ihnen nach meiner Ansicht einleuchtend sein, daß und warum ich fordre, alle Poesie solle romantisch sein; dem Roman aber, insofern er eine besondre Gattung sein will, verabscheue.
Sie verlangten gestern, da der Streit eben am lebhaftesten wurde, eine Definition, was ein Roman sei; mit einer Art, als wüßten Sie schon, Sie würden keine befriedigende Antwort bekommen. Ich halte dieses Problem eben nicht für unauflöslich. Ein Roman ist ein romantisches Buch. - Sie werden das für eine nichtssagende Tautologie ausgeben. Aber ich will Sie zuerst nur darauf aufmerksam machen, daß man sich bei einem Buche schon ein Werk, ein für sich bestehendes Ganze denkt. Alsdann liegt ein sehr wichtiger Gegensatz gegen das Schauspiel darin, welches bestimmt ist angeschaut zu werden: der Roman hingegen war es von den ältesten Zeiten für die Lektüre, und daraus lassen sich fast alle Verschiedenheiten in der Manier der Darstellung beider Formen herleiten. Das Schauspiel soll auch romantisch sein, wie alle Dichtkunst; aber ein Roman ists nur unter gewissen Einschränkungen, ein angewandter Roman. Der dramatische Zusammenhang der Geschichte macht den Roman im Gegenteil noch keineswegs zum Ganzen, zum Werk, wenn er es nicht durch die Beziehung der ganzen Komposition auf eine höhere Einheit, als jene Einheit des Buchstabens, über die er sich oft wegsetzt und wegsetzen darf, durch das Band der Ideen, durch einen geistigen Zentralpunkt wird.
Dies abgerechnet, findet sonst so wenig ein Gegensatz zwischen dem Drama und dem Roman statt, daß vielmehr das Drama so gründlich und historisch wie es Shakespeare z. B. nimmt und behandelt, die wahre Grundlage des Romans ist. Sie behaupteten zwar, der Roman habe am meisten Verwandtschaft mit der erzählenden ja mit der epischen Gattung. Dagegen erinnre ich nun erstlich, daß ein Lied ebenso gut romantisch sein kann als eine Geschichte. Ja ich kann mir einen Roman kaum anders denken, als gemischt aus Erzählung, Gesang und anderen Formen. Anders hat Cervantes nie gedichtet, und selbst der sonst so prosaische Boccaccio schmückt seine Sammlung mit einer Einfassung von Liedern. Gibt es einen Roman, indem dies nicht stattfindet und nicht stattfinden kann, so liegt es nur in der Individualität des Werks, nicht im Charakter der Gattung; sondern es ist schon eine Ausnahme von diesem. Doch das ist nur vorläufig. Mein eigentlicher Einwurf ist folgender. Es ist dem epischen Stil nichts entgegengesetzter als wenn die Einflüsse der eignen Stimmung im geringsten sichtbar werden; geschweige denn, daß er sich seinem Humor so überlassen, so mit ihm spielen dürfte, wie es in den vortrefflichsten Romanen geschieht.
Nachher vergaßen Sie Ihren Satz wieder oder gaben ihn auf und wollten behaupten: alle diese Einteilungen führten zu nichts; es gebe nur Eine Poesie, und es komme nur darauf an, ob etwas schön sei; nach der Rubrik könne nur ein Pedant fragen. - Sie wissen, was ich von den Klassifikationen, die so im Umlauf sind, halte. Aber doch sehe ich ein, daß es für jeden Virtuosen durchaus notwendig ist, sich selbst auf einen durchaus bestimmten Zweck zu beschränken; und in der historischen Nachforschung komme ich auf mehre ursprüngliche Formen, die sich nicht mehr ineinander auflösen lassen. So scheinen mir im Umkreise der romantischen Poesie selbst Novellen und Märchen z. B., wenn ich so sagen darf, unendlich entgegengesetzt. Und ich wünsche nichts mehr, als daß ein Künstler jeder dieser Arten verjüngen möge, indem er sie auf ihren ursprünglichen Charakter zurückführt.
Wenn solche Beispiele ans Licht träten, dann würde ich Mut bekommen zu einer Theorie des Romans, die im ursprünglichen Sinne des Wortes eine Theorie wäre: eine geistige Anschauung des Gegenstandes mit ruhigem, heitern ganzen Gemüt, wie es sich ziemt, das bedeutende Spiel göttlicher Bilder in festlicher Freude zu schauen. Eine solche Theorie des Romans würde selbst ein Roman sein müssen, der jeden ewigen Ton der Fantasie fantastisch wiedergäbe, und das Chaos der Ritterwelt noch einmal verwirrte. Da würden die alten Wesen in neuen Gestalten leben; da würde der heilige Schatten des Dante sich aus seiner Unterwelt erheben, Laura himmlisch vor uns wandeln, und Shakespeare mit Cervantes trauliche Gespräche wechseln; und da würde Sancho von neuem mit dem Don Quixote scherzen.
Das wären wahre Arabesken und diese nebst Bekenntnissen, seien, behauptete ich im Eingang meines Briefs, die einzigen romantischen Naturprodukte unsers Zeitalters.
Daß ich auch die Bekenntnisse dazu rechnete, wird Ihnen nicht mehr befremdend sein, wenn Sie zugegeben haben, daß wahre Geschichte das Fundament aller romantischen Dichtung sei; und Sie werden sich, wenn Sie darüber reflektieren wollen, leicht erinnern und überzeugen, daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder minder verhülltes Selbstbekenntnis des Verfassers, der Ertrag seiner Erfahrung, die Quintessenz seiner Eigentümlichkeit.
Alle sogenannten Romane, auf die meine Idee von romantischer Form freilich gar nicht anwendbar ist, schätze ich dennoch ganz genau nach der Masse von eigner Anschauung und dargestelltem Leben, die sie enthalten; und in dieser Hinsicht mögen denn selbst die Nachfolger des Richardson, so sehr sie auf der falschen Bahn wandeln, willkommen sein. Wir lernen aus einer Cecilia Beverley wenigstens, wie man zu der Zeit, da das eben Mode war, sich in London ennuyierte, auch wie eine britische Dame vor Delikatesse endlich zu Boden stürzt und sich blutrünstig fällt; das Fluchen, die Squires und dergleichen sind im Fielding wie aus dem Leben gestohlen, und der Wakefield gibt uns einen tiefen Blick in die Weltansicht eines Landpredigers; ja dieser Roman wäre vielleicht, wenn Olivia ihre verlorne Unschuld am Ende wieder fände, der beste unter allen engländischen Romanen.
Aber wie sparsam und tropfenweise wird einem in allen diesen Büchern das wenige Reelle zugezählt! Und welche Reisebeschreibung, welche Briefsammlung, welche Selbstgeschichte wäre nicht für den, der sie in einem romantischen Sinne liest, ein besserer Roman als der beste von jenen? Besonders die Confessions geraten meistens auf dem Wege des Naiven von selbst in die Arabeske, wozu sich jene Romane höchstens am Schluß erheben, wenn die bankerotten Kaufleute wieder Geld und Kredit, alle armen Schlucker zu essen bekommen, die liebenswürdigen Spitzbuben ehrlich und die gefallnen Mädchen wieder tugendhaft werden.
Die Confessions von Rousseau sind in meinen Augen ein höchst vortrefflicher Roman; die Heloise nur ein sehr mittelmäßiger.
Ich schicke Ihnen hier die Selbstgeschichte eines berühmten Mannes, die Sie, so viel ich weiß, noch nicht kennen: die Memoirs von Gibbon. Es ist ein unendlich gebildetes und ein unendlich drolliges Buch. Es wird Ihnen auf halbem Wege entgegenkommen, und wirklich ist der komische Roman, der darin liegt, fast ganz fertig. Sie werden den Engländer, den Gentleman, den Virtuosen, den Gelehrten, den Hagestolzen, den Elegant vom guten Ton in seiner ganzen zierlichen Lächerlichkeit durch die Würde dieser historischen Perioden so klar vor Augen sehn, wie Sie nur immer wünschen können. Gewiß man kann viel schlechte Bücher und viele unbedeutende Menschen durchsehn, ehe man so viel Lachstoff auf einem Haufen beisammen findet.

o Hymnen an die Nacht (1800) - Novalis

o Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter (1801) - Brentano

o Geistliche Lieder (1802) - Novalis

o Heinrich von Ofterdingen (1802) - Novalis

o Kaiser Octavianus (1804) - Tieck

o Des Knaben Wunderhorn (1806-1808) - Arnim, Brentano

o Kinder- und Hausmärchen (1812) - Gebrüder Grimm

o Fantasiestücke in Callots Manier (1813/15) - E. T. A. Hoffmann

o Jaques Callot

o Ritter Gluck

o Kreisleriana

o Don Juan

o Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza

o Der Magnetiseur

o Der goldene Topf

o Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814) - Chamisso

o Die Gründung Prags (1815) - Brentano

o Die Elixiere des Teufels (1815/16) - E. T. A. Hoffmann

o Deutsche Sagen (1816) - Gebrüder Grimm

o Nachtstücke (1816) - E. T. A. Hoffmann

o Der Sandmann

o Ignaz Denner

o Die Jesuitenkirche in G.

o Das Sanctus

o Das öde Haus

o Das Majorat

o Das Gelübde

o Das steinerne Herz

o Das Marmorbild (1819) - Eichendorff

o Die Serapionsbrüder (1819/21) - E. T. A. Hoffmann

o Die Bergwerke zu Falun

o Nußknacker und Mausekönig

o Doge und Dogaresse

o Meister Martin der Küfner und seine Gesellen

o Die Brautwahl

o Der unheimliche Gast

o Das Fräulein von Scuderi

o Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern (1820/22) - E. T. A. Hoffmann

o Die schöne Müllerin (1821) - Wilhelm Müller

o Lieder der Griechen (1821/24) - Wilhelm Müller

o Meister Floh (1822) - E. T. A. Hoffmann

o Die Winterreise (1824) - Wilhelm Müller

o Aus dem Leben eines Taugenichts (1826) - Eichendorff

o Der letzte Held von Marienburg (1830) - Eichendorff

Biedermeier

1815 - 1848

Inhalt

· I. Begriff

· II. Historischer Hintergrund

· III. Philosophischer Hintergrund

· 1. Literatur des Biedermeier

o 1.1 Lyrik im Biedermeier

o 1.2 Epik im Biedermeier

o 1.3 Biedermeierliches Drama

o 2. Literarische Formen

o 3. Vertreter

o 4. Werke

o 5. Interpretationshilfen

I. Begriff

Der Begriff Biedermeier wurde zunächst von den Realisten abwertend zur Kritik der Literatur der Restaurationszeit verwendet. In der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wandte sich die Bedeutung des Begriffs ins Positive. Man verband damit Vorstellungen von der "guten alten Zeit", jenseits aller politischen Wirren, sowie Häuslichkeit, Geselligkeit im kleinen Kreis und die Zurückgezogenheit ins Private.



Поделиться:


Последнее изменение этой страницы: 2016-06-23; просмотров: 73; Нарушение авторского права страницы; Мы поможем в написании вашей работы!

infopedia.su Все материалы представленные на сайте исключительно с целью ознакомления читателями и не преследуют коммерческих целей или нарушение авторских прав. Обратная связь - 3.139.240.142 (0.15 с.)