Die Entwicklung der wissenschaftlichen Grammatik der deutschen Sprache am Anfang des 19. Jhs. 


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Die Entwicklung der wissenschaftlichen Grammatik der deutschen Sprache am Anfang des 19. Jhs.



Funktionale Grammatik.

Es kommen verschiedene Termini in Umlauf, um die zum Teil noch diskutiert wird, auch das Modell der Beschreibung des grammatischen Systems ist noch nicht stabil (vgl. W. S c h m i d t und F l ä m i g), aber in allen Fällen handelt es sich um die Verquickung der Grammatik mit der Kommunikationsforschung und der Erforschung der Pragmatik (Sprachwirkungsforschung). W. Schmidt spricht von der funktionalen Grammatikforschung im Zusammenhang mit der Aufgabe der Grammatik, „das Funktionieren der sprachlichen Mittel im Kommuni" kationsprozess zu erforschen" (W. S c h m i d ti, 23), indem er die Funktion als einen der eigenständigen Grundbegriffe der Grammatik hervorhebt. Während viele Sprachforscher die Termini Bedeutung und Funktion als Synonyme gebrauchen (vgl. Erben, 80), ist W. Schmidt bestrebt, sie grundsätzlich auseinanderzuhalten. Seine Auffassung dieser Begriffe entwickelt er in einer Reihe von Aufsätzen aus den Jahren 1969—1970.

Die Bedeutung ist die inhaltliche Seite des sprachlichen Zeichens: „Wir verstehen unter Bedeutung die abstrahierende, die invarianten Bestandteile des Erkenntnisprozesses umfassende Widerspiegelung eines Gegenstandes, einer Erscheinung oder einer Beziehung der objektiven Realität im Bewußtsein der Angehörigen einer Sprachgemeinschaft, die traditionell mit der Form zu der strukturellen Einheit des sprachlichen Zeichens verbunden ist" (W. S c h m i d tg, 142). Während die Bedeutung ein sprachinternes Phänomen ist, ist die Funktion ein sprachexternes Phänomen: „Unter Funktion verstehen wir die vom Sender bei der Kommunikation intendierte und in der Mehrzahl der Fälle auch erzielte Wirkung der Sprache auf den Empfänger. Funktion ist also grundsätzlich sprachextern: Sie ist der Output, der kommunikative Effekt, den wir bei der Verwendung von Sprache erzielen" (W. S c h m i d t).

1.4 Traditionelle Grammatik.

Aus der Tradition der aristotelischen Logik und der lat. Grammatik seit dem 18. Jh. in Europa entwickelte Form der älteren Schulgrammatik, als deren Vertreter u.a. K. F. becker, F. blatz, J. ch. a. heyse gelten. Aufgrund ihrer engen Beziehung zu Philosophie, Logik und Literatur hat die T. G. eine Reihe von Eigenschaften, die erst allmählich durch strukturalistisch bzw. funktional orientierte Grammatiken überwunden werden. Die wichtigsten sind: (a) Ihre Kategorisierung und Terminologie ist an der griech. Logik und der lat. Grammatik als Vorbildern orientiert, so daß ihre Systematik nicht ohne weiteres auf moderne europäische Sprachen übertragbar ist; (b) die stark auf formale Kategori-sierungen ausgerichtete Einordnung sprachlicher Daten in bestimmte Klassifikationsmuster: Satzarten, Satzglieder, Wortarten; funktionale Aspekte der Kommunikation bleiben weitgehend unberücksichtigt; (c) die Kriterien ihrer Klassifizierung ebenso wie die Definitionen ihres Vokabulars entbehren einer einheitlichen systematischen Begründung. So beruht die Einteilung der Wortarten auf so heterogenen Kriterien wie logischen, formalen, semantischen, syntaktischen und außersprachlichen Aspekten; (d) da die T. G. vor allem als Hilfsmittel der philologischen Interpretation von literarischen Texten bzw. der Erleichterung des Lateinunterrichts dienten, sind sie ausschließlich an der Schriftsprache orientiert.

1.5 Transformationsgrammatik.

(1) Oberbegriff für jede Generative Grammatik, die Transformationsregeln verwendet.

(2) Im engeren Sinn die von N. chomsky entwickelte Theorie der (generativen) T., deren Ziel es ist, durch ein System von expliziten Regeln das (dem aktuellen Sprachgebrauch zugrunde liegende) implizite Wissen von Sprache abzubilden. Im Unterschied zum taxonomischen -Strukturalismus von harris, bloomfield u.a., der auf Segmentierung und Klassifizierung, d.h. der Katalogisierung konkreter Sprachdaten beruht, bezieht sich chomskys Modell auf vom kompetenten Sprecher bewertete Daten, auf die sprachlichen Intuitionen, die ein kompetenter Sprecher bezüglich seiner Sprache explizieren kann. Wissenschaftsgeschichtlich steht chomsky in der Tradition des Rationalismus von leib niz und descartes. Mit dem Ausbau des Konzepts der»angeborenen Ideen«wendet sich chomsky gegen die behaviori-stische Sprachauffassung des Amerikan. -Strukturalismus und erweitert seine Grammatiktheorie zu einer Theorie des

-Spracherwerbs, indem er die Entwicklung der Kompetenz durch einen angeborenen

-Spracherwerbsmechanismus auf der Basis von grammatischen -Universalien erklärt. Dabei hat die Theoriebildung Vorrang vor der Datenanalyse, d.h. die T. geht deduktiv vor, indem sie Hypothesen über den sprachlichen Erzeugungsmechanismus aufstellt unter besonderer Berücksichtigung des»kreativen«Aspekts des Sprachvermögens. Dies gilt bereits für die erste, durch choms-kys [1957] erschienenes Buch »Syntactic Structures« begründete These der T.: Eine endliche Menge von -Kernsätzen, die durch kontextfreie Phrasenstrukturregeln erzeugt werden, bilden die Basis für die Anwendung von Transformationsregeln, die einen prinzipiell unendlichen Gebrauch von endlichen Mitteln gewährleisten. In der zweiten Phase der T., dokumentiert durch chomskys [1965] erschienene Abhandlung »Aspects of the theory of syn-lax«, wird die ursprünglich nur syntaktische Theorie zu einer allgemeinen Grammatiktheorie erweitert, in die auch Phonoiogie und Semantik einbezogen sind.

 

  1. Begriff des grammatischen System der Sprache.

In dem Leben der menschlichen Gesellschaft hat die Sprache zwei außerordentlich wichtige und unlöslich miteinander verbundene Hauptaufgaben zu erfüllen: sie ermöglicht den Austausch von Mitteilungen unter den Menschen und bildet die Form, in der das menschliche Denken verläuft. Mit anderen Worten:.sie vollzieht den Austausch von Gedanken. Aber um dieser Anforderung Genüge zu leisten, ist die Sprache genötigt, alles zum Ausdruck zu bringen, was in den Gesichtskreis des Menschen auf der betreffenden Stufe der geschichtlichen Entwicklung fallt, alle Dinge und Erscheinungen, alle Prozesse und Eigenschaften, alle Sachverhalte und Beziehungen, die irgendwie für den Menschen von Bedeutung sind und sich also zum Gegenstand der.sprachlichen Mitteilung eignen. Auch das Gefühlsleben des Menschen, seine Lust- und Unlustempf Endungen, sein Staunen usw., gehören dazu; auch sie drängen nach sprachlichem Ausdruck.

Über zwei Mittel verfügt die Sprache, um diesem fast schrankenlosen Gehalte, dieser unübersehbaren Menge von Gegenständen den erwünschten Ausdruck zu verleihen. Einerseits besitzt jede Sprache einen ungeheuren Vorrat an einzelnen Komponenten, Lautkomplexen, welche die betreffenden Dinge, Erscheinungen usw. unmittelbar und als solche bezeichnen, sie sozusagen benennen. Anderseits steht jeder Sprache eine beträchtliche Anzahl verschiedenartiger Formen zu Verfügung, die sich an diese unmittelbar benennenden Lautkomplexe anlehnen, sie modifizieren und in Verbindung bringen. Der Bestand solcher Formen und die Art ihres Zusammenwirkens mit den unmittelbar benennenden Lautkomplexen haben in jeder Sprache ihre Besonderheiten.

Die Gesamtheit dieser Formen (einer Sprache) bildet eben das, was, man gewöhnlich als das grammatische System der Spracheden oder den grammatischen Bau der Sprache bezeichnet.

Hauptzüge des deutschen Sprachbaus.

Sehr charakteristisch für die deutsche Sprache ist der ausgiebige Gebrauch der inneren Flexion, die in anderen germanischen Sprachen jetzt eine durchaus bescheidene Rolle spielt. In Verbindung mit der äußeren Flexion und den analytischen Mitteln der Grammatik führt die innere Flexion oft zu einer beträchtlichen Übercharakterisierung (d.h. zur Bezeichnung eines und desselben grammatischen Inhalts durch mehrere grammatische Formmittel). So wird in der Form die Wälder der Plural dreimal zum Ausdruck gebracht: mit Hilfe des Umlauts, der Pluralmorphems -er und der Pluralform des Artikels.

Sehr wesentlich für die morphologische Struktur des Wortes im Deutschen ist die ungleichmäßige Verteilung der Flexion. Bei einigen Redeteilen ist die Flexion bedeutend stärker ausgebildet als bei den anderen. Besonders arm an der Flexion ist das Substantiv. Nicht nur das Verb, sondern auch das demonstrative und possessive Pronomen und das Adjektiv, also die Wortarten, die syntaktisch als Bestimmungen des Substantivs auftreten, haben viel reichhaltigere Flexionssysteme als das Substantiv. Sehr reich an Flexion ist der Artikel, obgleich er nur ein Hilfs- oder Formwort ist.

Zu den charakteristischen Merkmalen der deutschen Morphologie gehört die Herausbildung einer Reihe von Formen mit veränderlicher Flexion. Das sind die Formen, die in einer und derselben grammatischen Funktion verschiedenartig flektiert werden können. So bekommt das Adjektiv in einem und demselben Kasus, Geschlecht und Numerus zuweilen die "starken" (pronominalen), zuweilen die "schwachen" (nominalen) Endungen: schönes Wetter – das schöne Wetter.

  1. Begriff der grammatischen Form, Bedeutung und Kategorie.

Jede der mannigfaltigen Formen, die in den Bereich der morphologischen und syntaktischen Formmittel gehören, erfüllt irgendeine Funktion im Bau der Sprache. Diese Funktionen sind sehr verschiedenartig. Sie können darin bestehen, daß die betreffende Form einen verallgemeinerten und abstrahierten Bedeutungsgehalt ausdrückt, der die lexikale Semantik der Wörter überlagert, also irgend etwas „bedeutet" (z. B. das Formans -er als Bezeichnung des Plurals in der Wortform Leiber). Aber zuweilen dient die grammatische Form dem Zweck, die Struktur irgendwelcher grammatischen Einheiten aufzubauen (eine solche Rolle spielt z. B. der distanzierte verbale Rahmen, der den deutschen Satz zu einer streng geschlossenen Struktur formt: Wir haben diesen. Aufsatz schon gestern zu Hause geschrieben). Deswegen ist es wohl richtiger, im allgemeinen von der Funktion der grammatischen Formen zu sprechen, wobei der Ausdruck von Bedeutungen nur einen Teil, wenn auch den wichtigsten, bildet.

In diesem Zusammenhang ist es ratsam, einige terminologische Fragen zu erörtern. Es ist jetzt allgemein üblich, unter dem Ausdruck die grammatische Form nicht nur die äußere formale Hülle der betreffenden Erscheinung (den Lautkomplex eines Morphems, eine gewisse Wortstellungsart usw.), sondern die Verbindung dieser äußeren Hülle mit der Funktion, beziehungsweise der Bedeutung, die dieser Hülle innewohnt, zu verstehen.

Einer der wichtigsten Begriffe in der Morphologie ist die W o r t f o r m. Darunter versteht man jede grammatische Abwandlung ein und desselben Wortes, die seine lexikalische Bedeutung unverändert läßt, z. B. jede Kasusform eines Substantivs, jede Personal- oder Zeitform eines Verbs.

Einem Wort als lexikalischer Einheit entsprechen in der Grammatik mehrere Wortformen, deren Anzahl von dem Formenreichtum des betreffenden Wortes abhängt. Es gibt formenreiche, formenarme und sogar unveränderliche Wörter und ganze Wortklassen. Das Adjektiv groß besitzt mehrere Wortformen (alle Formen der schwachen und der starken Deklination, sowie Steigerungsstufen), die Anzahl der Wortformen des Adjektivs blind ist geringer, weil das Wort nicht gesteigert wird, das Adjektiv rosa verfügt nur über einzige Wortform.. Dasselbe bezieht sich auch auf ganze Wortklassen (Wortarten und Untergruppen innerhalb der Wortarten): reich an Formen sind das Verb, viele Pronomen, das Adjektiv, ärmer ist das Substantiv, unverändert (unflektiert) sind manche Adverbien, Zahlwörter, Konjunktionen, Präpositionen.

Die Gesamtheit aller Wortformen eines Wortes (oder einer Wortklasse) stellt dessen Paradigma dar. Einige Wörter besitzen ein lückenhaftes Paradigma, was verschiedene Gründe hat: die lexikalische Bedeutung des Wortes widersetzt sich der grammatischen Bedeutung einer Wortform (deshalb kann das Adjektiv blind nicht gesteigert werden, deshalb gebraucht man das Verb regnen nicht in der l. und 2. Person, deshalb bildet man keine Pluralform von dem Abstraktum Zorn), das entlehnte Wort behält seine fremde Gestalt und fügt sich nicht vollständig in das neue grammatische System ein (so sind die unflektierten Formen mancher Adjektive wie rosa, lila, khaki, prima zu erklären).

Die Wortgruppen

 

Ein Satz setzt sich aus Wörtern und Wortgruppen zusammen. Unter einer Wortgruppe versteht man zwei oder mehr Begriffswörter, die inhaltlich und grammatisch miteinander eng verknüpft sind: ein großes Haus, schnell sprechen, das Mädchen aus der Fremde, reich an Bodenschätzen, Vater und Mutter u. a. m.

 

Von den Wortgruppen ist die Verbindung von zwei oder mehr Wörtern zu unterscheiden, in der nur ein Wort selbständige Bedeutung aufweist: auf dem Tisch, habe gelesen, wird geschrieben werden u. a.

 

Die Wortgruppen werden eingeteilt in beigeordnete (kopulative, lockere) und untergeordnete (enge).

 

Die beigeordneten Wortgruppen bestehen aus zwei und mehr syntaktisch gleichwertigen Wörtern meist derselben Wortart, die mittels beiordnender Konjunktionen miteinander verknüpft werden: Vater, und Mutter, gesund und munter, zu Wasser und zu Lande, daheim und in der Fremde, laut oder leise u. a. Die Zahl der Wörter in einer beigeordneten Wortgruppe ist durch nichts begrenzt: weder Hut, noch Mantel, noch Überschuhe.

 

Im Satz treten die Bestandteile einer beigeordneten Wortgruppe als gleichartige Satzglieder auf.

 

Man hörte weder das Knarren einer Türe noch einen Schritt. (B. Kellermann)

 

Adjektiv

Steigerungsstufen der Adjektive

Man unterscheidet beim deutschen adjektiv zwei Steigerungsstufen: den Komparativ und den Superlativ. Die Grundform heißt der Positiv.

 

"Der Komparativ" wird aus dem Positiv mit dem Suffix "-(e)r" gebildet: "heiß - heißer, böse - böser. "

Die Adjektive auf "-er, -el, -en" verlieren dabei meist das "-e":" dunkel - dunkler, sauer - saurer, offen - off(e)ner"

 

"Der Superlativ" wird aus dem Positiv mit dem Suffix "-(e)st" gebildet und steht meist mit dem bestimmten Artikel: "schön - der schönste, böse - der böseste, neu - der neu(e)ste"

Das Suffix "-est" haben die Adjektive auf "-d, -t, -s, -ß, -sch, -z": "mild - der mildeste, frisch - der frischeste. Aber: groß - der größte"

 

Außerdem bildet man den Superlativ auch mit der Partikel "am" und dem Suffix "-(e)sten"; diese Form ist unflektierbar: "heiß - am heißesten, böse - am bösesten, neu - am neu(e)sten"

Einsilbige Adjektive mit dem Stammvokal "a, o, u" erhalten bei der Steigerung den Umlaut: "lang - länger - am längsten, groß - größer - am größten, kurz - kürzer - am kürzesten"

 

Der Gebrauch des Adjektivs im Satz

 

Das Adjektiv wird im Satz attributiv und prädikativ sowie als prädikatives Attribut gebraucht. Das gilt auch für die Adjektive im Komparativ und Superlativ. Seinem Wesen entsprechend, steht das Adjektiv meist als Attribut bei einem Substantiv ("attributiver Gebrauch"). In diesem Falle richtet es sich in Geschlecht, Zahl und Kasus nach seinem Beziehungswort.

 

Diederich Heßling war ein weiches Kind... (H. Mann)

Doch Becker fuhr mit noch größerer Geschwindigkeit. (A. Seghers)

Ludwig und Hermine bewohnten das größte und schönste Zimmer bei Brentens... (W. Bredel)

 

Das Adjektiv als Attribut kann auch in der nichtdeklinierten Form (in der Kurzform) auftreten:

in stehenden Redewendungen und Sprichwörtern: "auf gut Glück; sich lieb Kind machen; ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen; bar Geld lacht"

in dichterischer Sprache (meist vor Neutra im Nominativ oder Akkusativ), manchmal auch nachgestellt.

 

"Und mit des Lorbeers muntern Zweigen | Bekränze dir dein festlich Haar! (F. Schiller)

„Und in ihren lieben Augen liegt mein unermeßlich Reich!“ (H. Heine)

Röslein rot. (J.W. Goethe)"

 

Das Adjektiv kann auch Teil eines nominalen Prädikats sein ("prädikativer Gebrauch"). In diesem Falle bleibt es meist unverändert.

 

"Marat war krank... (W. Bredel)

... es war dunkler geworden. (Th. Storm)"

 

Im prädikativen Gebrauch wird das Adjektiv im Positiv manchmal auch dekliniert und steht dann mit dem Artikel. In diesem Fall bezeichnet es die Zugehörigkeit eines Dings zu einer bestimmten Gattung.

 

"Sie wußten gut, dass sie zusamengehörten, ihr Schicksal war ein gemeinsames. (W. Bredel)

„Mein Kurs ist der richtige, ich führe euch herrlichen Tagen entgegen“ (H. Mann)"

 

Auch das Adjektiv im Komparativ kommt zuweilen im prädikativen Gebrauch in der flektierbaren Form vor; es bezeichnet dabei einen höheren (bzw. geringeren) Grad der Eigenschaft eines Dinges im Vergleich zu einem anderen Ding.

 

"Es war der jüngere der beiden Söhne eines Großbauern... (W. Steinberg)"

 

Die meisten Adjektive lassen sowohl den prädikativen als auch den attributiven Gebrauch zu. Es gibt aber Adjektive, die nur attributiv gebraucht werden. Das sind:

Adjektive, die keine Kurzform haben: "die heutige (gestrige, morgige, tägliche) Zeitung; die dortigen (hiesigen) Sitten; das linke (rechte) Ohr; die untere (obere) Stufe; ein anderer (besonderer) Fall"

relative Adjektive, die von Stoffnamen abgeleitet sind: "golden, gläsern, eisern, hölzern, seiden, silbern, wollen"

die undeklinierbaren Adjektive: "lila, rosa, Moskauer"

 

"Seine Gedanken waren bei Ernst Timm und den beiden Artikeln für die illegale „Hamburger Volkszeitung“. (W. Bredel)"

 

Manche Adjektive werden nur prädikativ gebraucht. Dazu gehören "angst, bange, bereit, eingedenk, feind, gewahr, gram, kund, leid, quitt, schade, schuld, untertan, zugetan u.a."

 

"Jetzt war es Marie leid, dass sie ein dummes Weib war... (A. Segher)"

 

Als prädikatives Attribut wird das Adjektiv in der Kurzform gebraucht.

 

"Die Nacht kommt groß und blau durch die offenen Fenster (E.M. Remarque)

Müde gehe ich schließlich nach Hause (E.M. Remarque)"

 

 

Die Zahlwörter. (Bedeutung und Gebrauch jeder Gruppe)

Das Numerale ist eine Wortart, die einen Zahlbegriff ausdrückt. Man unterscheidet zwei Gruppen von Numeralien: die Kardinalzahlen (Grundzahlwörter) und die Ordinalzahlen (Ordnungszahlwörter).

Die Kardinalzahlen bezeichnen eine bestimme Anzahl, sie antworten auf die Frage wieviel?. Die Kardinalzahlen werden attributiv und substantivisch gebraucht.

 

"über Politik sprach er mit seinen sechzehn Jahren wie ein Alter.

Abends... vernahm er das Ergebnis; gegen achttausend Stimmen für Heuteufel, sechstausend und einige für Napoleon Fischer, Kunze aber hatte dreitausendsechshundertzweiundsiebzig"

 

Die Kardinalzahlen sind undeklinierbar. Eine Ausnahme bilden die Numeralien "eins, zwei, drei". Eins wird dekliniert und gibt das Geschlecht an. Attributiv gebraucht, wird es wie der unbestimmte Artikel dekliniert.

 

"Der Zug bestand aus einem Personenwagen und fünf Viehwagen"

 

Beim selbstä ndigen Gebrauch stimmen seine Formen mit dennen des unbestimmten Pronomens "einer (eine, eines)" überein.

 

"Eines der drei Gemä lde... war nach Dä nemark verkauft worden"

 

Substantivisch gebraucht, werden "zwei, drei" stets dekliniert. Sie bekommen im Genitiv und Dativ die Kasusendung -er bzw -en.

 

"An einem sonnigen Morgen pflügten zwei Bauern auf zweien dieser ä cker"

 

Stehen diese beiden Kardinalzahlen mit dem Artikel, so können sie im Dativ eine Endung bekommen.

 

"Wie vorher der vielstimmige Krach, stieg jetzt plötzlich aus dem Hof Stille zu den dreien empor (L. Frank)"

 

Attributiv gebraucht, werden "zwei, drei" dekliniert, jedoch nur, wenn das Beziehungswort weder Artikel noch Pronomen, noch Prä position bei sich hat.

 

"Im ganzen weiten Gau erzä hlte man sich empört und erschreckt vom Zusammenbruch zweier kleiner Banken in Amreiten (O.M. Graf)

Richard wurde eingeholt von einem leeren Kastenwagen, der mit zwei schweren Pferden bespannt und hinten offen war (L. Frank)"

 

Ist eine Substantivgruppe mit einer attributiven Kardinalzahl ihrerseits ein Attribut, so wird sie mit der Prä position von gebraucht.

 

"Sie war die Mutter von drei Kindern"

 

Die Zahlnamen fremden Ursprungs "(die Million, die Milliarde)" sind nur Substantive. Als solche werden sie dekliniert und haben den Plural.

 

"Die Heere der beiden Lager überschritten schon jetzt weit die Millionengrenze; ihre Kosten... die der Milliarde (A. Zweig)

„Und was sagen Sie dazu, dass um solche Mä nner wie Sie Millionen Deutsche ihr Leben hingaben?“ (M. Zimmering)"

 

Neben den Kardinalzahlen hundert, tausend bestehen die Substantive das Hundert, das Tausend. Im Singular gebraucht, bezeichnen sie eine Maßeinheit, im Plural gebraucht, eine unbestimmte Menge. Dasselbe gilt für das Substantiv das Dutzend.

 

"Tausende preußische und österreichische Soldaten liefen führungslos über das Schlachtfeld (W. Bredel)"

 

Die Kardinalzahlen können substantiviert werden; sie sind stets weiblichen Geschlechts.

 

"Frau Hardekopf war nun auch schon weit über die Fünfzig... (W. Bredel)

Georg auf der Plattform der Drei dachte: Wä re es nicht besser gewesen, zu Fuß? (A. Seghers)"

 

Eine Abart der Kardinalzahlen bilden die Bruchzahlen. Sie werden vom Stamm der Kardinalzahlen mit dem Suffix -tel (von 3 bis 19) bzw. -stel (von 20 aufwä rts) gebildet: "ein viertel, ein zehntel". Die Bruchzahl zu zwei heißt halb, zu "drei - ein drittel", für einhalb sagt man auch anderthalb.

Von Haus aus sind die Bruchzahlen Substantive; sie werden auch heute oft als solche gebraucht: "das Drittel, das Viertel, das Halbe, drei Viertel usw."

 

Die Ordinalzahlen geben die Stellung einer Person oder eines Dinges in einer Reihenfolge an und antworten auf die Frage "der wievielte?" Die Ordinalzahlen werden vom Stamm der Kardinalzahlen mit dem Suffix "-t" bzw. "-st" (von 20 abwä rts) gebildet. Einige Besonderheiten weisen die Ordinalzahlen "der erste, der dritte": sie verä ndern ihren Stamm. Die Ordinalzahlen stehen in der Regel mit dem bestimmten Artikel. Sie treten im Satz meist als Attribut auf und werden wie Adjektive dekliniert.

 

"“Möge die neue Generation glücklich und stark werden im friedlichen Reich des zwanzigsten Jahrhunderts!“ (W. Joho)"

 

Die Kardinalzahlen können, als nachgestelltes Attribut gebraucht, die Bedeutung von Ordinalzahlen haben (bei Angabe einer Jahreszahl, einer Hausnummer, eines Paragraphen).

 

"”Ich mache jetzt rasch meine Visite, Taunusstraße 11. Das alte Frä ulein ist hoffentlich gar nicht zu Hause (A. Seghers)"

 

 

VORLESUNG 3. DAS VERB

  1. Allgeneines.
  2. Strukturell-semantische Subklassen von Verben.
  3. Grammatische Kategorien des Verbes.
  4. Das Verb als strukturell-semantisches Zentrum des Satzes.

 

Allgeneines.

Das Verb bildet im Deutschen einen krassen Gegensatz zu allen anderen Redeteilen und steht ganz vereinzelt in dem System der Redeteile da.

Das Verb beherrscht syntaktisch, wie das Substantiv, eine komplizierte und mehrgliedrige Wortgruppe, aber im Gegensatz zu dem Substantiv, das viel ärmer an Flexion als seine Attribute ist, besitzt das Verb ein ziemlich entwickeltes Flexionssystem, wogegen die Bestimmungen des Verbs sich durch vollständigen Mangel an irgendwelchen formbildenden Morphemen auszeichnen. Bei den 6 Personalformen des Präsens (im Singular und Plural) gibt es 4 verschiedene Endungen -e, -(e)st, -(e)t -en, wogegen bei den 8 Kasusformen des Substantivs (im Singular und Plural) am häufigsten nur 2 oder 3 verschiedene Endungen vorkommen (zuweilen sogar nur eine!) und nur in der starken Deklination auch 4 Endungen (jedoch bei 8 Formen) zu verzeichnen sind. 4 verschiedene Endungen hat auch das Prateritum mit seinen 6 Formen.

Zu den wichtigsten Besonderheiten des Verbs gehört seine Tendenz zur Zwei- oder sogar Mehrteiligkeit, wobei diese Glieder zwei strukturelle Zentren im Satz bilden, die voneinander distanziert sind. Diese Erscheinung hängt mit einer der wesentlichsten Gesetzmäßigkeiten des deutschen Satzbaus zusammen — mit der Bildung des Satzrahmens. Auf diese Weise wird aber die Gruppe des Verbs zu einer Vertreterin des ganzen Satzes. Auch in bezug auf seine Fügun^s-potenzen tritt das Verb als ein solches Satzglied auf, das der Gestaltung des Satzes in seiner Ganzheit besonders nah steht: die Nebenglieder des Satzes, die sich auf zwei Hauptglieder (auf das Prädikat und ein anderes Glied—Subjekt oder Objekt) beziehen (prädikatives Attribut, Modalglied), treten im Deutschen in der Form,der adverbialen Bestimmung auf.

Die Zweiteiligkeit des Verbs wird mit Hilfe von verschiedenen Mitteln erzielt. Vor allem sind hier die analytischen, zusammengesetzten Verbalformen und die Verbindungen der Nominalformen des Verbs mit den Modalverben zu nennen. Aber auch die trennbaren Vorsilben und Zusammensetzungen dienen dazu, die distanzierte Zweiteiligkeit des Verbs zu ermöglichen. Es gibt aber noch mehrere andere sprachliche Erscheinungen, die dieselbe Funktion erfüllen, d. h. die Zweiteiligkeit des Verbs sichern. Einige von ihnen sind besonders oder sogar ausschließlich in der Umgangssprache vertreten, andere dagegen in der Schriftsprache.

Es ist aucli erwähnenswert, daß im Süden, wem; auch von phonetischen Ursachen bedingt, im Dialekt und in der Umgangssprache das eingliedrige Präterit vom zweigliedrigen zusammengesetzten Perfekt zurückgedrängt wurde.

Eine große Verbreitung, vor allem in den Zeitungen, in der technischen und wissenschaftlichen Literatur, aber nicht ausschließlich in diesen Gattungen der Literatursprache, haben auch phraseologische Bildungen gefunden, die die einfachen, eingliedrigen Verben ersetzen. Diese Fügungen bestehen aus Verben mit allgemeinerer Semantik aktionsartmäßiger oder kausativer Art (besonders kommen, bringen, setzen, treten, geraten) + präpositionale Konstruktionen (seltener ein Kasus ohne Präposition): abschließenzum Abschluß bringen, (auf) wallenin Wallung geraten, senken — zum Sinken bringen, sich "verabschieden—Abschied nehmen usw.

Obgleich Stilisten und Grammatiker schon längst die Anwendung von solchen Bildungen bekämpfen und ihren Ersatz durch einfache Verben empfehlen, treten sie auch heute massenhaft auf, und dabei bei den besten Sprachmeistern der Gegenwart, z. B. bei Thomas Mann. Wir glauben, daß diese Tatsache weder einfach durch Verdorbenheit des sprachlichen Geschmacks zu erklären ist, noch durch das Vorhandensein phraseologischer Bildungen dieser Art, die als solche oder in Verbindung mit ihren Attributen semantisch durch eingliedrige Verben schwer zu ersetzen wären, z. B. in Belegung setzen, zum mächtigen Aufschwung bringen, in steigende Verwunderung setzen usw. Es wirkt sich hier eben auch die außerordentuch starke syntaktisch-strukturelle und zugleich rhythmisch-strukturelle Tendenz zur Zweiteiligkeit des Verbs aus.

 

  1. Strukturell-semantische Subklassen von Verben.

Innerhalb einer Wortart lassen sich einzelne strukturell-semantische Subklassen (Schichten) von Wörtern ausgliedern. Beim Verb heben sie sich so scharf ab, daß jede Schulgrammatik sie unter dem einen oder dem anderen Gesichtspunkt unterscheidet. So teilt man zum Beispiel die Verben von jeher in Vollverben und Hilfsverben, in persönliche und unpersönliche, transitive und intransitive, subjektive und objektive Verben ein. Theoretisch unhaltbar ist aber, daß man dabei einseitig bald die eine Charakteristik des Verbs, bald die andere hervorhebt und zum absoluten Klassifikationskriterium macht. So bezeichnet man zum Beispiel die Einteilung der Verben in Vollverben, Hilfsverben und Modalverben als eine semantische Klassifikation. Die Einteilung der Verben in transitive und intransitive nennt man dagegen eine syntaktische Klassifikation usw.

In Wirklichkeit aber sind das semantische Klassifikationskriterium und die grammatikalischen oder strukturellen Klassifikationskriterien paradigmatischer und syntagmatischer Art aufs innigste miteinander verquickt und treten immer vereint zutage. So beruht zum Beispiel die Ausgliederung der transitiven Verben nicht nur auf syntagmatischer Grundlage, sondern zugleich auch auf semantischer und paradigmatischer Grundlage.

An die Tradition anknüpfend, unterscheiden die meisten Sprachforscher heute folgende strukturell-semantische Klassen von Verben:

I. l. Vollverben, 2. Hilfsverben, 3. kopulative Verben, 4. Modalverben

oder: l. Vollverben, 2. Hilfsverben, 3. modifizierende Verben

II. l. subjektive Verben, 2. objektive Verben *III. l. transitive Verben, 2. intransitive Verben

IV. l. persönliche Verben, 2. unpersönliche Verben

V. l. terminative Verben, 2. kursive Verben ** (perfektive) (imperfektive)

VI. l. reflexive Verben ***

Die Einteilung der Verben in s u b j e k t i v e und o b j e k t ive Verben wird von dem modernen Begriff Valenz des Verbs überdeckt und braucht kaum länger aufrechterhalten zu werden.

Die Termini t e r m i n a t i v e und kursive Verben sind in der Theorie der Aktionsarten aufgekommen. Kennzeichen der terminativen Verben (Terminata) ist, daß ihre lexikalische Bedeutung die na.tellung von einem Endziel der Handlung impliziert (mitbegreift). Als Endndziel können eine Veränderung in der Verfassung des Subjekts, des Objekts, die Gipfelung der Tätigkeit im erstrebten Resultat gedacht sein: kommen, erwachen, sterben, er(ver)-blähen; stellen, verbessern, öffnen; finden, gewinnen, erraten; stehenbleiben

Die kursiven Verben dagegen stellen den Vorgang in seinem Verlauf dar, ohne Hinweis auf ein voraussichtliches Endziel (einen Endpunkt) ( das Leben in seiner Kontinuität" nach H. Brinkmann): wachen, leben, wohnen, sitzen, stehen, aussehen u. ä. In grammatikalischer Hinsicht sind die terminativen und kursiven Verben vor allem durch ihr Verhalten zur Kategorie der Aktionsarten gekennzeichnet. Der Zusammenhang der Einteilung terminativ l kursiv mit der Kategorie der Aktionsarten ist derselben Natur wie der Zusammenhang der Einteilung transitivl intransitiv mit der Kategorie der Genera verbi. Während den kursiven Verben jegliche aktionsarthaitigen paradigmatischen Formen fehlen, setzt die inhaltliche Prägung der terminativen Verben die Möglichkeit von aktionsartmäßigen Korrelationen im Formensystem des Verbs voraus. Freilich sind die Aktionsarten im Deutschen eine schwache Kategorie: die finiten Formen der terminativen Verben haben keine aktionsartmäßigen Korrelationen. Doch kommt die aktionsartmäßige Opposition: unvollzogen-vollzogen im Formensystem der Partizipien zum Ausdruck. Besonders kraß tritt sie bei den intransitiven terminativen Verben zutage. Vgl.

der kommende Mensch — der gekommene Mensch

der erwachende Mensch — der erwachte Mensch.

Ein neuer Aspekt der Einteilung ist die Gruppierung der Verben nach der Valenz. Auch diese Einteilung ist eine strukturell-semantische, da sie die inhaltliche Prägung des Verbs und sein grammatikalisches Verhalten in Verbindung setzt.

Die Einteilung der Verben nach der Valenz widerspricht nicht den obengeschilderten Klassifikationen, überschneidet sich vielmehr mit ihnen, ist aber ihnen gegenüber in erster Linie auf die Syntax orientiert und bildet heute eine der Grundlagen der Theorie der Satzmodellierung (s. S. 239 ff.).

Unter Valenz des Verbs (Fügungspotenz, Wertigkeit) versteht man die Fähigkeit des Verbs, die Zahl und die Art der Worter zu bestimmen, die das notwendige Minimum des Satzes bilden. So enthalten zum Beispiel die Sätze Ich heiße, * Ich gebe nicht das notwendige Satzminimum, sie sind falsch oder wie man sagt „ungrammatisch“, daher mit *gekenn-zeichnet. Das Verb heißen eröffnet im Satz zwei „Leerstellen" (nach dem Ausdruck von K. B ü h l e r), die durch die sog. „Mitspieler" besetzt werden müssen; die erste Leerstelle wird durch ein Substantiv resp. Pronomen besetzt, die zweite durch ein Substantiv, meistens einen Eigennamen, z. B. Ich heiße Anna. Das Verb geben eröffnet im Satz drei Leerstellen, die ausgefüllt werden müssen: Ich gebe es dir. In diesen Fällen ist die Ausfüllung der Leerstellen obligatorisch. Die Valenz des Verbs kann auch fakultativen Charakter haben, vgl. Alle singen (das Lied) mit. Zuweilen ändert sich der Charakter der Valenz je nach der Bedeutungsschattierung des Verbs, vgl. Er trinkt BierEr trinkt.

Als „Satzzentrum“ besitzt das Verb eine zweifache Valenz: a) die sog. linksgerichtete Valenz (Vorhandensein/Nichtvorhandensein des Subjekts, Charakter des Subjekts; vgl. über Geschehensverben, Witterungsverben oben), b) die sog. rechtsgerichtete Valenz (Objekte bzw. obligatorische Umstandsergänzungen). Eine ähnliche Unterscheidung macht auch J. Erben: „Von der Art und Wertigkeit des Verbs... hängt es wesentlich ab, welche und wie viele Ergänzungsbestimmungen im Vor- und Nachfeld des Verbs auftreten und das Satzschema ausgestalten".

Nach der Zahl und dem Charakter der „Leerstellen", die ein Verb nffnet, unterscheidet

H.Brinkmann:

1. nullstellige Verben (es friert);

2. beschränkt einstellige Verben (der Versuch ist mißglückt;

3. unbeschränkt einstellige Verben (der Vater schläft);

4. erweitert einstellige Verben mit Dativ (Ich danke dir);

5. erweitert einstellige Verben mit Genitiv (Wir gedachten der Toten);

6. notwendig zweistellige Verben (Du hast den Brief geschrieben);

7 erweitert zweistellige Verben (Man hat ihn des Diebstahls beschuldigt);

8. dreistellige Verben (Ich habe ihm das Haus übertragen).

Die Kategorie der Zeit

Die 6 Zeitformen des deutschen Verbs entsprechen nicht genau der dreifachen Zeiteinteilung in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Der Gegenwart entspricht nur eine Zeitform: das Präsens; der Vergangenheit dagegen drei Zeitformen: das Präteritum, das Perfekt, das Plusquam-

perfekt; die Zukunft findet in zwei formen: J^utur l und 2, inren Ausdruck.

Die 6 Zeitformen zerfallen in zwei Gruppen je nachdem, ob sie relative oder absolute zeitliche Bedeutung wiedergeben. Unter absoluter zeitlicher Bedeutung versteht man die zeitlichen Relationen in bezug auf den Redemoment: Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft. Setzt man zwei Handlungen in zeitlichen Bezug zueinander, so spricht man von der r e l a t i v e n Zeit, und zwar von Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit und Nachzeitigkeit. Bei der Gleichzeitigkeit verwendet man gewöhnlich dieselben Zeitformen, bei der Nichtgleichzeitigkeit verschiedene Zeitformenpaare: Präsens — Perfekt, Präteritum — Plusquamperfekt, Futur l (Präsens) — Futur 2 (Perfekt). Zwei Zeitformen Plusqua.mperfekt und Futur 2 haben sich auf die Bedeutung der Vorzeitigkeit spezialisiert. Der Funktionsbereich des Plusquamperfekts ist Vorzeitigkeit in der Vergangenheit, der Funktionsbereich des Futurs 2 die Vorzeitigkeit in der Zukunft. Deshalb nennt man sie relative Zeitformen. Alle anderen Zeitformen sind imstande, sowohl absolute als auch relative Bedeutung zu vermitteln. Jede Form ist mehrdeutig. Sie besitzt außer der rein zeitlichen Bedeutung zusätzliche Bedeutungen, die ihre Eigenart prägen. Das wird aus dem Kontext ersichtlich.

Die größte Zahl von Bedeutungen weist das Präsens auf.

1) Seine Hauptbedeutung ist die Angabe der Gegenwart.Alle anderen Bedeutungen des Präsens sind Nebenbedeutungen.

2) Das iterative Präsens bezeichnet eine sich wiederholende Tätigkeit: Er turnt täglich. Wir besuchen oft Museen.

4) Das generelle Präsens hat einen hohen Grad von Verallgemeinerung: es erscheint in allgemeingültigen Sentenzen, Sprüchen, Sprichwörtern, Feststellungen von Gesetzmäßigkeiten, wissenschaftlichen Ergebnissen:

Mit Speck fängt man Mäuse. (Sprichwort) Vorsicht ist die Mutter der Weisheit. (Sprichwort)

5) Das futurische Präsens dringt in den Bereich des Futurs ein und wird zu dessen Synonym: Bald beginnen die Ferien..

DIE KATEGORIE DES GENUS

Es gibt im Deutschen drei Genera: das Aktiv, das Passiv und das Stativ. Die ersten zwei werden von allen Grammatikern anerkannt, das dritte dagegen findet sich in den Grammatikbüchern unter verschiedenen Benennungen: das Zustandspassiv, die Fügung sein + + P a r t i z i p 2, das sein'P a s s i v. Das Passiv und das Stativ sind analytische Formen, die mit den Hilfsverben werden und sein gebildet werden. Das Aktiv als das Grundgenus der Aussage erstreckt sich über alle Verben, das Passiv und das Stativ kennen gewisse lexikalische Einschränkungen.

Der semantische Unterschied zwischen den drei Genera wird an den Wandlungen desselben Verbs sichtbar: Man schließt das Fenster. Das Fenster wird (von jemand) geschlossen. Das Fenster ist geschlossen.

Das Aktiv (lat. agere == handeln) bezeichnet eine Handlung, die vom Satzsubjekt ausgeht und meist auf ein Objekt gerichtet ist. Fehlt das Objekt, so bleibt doch das Satzsubjekt Träger eines Vorganges, eines Zustandes oder einer Eigenschaft, die das Prädikat angibt (= Ausgangspunkt des Verbalgeschehens, der/das Agens, der Täter, Urheber des Vorgangs).

Er singt (ein Lied). Das Kind lernt (Mathematik).

Das Passiv (lat. leiden) bezeichnet eine Handlung, die umgekehrt auf das Satzsubjekt gerichtet ist. Von wem die Handlung ausgeht, kann durch das präpositionale Objekt angegeben werden oder überhaupt unausgedrückt bleiben. Demnach unterscheidet man das dreigliedrige Passiv:

Dieses Lied wird von Schaljapin gesungen. und das zweigliedrige Passiv: Dieses Lied wird oft gesungen

Folglich unterscheiden sich beide Genera nach der Handlungsrichtung. Das Stativ (lat. stare == stehen) bezeichnet den Zustand des Subjekts, der infolge eines Vorgangs eingetreten ist; es geht um die Darstellung eines erreichten Zustands:

Das Fenster ist geschlossen. Der Vorfrag ist abgeschlossen. Der Junge ist bestraft.

Die Angabe des Urhebers der Handlung (des Agens) fehlt meist. Die Aussage Er ist rasiert kann zwei Möglichkeiten voraussetzen: Er hat sich selbst rasiert oder Er wurde von Jemand rasiert. Das zweigliedrige Stativ überwiegt, obwohl das dreigliedrige auch möglich ist:

Wir sind von ihm Izerzlich eingeladen.

Das Passiv und das Stativ haben dieselben Zeitformen wie das Aktiv. Was die Modi anbelangt, so bilden sie den Indikativ und den Konjunktiv, aber keinen Imperativ.

 

 

DIE KATEGORIE DES MODUS

Drei Modi (lat. modus == Art und Weiset der I n d i k a t i v, der K o n-J u n k t i v, der Imperativ — dienen zur Charakterisierung der Aussage hinsichtlich ihrer Realität/Irrealität, deshalb heißen sie auch Aussageweisen.

D e r I n.d i k a t i v (lat. indicare == hinweisen, zeigen) ist der Hauptmodus der Aussage. Er charakterisiert die Aussage als real in positiver oder negativer Form (Es regnetEs regnet nicht mehr), in Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft, im Aktiv oder im Passiv. Natürlich können im Indikativ auch unwahre Feststellungen (Sagen, Märchen, Lügen) gemacht werden, die sprachliche Prägung verleiht ihnen jedoch den Anschein einer realen Tatsache.

Der Konjunktiv stellt die Aussage als irreal hin. Die Irrealität ist in der Grammatik ein weiter Begriff: er umfaßt Unerfüllbarkeit eines Geschehens, Möglichkeit der Realisierung, Zweifel an der Realisierung u. a. m.

D e r I m p e r a t i v ist der Modus der Aufforderung. Eine Aussage im Imperativ kann man nicht schlechthin als real oder nicht real auffassen. Einerseits möchte der Sprecher seine Aufforderung realisiert sehen, deshalb gehört sie in den Bereich der Realität, andererseits handelt es sich meist um einen noch nicht realisierten Vorgang. Der Formenreichtum der drei Modi ist ungleich: der Indikativ verfügt über sechs Zeitformen und drei Personen, der Konjunktiv über acht Zeitformen und drei Personen, der Imperativ hat nur eine Person und keine Zeitformen.

Auch in syntaktischer Hinsicht sind die Modi ungleich. Der Indikativ ist syntaktisch uneingeschränkt — er wird in allen Satzarten verwendet Der Konjunktiv kennt gewisse syntaktische Einschränkungen. Der Imperativ ist nur an eine Satzart gebunden — an die Befehlssätze.

  1. Das Verb als strukturell-semantisches Zentrum des Satzes.

Die Grammatikforscher heben immer mehr die Vorrangstellung des Verbs im Kreise der Wortarten hervor. Um dieser Vorrangstellung des Verbs gerecht zu werden, brechen heute viele Verfasser mit der aus der antiken Grammatik überkommenen Tradition, die Beschreibung der Wortarten mit dem Substantiv und den anderen nominalen Wortarten zu beginnen, und stellen das Verb an die Spitze ihrer Darstellung (Erben; G l i n z; G r e b e). Auch wir halten es hier für geboten.

Däs Verb ist nicht nur zahlenmäßig die größte Wortklasse, indem es etwa ein Viertel des Gesamtwortschatzes ausmacht (Erben, 21), sondern auch die bedeutendste in grammatischer Hinsicht:

l) Das Verb spielt dank seiner inhaltlichen Prägung die zentrale Rolle im Satz. Die Verben „bezeichnen ein Geschehen oder Sein^/sagt J. Erben, „liefern also geradezu den Aussagekern" (Erben). Indem die finiten Formen des Verbs (allein oder mit einem Prädikatsnomen) als Prädikat des Satzes füngieren, sind sie nach H. Glinz das „Leitglied des Satzes" (G l i n z), nach H. Renicke „die Zentralgröße des Satzes" (R e n i c k e). Das Verb ist „das satzbildende Wort", „das eigentliche Kraftzentrum in der geistigen Gesamtform des Satzes" (G l i n z).

Die satzbildende Kraft der finiten Formen des Verbs erklärt sich durch die Valenz des Verbs (auch Fügungspotenz, Fügungswert, Wertigkeit genannt). Die finiten Formen des Verbs haben eine zweifache Valenz: die linksgerichtete und die rechtsgerichtete Valenz.

Die Valenz des Verbs bestimmt den Bau des Satzes. H. Brinkmann hebt die satzprägende Kraft des Verbs hervor, indem er die Fügungspotenz von Substantiv und Verb einander gegenüberstellt: „um ein Substan-w bildet sich eine in sich geschlossene Gruppe, das Verbum greift vielItig in den ganzen Aufbau des Satzes hinein“ (B r i n k m a n n). Diesen Gedanken können folgende Beispiele veranschaulichen:

Ein kleiner Junge

Ein Junge kommt gelaufen.

Die Ankunft des Zuges

Der Zug kommt um 10. 00 an.

2) Als struktureller Mittelpunkt des Satzes besitzt das Verb ejh reich ausgebautes System von grammatischen Kategorien: die Kategorien der Person, des Numerus, der Zeit, des Modus, des Genus verbi, der Ak-tionsart (schwache Kategorie).

3) Das Zusammenspiel dieser Kategorien ergibt eine Fülle von Wortformen, die das Paradigma des Verbs unter allen anderen Wortarten auszeichnet. So besteht das Paradigma eines persönlichen intransitiver Verbs im Deutschen aus 91 Wortformen, das eines persönlichen transiti ven Verbs aus 177 Wortformen.

 

 

VORLESUNG 4. DAS SUBSTANTIV

1. Allgemeines.

2. Strukturell-semantische Subklassen von Substantiven.

3. Grammatische Kategorien des Substantivs.

4. Kategorie der Bestimmtheit/ Unbestimmtheit.

 

Allgemeines.

Das Substantiv ist die zweitwichtigste Wortart nach dem Verb. Dafür sprechen seine inhaltliche Prägung, die Größe seines Wortbestandes, seine Funktion im Satz.

l) Den semantischen Kern der Substantive als Wortart bilden die Namen für Lebewesen und leblose Dinge (Mensch, Haus, Baum, Berg usw-), worauf auch der verdeutschende Terminus Dingwort hindeutet. Doch stehen den Namen für konkrete Gegenstände viele abstrakte Substantive zur Seite, wovon sehr viele als Sekundärbildungen zu Adjektiven, Verben, Numeralien und anderen Wortarten zu betrachten sind (vgl. schön — die Schönheit, groß — die Größe. Solche Substantive haben keineSachbedeutung. Es sind also Namen für Eigenschaften, Handlungen, Vorgänge, Zahlbegriffe, Beziehungen verschiedener Art.

Die inhaltliche Prägung des Substantivs als Wortart ist also der Ausdruck der Gegenständlichkeit im weitesten Sinne. Die Leistung des Substantivs in der Sprache besteht also darin, daß es die gegenständliche Darstellung aller Erscheinungen der materiellen und der ideellen Welt ermöglicht. Dies erklärt, warum der Anteil der Substantive am Gesamtwortschatz so hoch. ist: im Deutschen 50—60% des Gesamtwortschatzes. Hinzu kommt die uneingeschränkte Möglichkeit der Substantivierurung: krankder Kranke, blau—das Blau', aber—das Aber; ach— das Ach, das A, von A bis Z; das [e:] usw.

2) Alle Vorzüge der Vergegenständlichung verschiedenartigster Erscheinungen der Wirklichkeit im Substantiv treten aber erst klar zutage, wenn man die syntaktischen Charakteristiken des Substantivs berücksichtigt. Seine Rolle im Rahmen des Satzes ist „eine kaum weniger bedeutsame als die des Verbs", um mit J. Erben zu sprechen. Im Gegensatz zu den anderen Wortarten, die auf bestimmte Satzgliedfunktionen angewiesen sind (vgl. das finite Verb, das Adjektiv, das Adverb), hat das Substantiv einen universellen syntaktischen Fügungswert. Es besetzt am häufigsten alle Leerstellen, die das finite Verb je nach seiner Valenz eröffnet,— die des Subjekts, des direkten und des indirekten Objekts, des Adverbiales; als Attribut tritt es oft an die Seite eines anderen Substantivs; in Verbindung mit einem finiten Verb erscheint es als Prädikativum. Vgl. den Satzgliedwert der Substantive in folgendem Satz:

Im blumengeschmückten Festsaal des Parteihauses saß ein wahrhaft andächtiges Publikum, überwiegend Mütter, ältere, aber auch noch recht Jung aussehende, die Töchter oder Söhne in der Jugendgruppe hatten. (Bredel).

Der universelle syntaktische Fügungswert der Substantive ermöglicht auf diese Weise den Ausdruck der vielfältigen Beziehungen, in die die Erscheinungen der Wirklichkeit zueinander treten und erlaubt es, die Sachverhalte je nach der Sprechabsicht des Sprechers unter verschiedenen Blickrichtungen darzustellen.

3) Das Substantiv verfügt über folgendes System von grammatischen Kategorien:

l. die Kategorie des Numerus,

2. die Kategorie des Kasus,

3. die Kategorie der Bestimmtheit/Unbestimmtheit.

Diese Kategorien sind aufs innigste mit der inhaltlichen Prägung des Substantivs und seinem Funktionieren im Satz verquickt.

Zu den grammatischen Kategorien des Substantivs zählt man nach der alten grammatischen Tradition auch das Genus. Doch während die eigentlichen grammatischen Kategorien des Wortes in seiner Formveränderlichkeit und in den dadurch gebildeten Oppositionsreihen ihren Ausdruck finden (vgl. das Buch — die Bücher; der Mensch — des Menschendem Menschen — den Menschen; die Übung — eine Übung), ist das Genus ein unveränderliches Charakteristikum eines Substantivs, teils in seiner Bedeutung, teils in seiner Lautform begründet, teils traditionell dem Worte anhaftend. Wir betrachten daher das Genus nicht als eine grammatische Kategorie der Substantive, sondern als ein strukturell-semantisches Charakteristikum der entsprechenden Lexeme und behandeln es im Abschnitt über die strukturell-semantischen Subklassen der Substantive.

 

Die Kategorie des Numerus

Die Kategorie des Numerus ist vielen Wortarten eigen. Doch ist das Wesen dieser Kategorie beim Substantiv grundsätzlich anders als bei allen anderen Wortarten.

So ist zum Beispiel der Numerus beim finiten Verb auf die Zahlform des Subjekts im Satz abgestimmt (das Kind schläftdie Kinder schlafen) also synsemantisch nach seiner Bedeutung und syntaktisch nach seiner Funktion. Auch der Numerus der Adjektive, der adjektivischen Pronomen, der Ordnungszahlwörter hängt von der Zahlform des Substantivs in der attributiven Wortfügung ab (alter Mannalte Leute, dieses Gespräch — diese Gespräche; der erste Versuch — die ersten Versuche), er ist also wiederum synsemantisch und ein Mittel der Kongruenz in der Wortgruppe. Beim Substantiv dagegen tritt uns der Numerus als eine autosemantische, dem Substantiv als solchem, außerhalb jeglicher syntaktischer Beziehungen anhaftende und mit dem Begriff der Gegenständlichkeit aufs engste verquickte Kategorie entgegen, vgl. der Mensch — die Menschen, das Haus — die Häuser, der Gedanke — die Gedanken.

Die Kategorie des Numerus ist mit den Begriffen der Gattung und der Z ä h l b a r k e i t der Gegenstände innerhalb der Gattung verbunden. Die Korrelation von Singularform und Pluralform beruht auf der Opposition ein Gegenstand — viele Gegenstände von derselben-Gattung. Diese Opposition kennzeichnet vor allem Namen für konkrete Gegenstände, und zwar Gattungsnamen: der Mensch —die Menschen, das Hausdie Häuser, der Baum — die Bäume, Auch der Bedeuti vieler Abstrakta haftet die Fähigkeit zur Zählbarkeit an: die Idee - Ideen, die Bestrebung—die Bestrebungen, die Tugend—die Tugenden u. ä.

Es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der Bedeutung der Pluralform nicht um die Vielheit durchweg handelt, sondern um eine gegliederf Vielheit, um eine Summe von Einheiten. Als Beweis dafür dienen die singularisch gebrauchten Ko l l e k t i v a, die auch eine Vielheit ausdrücken, aber „als eine undifferenzierte, unzerlegbare Ganzheit vgl. das Gebüsch (eine nichtgegliederte Vielheit, eine undifferenzierte Ganzheit) und die Büsche (eine differenzierte Summe von Einheiten); ähnlich- das Laub und die Blätter, das Proletariat und die Proletarier, die Studentenschaft und die Studenten. Einen weiteren Beweis für die Wichtigkeit der Gegenüberstellung von gegliederter Vielheit und undifferenzierter Ganzheit liefern die Stoffnamen. Als Bezeichnungen einer undifferenzierten Ganzheit haben die Stoffnamen in der Regel nur die Singularform: das Wasser, der Wein, der Stahl, das Öl. Sobald aber der Stoff nach den Sorten oder Arten gegliedert wird, bekommen die Stoffnamen die Pluralform: die Weine (==Weinsorten), z. B. alte Weine, starke Weine; die Stähle (==Stahlsorten), die Öle (=Ölsorten) u. a.

Die Kategorie des Kasus

Die Kategorie des Kasus verleiht dem Substantiv jene Lenkbarkei-die sein vielfältiges Funktionieren im Satz erfordert. Oft stehen dem Kasus dabei die Präpositionen zur Seite. Diese konkretisieren dank ihrer lexikalischen Bedeutung die Beziehungen, die der Kasus nur in sehr allgemeiner Form angibt, bilden aber im Deutschen im Gegensatz zum Französischen oder zum Englischen keinen „analytischen Kasus", sondern präpositionale Fügungen.

Die grammatische Bedeutung der Kasus ist sehr abstrakt, und der Sprachforschung ist es bis heute nicht gelungen, das Problem der Kasusbedeutung befriedigend zu lösen. Fest steht aber für die moderne Grammatikforschung, daß die Kasus einer Sprache nicht einzeln, isoliert voneinander betrachtet werden dürfen, wie es die herkömmliche Grammatik tat, sondern systemhaft, auf Grund der Oppositionsverhältnisse, die sie im Paradigma des Substantivs verbinden. So schreibt zum Beispiel R. Jakobson in seiner bekannten Untersuchung über das Kasussystem des Russischen, daß die Versuche, „die einzelnen Kasus isoliert zu bestimmen, vergeblich sind" und daß es unumgänglich ist, „vom Gesamtsystem der Kasusgegensätze auszugehen“ (J a k o b s o n). Eine weitere Erkenntnis, zu der man gelangt ist, betrifft die Notwendigkeit der Ausgliederung einer allgemeinen grammatischen Bedeutung des Kasus aus der Fülle seiner konkreten Verwendungsweisen. So untercheidet R. Jakobson die Gesamtbedeutung eines Kasus, die von seiner Umgebung unabhängig ist, und die Sonderbedeutungen des Kasus, die durch verschiedenartige Wortgefügeoder durch die Bedeutung der umgebenden Wörter bestimmt werden und daher als kombinatorische Varianten der Gesamtbedeutung zu betrachten sind. Kennzeichnend für R. Jakobson ist das Bestreben, Kasusbedeutung und Kasusfunktion auseinanderzuhalten und zu beweisen, daß der Kasus in verschiedenen syntaktischen Funktionen eine und dieselbe Gesamtbedeutung aufweist. So definiert er den Akkusativ und sein Gegenglied, den Nominativ, wie folgt: „Der Akkusativ besagt stets, daß irgend eine Handlung auf den bezeichneten Gegenstand gewissermaßen gerichtet ist, an ihm sich äußert, ihn ergreift“. Diese Definition legt die Annahme nahe, es handle sich letzten Endes doch um die syntaktische Funktion des Objekts als Grundbedeutung des Akkusativs.

 

Kommunikative Syntax

Der zweite Charakterzug der neuen Forschungsrichtung ist die Hinwendung zu den Problemen der kommunikativen Funktion der Sprache als Medium der gegenseitigen Verständigung unter den Menschen und das Bestreben, den kommunikativ-pragmatischen Aspekt der grammatischen Kategorien und der grammatischen Strukturen zu erschließen. Das zunehmende Interesse für die Probleme der Kommunikationsforschung und der Soziolinguistik sowie die Forderung von der Praxiswirksamkeit der Sprachwissenschaft im Bereich des sozialistischen Bildungswesens, die zur Entwicklung der Fähigkeit „zur bewußten Handhabung sprachlicher Mittel in konkreten Kommunikationszusammenhängen beitragen soll, „damit die organisierende, steuernde und regelnde Funktion der Sprache voll zur Geltung gebracht werden kann und eine optimale gesellschaftliche Wirksamkeit erzielt wird.

Es kommen verschiedene Termini in Umlauf, um die zum Teil noch diskutiert wird, auch das Modell der Beschreibung des grammatischen Systems ist noch nicht stabil, aber in allen Fällen handelt es sich um die Verquickung der Grammatik mit der Kommunikationsforschung und der Erforschung der Pragmatik (Sprachwirkungsforschung). W. Schmidt spricht von der funktionalen Grammatikforschung im Zusammenhang mit der Aufgabe der Grammatik, „das Funktionieren der sprachlichen Mittel im Kommunikationsprozess zu erforschen", indem er die Funktion als einen der eigenständigen Grundbegriffe der Grammatik hervorhebt. Während viele Sprachforscher die Termini Bedeutung und Funktion als Synonyme gebrauchen, ist W. Schmidt bestrebt, sie grundsätzlich auseinanderzuhalten. Seine Auffassung dieser Begriffe entwickelt er in einer Reihe von Aufsätzen aus den Jahren 1969—1970. Die Bedeutung ist die inhaltliche Seite des sprachlichen Zeichens: „Wir. verstehen unter Bedeutung die abstrahierende, die invarianten Bestandteile des Erkenntnisprozesses umfassende Widerspiegelung eines Gegenstandes, einer Erscheinung oder einer Beziehung der objektiven Realität im Bewußtsein der Angehörigen einer Sprachgemeinschaft, die traditionell mit der Form zu der strukturellen Einheit des sprachlichen Zeichens verbunden ist" (W. S c h m i d tg, 142). Während die Bedeutung ein sprachinternes Phänomen ist, ist die Funktion ein sprachexternes Phänomen: „Unter Funktion verstehen wir die vom Sender bei der Kommunikation intendierte und in der Mehrzahl der Fälle auch erzielte. Wirkung der Sprache auf den Empfänger. Funktion ist also grundsätzlich; sprachextern: Sie ist der Output, der kommunikative Effekt, den wir bei der Verwendung von Sprache erzielen" (W. S c h m i d t).

Die strukturelle Syntax

Strukturelle Forschungen im Bereich der deutschen Grammatik wurden durch die Untersuchungen Hans Glinz' eingeleitet, vor allem durch das in Bern 1952 erschienene Buch „Die innere Form des Deutschen. Eine neue deutsche Grammatik" (19685) und „Der deutsche Satz, Wortarten und Satzglieder, wissenschaftlich gefaßt und dichterisch gedeutet" (1957).

Wir finden in den Schriften von H. Glinz alle Charakterzüge wieder, die den Strukturalismus der 40er und 50er Jahre kennzeichnen—eine streng synchrone Darstellungsweise, ein auf das Satzganze und dessen Gliederung orientiertes, ganzheitliches Verfahren und das Ausgehen vom „Text", die Hervorhebung des systemhaften Charakters der Sprache und die Erhebung von Systemzusammenhängen zwischen den Elementen der Sprache zum Hauptobjekt der Forschung, die für den Strukturalismus übliche Auflösung der Morphologie in der Syntax.

Eines der wesentlichen Kennzeichen der strukturellen Sprachforschung im allgemeinen ist ein besonderes Interesse für das Prob lern der Forschungsmethoden, das Streben nach objektiven, strengen und dem Forschungsobjekt gerechten methodischen Verfahren. Auch in den Schriften von H. Glinz nehmen die Probleme der Forschungsmethoden einen großen Platz ein.

Sein methodisches Verfahren ist vor allem „lautbezogen". Was das bedeutet, kann man am Beispiel seiner Satzdefinition erkennen. Indern H. Glinz eine „rein sprachliche Bestimmung" des Satzes erstrebt, die frei von logischen oder psychologischen Sehweisen wäre, verzichtet er auf das Kriterium des Satzinhaltes und will den Satz „nicht von der Inhalts-, sondern von der Klangbildseite her" definieren. Als einziges prägendes Merkmal des Satzes nennt er die Stimmführung, d. h. ein Element der Satzform. Der Satz ist nach H. Glinz „Die Einheit des stimmlichen Hinsetzens, das in einem Zug und unter einem Atem hervorgebrachte sprachliche Gebilde"... „Die kleinste Sprecheinheit, die kleinste „Hervorbringungseinheit*, die kleinste Atemeinheit der normal dahinfließenden Rede" (G l i n z).

richtung gehören, so zum Beispiel in der ebenfalls experimentierenden Abstrichprobe von Paul Grebe, in der Interpretation solcher Wortarten wie Substantiv, Verb, Adjektiv-Adverb in der Grammatik von Johannes Erben.

Seit den 60er Jahren entwickelt sich die strukturelle Forschungsrichtung unter dem Einfluß der generativen Grammatik von Noam Chomsky weiter. Die Hauptaufmerksamkeit der Forscher gilt der Formalisierung der Beschreibung der Syntax und der Transformationsanalyse als Methode der Erschließung der Tiefenstruktur der Sprache. Besondere Aufmerksamkeit ziehen auf sich in dieser Zeit die Veröffentlichungen der Mitarbeiter der Arbeitsstelle für Strukturelle Grammatik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (die Schriftenreihe „Studia Grammatica" I—X, 1962—1969). Die in der Schriftenreihe „Studia Grammatica" erschienenen Veröffentlichungen behandeln aus der Sicht der Transformationsanalyse die Struktur des einfachen Satzes, den komplexen Satz, sowie die Regeln der Satzintonation. Den Problemen der strukturellen Syntax, und zwar der Satzmodellierung und der Satzgenerierung, sind die Aufsätze von K. E. H e i d o l p h gewidmet. In einer etwas anderen Richtung geht die Anwendung strukturalistischer Ideen und Methoden im Leipziger Linguistenkreis vor sich, der 1968 den Sammelband „Probleme der strukturellen Grammatik und Semantik" veröffentilichte. Die Verfasser der Aufsätze beschränken sich nicht auf rein strukturelle Probleme und Methoden, auch sind sie bestrebt, den positiven Ertrag verschiedener strukturalistischer Schulen, angefangen mit dem Prager und Kopenhagener Linguistenkreis über die Lehren der amerikanischen Deskrip-tivisten und die Distributionslehre Z. S. Harris' bis zur generativen Grammatik der neuesten Zeit zu verwerten und dadurch eine breite Basis für die Strukturanalyse zu schaffen.

Ende der 60er Jahre läßt das Interesse zum Strukturalismus beträchtlich nach, da di



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