Ballett ist rosa, denkt man. 


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Ballett ist rosa, denkt man.



Mädchen mit langen Hälsen in rosa Röckchen und rosa Spitzenschuhen mit rosa Seidenbändern. Wie Zuckerguss: viel zu süß, beim Anschauen wird einem ein bisschen schlecht. Aber unter der Hülle ist meistens etwas ganz anderes. In Dina Zaripovs Spitzenschuh zum Beispiel steckt ein Fuß, der aussieht, als wäre sie gerade drei Tage lang ohne Socken wandern gewesen. Auch rosa zwar, aber roh und wund.

Dina ist Tänzerin. Ein paar Wochen noch, dann hat sie ihre letzte Prüfung an der „Ballettschule John Neumeier“, die zur Hamburgischen Staatsoper gehört und den Ruf hat, die beste der Welt zu sein. Neumeier, Intendant der Staatsoper, hat die Schule 1978 gegründet. Sogar aus Japan, Amerika und Kanada kommen Schülerinnen und Schüler, um hier zu lernen. Acht Jahre dauert die Ausbildung, mit halbjährlichen Zwischenexamen, die jedes Mal das Aus bedeuten können. Insgesamt sind es fast 150 Schüler, wer von weit her kommt, wohnt im Internat.

Nach dem Abschluss hat Dina einen Vertrag für die Compagnie der Oper, was nicht viele schaffen. Denn es gibt mehr Tänzer als Jobs, und da die Theater immer weniger Geld bekommen, werden auch die Ballett-Ensembles kleiner. Die Durchschnittlichen haben keine Chance. Nur wer die schönsten Sprünge schafft, gelenkige Mädchen, die Füße mit einem hohen Spann haben. Und den Ehrgeiz, die Schönste von allen sein zu wollen. Und die nicht grübeln. Warum sie tanzt? „Darüber habe ich nie viel nachgedacht“. Dina lächelt, als wolle sie sich dafür entschuldigen. „Es war einfach das Gefühl, genau das Richtige zu tun. Leben – das heißt für mich tanzen“.

Vor neun Jahren, da war sie gerade mit ihren Eltern von St. Petersburg nach Hamburg gezogen, ist Dina zum ersten Mal den Weg ins Ballettzentrum gefahren. Damals war sie neun, jetzt ist sie 18 – das halbe Leben. Und deshalb ist der strenge, rote Backsteinbau mit den vielen hellen Sälen, die nach berühmten Tänzer-Vorbildern „Nijinski“ oder „Balanchine“ heißen, ihr ein zweites Zuhause.
Solange sie noch ins Gymnasium ging, sah Dinas Tagesablauf ungefähr so aus: aufstehen um sechs, dann zwischen Frühstück und der ersten Stunde schnell noch Vokabeln lernen. Und nach dem letzten Klingeln gleich ins Training. Schnell die langen braunen Haare zum Dutt gezwirbelt: raus aus dem Teenager, rein in die Tänzerin. Oft ist es schon dunkel gewesen, wenn sie nach Hause kam. „Manchmal habe ich vor Klausuren bis zwei Uhr nachts gelernt und morgens um fünf wieder. Völlig verrückt“.

Während ihre Mitschüler nachmittags im Eiscafé saßen, stand Dina an der Stange und versuchte, nicht an Erdbeerbecher mit Sahne zu denken. „Das war hart. Man will ja gerade das, was verboten ist“. Aber die Waage hat noch jede Chipstüte entlarvt. Und wenn eine Ballerina eines nicht sein darf, dann dick. Schließlich kann kein Tanzpartner beim Pas de deux siebzig Kilo stemmen und dabei noch elegant aussehen. Nur, was heißt schon dick? Diese Mädchen sind so schmal, dass man mit beiden Händen ihre Taille umschließen und die Rippen zählen kann. In den unteren Klassen werden die Schüler sogar regelmäßig gewogen, und irgendwann gewöhnt man sich an ein Leben ohne Erdbeerbecher. So wie man sich überhaupt daran gewöhnt zu verzichten. Auf normale Freundschaften zum Beispiel. Jetzt, nachdem Dina die Mittlere Reife hat und vom Gymnasium abgegangen ist, um nur noch zu tanzen, ist es noch schwieriger geworden. „Trotzdem: Ich habe relativ viele Freunde von draußen. Aber ich muss mich sehr darum bemühen“. Spontan Kaffee trinken oder ins Kino in die Nachmittagsvorstellung gehen ist eben nicht.



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